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Schlaue Maus-Augen

8. September 2009

Stürzt ein Falke mit bis zu 300 km/h auf eine Maus herab, heißt es für sie: flüchten! Und zwar schnell. Dabei helfen der Maus intelligente Nervenzellen in der Netzhaut ihrer Augen, die Forscher um Thomas Münch von der Universität Tübingen entdeckt haben.

Illustration: Maus wird von Raubvogel angegriffen. (Foto: Thomas Münch)
Fliegt er vorbei? Oder greift er mich gerade an?Bild: Thomas Münch

Die neu entdeckten Nervenzellen reagieren bereits im Auge auf Bewegungen. Dort entscheiden sie selbst, ob ein Falke einfach nur vorbeifliegt, oder sich gerade im Sturzflug befindet. "Eine derart frühe bildliche Erkennung und Verarbeitung ist wichtig für schnelle Fluchtreaktionen und Ausweichbewegungen", so Münch.

Im Brennpunkt der Bildanalyse auf der Netzhaut stehen schlaue kleine Nervenknoten, sogenannte PV5-Ganglienzellen. Sie werten die Informationen zahlreicher winziger Sehzellen aus. Kommen sie zum Ergebnis "Ein Objekt nähert sich!", senden die Nervenknoten ein starkes Signal ans Gehirn.

Für Münch ist die Entdeckung eine Sensation: "Erstmalig ist gezeigt worden, dass sich solche Zellen zur Bildanalyse bereits in der Netzhaut befinden, also sehr früh im Sehsystem." Bisher seien Zellen mit entsprechenden Eigenschaften nur von höheren Gehirnregionen bekannt gewesen.

Überraschenderweise sind einige der beteiligten Netzhaut-Zellen alte Bekannte: sogenannte Amakrin-Zellen, die zu den häufigsten Zelltypen in der Netzhaut gehören. Bislang war nur ihre Rolle beim Dunkel-Sehen bekannt. Dass sie nun auch bei der Feind-Erkennung im Tageslicht mitmischen, zeigt, wie effizient und vielseitig Nervenbahnen genutzt werden.

"Technische Anwendungen sind möglich!" so Thomas Münch.Bild: Thomas Münch

Können wir von den schlauen Maus-Augen lernen? Münch meint ja. "Der Mechanismus der Signalübertragung, den wir in der Maus-Netzhaut entdeckt haben, könnte auch bei der technischen Bildverarbeitung eingesetzt werden, etwa um Kollisionen im Straßenverkehr zu vermeiden."

Die Forschungsergebnisse sind in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift Nature Neuroscience veröffentlicht. (uw/ht/idw)