Haushühner sind alles andere als dumm. Zu dem Ergebnis kommt das Weißbuch einer US-Tierschutzorganisation. Es fasst zahlreiche Verhaltensstudien zusammen und ermahnt uns: Die Tiere verdienen gute Haltungsbedingungen.
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Schlaue Tiere
Wenn man über intelligente Tiere nachdenkt, fallen einem meist zunächst Primaten ein. Aber es gibt noch viele weitere Arten, die über verblüffende kognitive Fähigkeiten verfügen. Hier eine kleine Auswahl.
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Gar nicht doof
Hühner haben ein Image, das sie überhaupt nicht verdienen - sie gelten als dümmlich. Dabei sind die Vögel nicht nur in der Lage, ihre Artgenossen mit verschiedensten Rufen auf ganz unterschiedliche Situationen aufmerksam zu machen, sie haben auch ein umfassendes räumliches und zeitliches Vorstellungsvermögen und sie zeigen Mitgefühl mit anderen.
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Sprachgenie-Nagetiere
Präriehunde haben ein umfangreiches Signal-Vokabular. Ihre Rufe und Quietschlaute sind so differenziert, dass man sie fast als Sprache bezeichnen kann. Artgenossen bekommen so präzise Informationen über drohende Gefahren oder Verhaltensstrategien. So können sie bei Warnrufen etwa zwischen verschiedenen Raubtieren differenzieren.
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Komplexe Arbeitsteilung
Kaum jemand kann sich vorstellen, dass Insekten intelligent sind. Bienen zeigen aber beispielhaft für viele Artgenossen, was in ihnen steckt: Für ihre hochkomplexe gesellschaftliche Arbeitsteilung haben sie aufwendige Kommunikationsformen entwickelt - etwa den berühmten Tanz, den sie aufführen, um im Bau anderen Anweisungen zu geben. Und sie können verschiedene geometrische Formen unterscheiden.
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Züchter und Forscher wissen, was Tauben können
Tauben verblüffen Verhaltensforscher immer wieder. Sie können bis neun zählen oder auch Touchscreens benutzen, um komplexe Aufgaben zu lösen. Bei einigen Aufgaben können sie es mit Primaten aufnehmen. Unschlagbar sind sie bei der Orientierung: Auch über Hunderte von Kilometern finden sie immer wieder nach Hause zurück.
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Nur faule Kaltblüter?
Bei niedrigen Temperaturen sind Eidechsen in der Tat eher träge und schwer zu motivieren. Wird es aber wärmer und fühlen sie sich wohl, haben auch sie einiges zu bieten. So haben Forscher in den USA Eidechsen verschiedene Aufgaben gestellt, bei denen sie ans Futter kamen, indem sie bestimmte Deckel entfernten. Ergebnis: Die Reptilien sind flexible Problemlöser und lernen von anderen.
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Hühner sind erstaunlich gewitzt und bekommen eine Menge davon mit, was in ihrer Welt so vor sich geht. Mit ihren kognitiven und emotionalen Fähigkeiten können sie es dabei durchaus mit Kleinkindern, Primaten oder Rabenvögeln aufnehmen. Zu diesem Ergebnis kommt ein Weißbuch der US-Tierschutzorganiation "Farm Sanctuary".
Mit ihrer Initiative "The Someone Project" möchte die Organisation darauf aufmerksam machen, dass die Nutztiere, mit denen der Mensch seit Jahrzehntausenden zusammen lebt, eigene Persönlichkeiten haben und Empathie verdienen. Es ist auch ein Appell gegen Massentierhaltung.
Die Verhaltensforscherinnen Lori Morino und Christina M. Colvin haben für ihre Hühner-Meta-Studie zahlreiche Publikationen verschiedener Verhaltensforscher weltweit ausgewertet. Das Ergebnis zeigt, dass sich hinter dem wallnussgroßen Hühnerhirn einiges an Leistung verbirgt.
So seien die Haushühner zu logischen Schlussfolgerungen fähig, die Kinder erst mit etwa sieben Jahren meistern, berichtet Morino in einem Artikel in der Fachzeitschrift "Animal Cognition".
Vorstellungsvermögen für Geometrie und Mengen
Nach einer Studie können Küken zum Beispiel rechnen: Die frisch geschlüpften Tiere sind zumindest in der Lage, große von kleinen Mengen zu unterscheiden. Das zeigten Tests mit gelben Plastikeiern.
Zudem seien Hühner in der Lage, sich bis zu drei Minuten lang die Flugbahn eines Balls zu merken. Das entspricht den Fähigkeiten der meisten Primaten in vergleichbaren Versuchen.
Hühner haben ein umfassendes räumliches Vorstellungsvermögen, gepaart mit einer gewissen Multitasking-Fähigkeit. So können sie etwa Futter suchen, freundliche Lebewesen in ihrer unmittelbaren Umgebung wahrnehmen und gleichzeitig den Himmel nach gefährlichen Greifvögeln absuchen.
Ihre wichtigsten Sinnesorgane sind allerdings nicht die Augen, sondern der Schnabel mit einem extrem empfindlichen Geschmacks-, Geruchs- und Gefühlssinn. Eine Verletzung dieses Organs fügt den Tieren große Schmerzen zu.
Empathie und Rollenverständnis
Ein Huhn verfügt über ein gehöriges Maß an Selbstkontrolle. So haben Studien gezeigt, dass die Vögel in der Lage sind, den Schnabel zu halten, wenn das dazu führt, dass sie später besseres Futter erhalten können.
Und Hühner haben ein Bewusstsein über die eigene Stellung in der Gesellschaft. Der eigene Rang in der Hackordnung ist einem Huhn klar. Das heißt: Hühner können über ihr eigenes Sein reflektieren.
Trauerrituale im Tierreich
Ob Elefanten, Wale oder Affen, sie alle trauern, wenn ihre Gefährten sterben. Von Gorillas, die ihre toten Babys tageland mit sich herumtragen, bis zu Hunden, die am Grab des Herrchens wachen - es ist herzzerreißend.
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Unzertrennlich
Gorillamama Gana im Zoo in Münster konnte den Tod ihres Babys Claudio einfach nicht akzeptieren: Tagelang trug sie den leblosen Körper mit sich herum und verteidigte ihn gegen die Zoopfleger. Nicht ungewöhnlich für Menschenaffenmütter: Manche trennen sich wochenlang nicht von dem - inzwischen mumifizierten - Leichnam des verstorbenen Nachwuchses.
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Seebestattung
Auch Orcas, Delfine und andere Meeressäugetiere tragen ihre verstorbenen Jungen eine Zeitlang mit sich umher - im Wasser keine leichte Aufgabe. Forscher beobachteten, wie Mütter versuchten, die Körper auf ihrer Schnauze zu balancieren. Wenn die toten Körper herabsanken, tauchten die Mütter hinterher. Auch wenn erwachsene Delfine sterben, bewachen die Gefährten die toten Körper tagelang.
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Totenwache
Elefanten sind für ihr gutes Erinnerungsvermögen bekannt - kein Wunder, dass sie besonders intensiv und lange um ihre Toten trauern. Stirbt ein Elefant, halten die anderen Elefanten der Gruppe Totenwache am Leichnam. Es kommen sogar Elefanten aus benachbarten Gruppen vorbei und besuchen den verstorbenen Artengenossen ein letztes Mal.
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Fellpflege als Trost
Paviane zeigen starke Stresssymptome, wenn ein ihnen vertrauter Artgenosse stirbt. Ihre Stresshormone im Blut steigen, haben Forscher gezeigt. Um mit einem Verlust umzugehen, suchen sie die Nähe zu anderen Pavianen und widmen sich besonders intensiv der Fellpflege.
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Aufruf zum Abschied
Wenn Rabenvögel einen toten Artgenossen entdecken, rufen sie andere Artgenossen herbei. Gemeinsam versammeln sie sich dann um den Kadaver. Sie fressen auch eine Zeitlang nichts mehr. Vor allem Vogelarten, die ihr ganzes Leben mit einem Partner verbringen - Gänse und viele Singvögel etwa - trauern stark. Das kann so weit gehen, dass sie gar nichts mehr fressen und selbst sterben.
Fische verhalten sich sich oft ungewöhnlich ruhig, wenn ein Artgenosse im gleichen Aquarium stirbt. Das liegt aber vermutlich an den Stresshormonen, die der sterbende Fisch ins Wasser abgibt, sagen Forscher. Ob Fische tatsächlich trauern können, ist bisher kaum untersucht. Aber es liegt zumindest für paarweise lebende Fische nahe - etwa für den Franzosen-Kaiserfisch.
Trauern kann man auch um einen Gefährten, der einer anderen Tierart angehört. Das haben die Katze Muschi und die Kragenbärin Mäuschen im Berliner Zoo gezeigt. Die beiden hatten sich angefreundet. Als die Bärin verstarb, weigerte sich die Katze, das Bärengehege zu verlassen und hörte nicht auf wehleidig zu miauen.
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Wache am Grab
Ein Mensch, der seinen geliebten Hund verliert, ist furchtbar traurig. Das Gleiche gilt für einen Hund, der sein geliebtes Herrchen verliert. Der Schäferhund Capitan hütete viele Jahre das Grab seines Herrchens am Friedhof von Villa Carlos Paz in Argentinien.
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Sehr komplex gestaltet sich auch die Kommunikation unter Hühnern. Sie verfügen über 24 verschiedenen Laute und großes Repertoire visueller Zeichen. Sie sind in der Lage, Zeitintervalle wahrzunehmen und auf Geschehnisse in der Zukunft zu schließen. Sie beobachteten und lernen voneinander und werden vom Verhalten ihrer Mütter geprägt.
Auch Mitgefühl ist ihnen nicht fremd. Wurde Glucken gezeigt, dass ein Windstoß den Flaum ihrer Küken zerzauste, entwickelten sie ähnliche Stresssymptome wie der aufgeschreckte Nachwuchs. Demnach sind Hühner fähig zur Empathie - sie können den Standpunkt von Artgenossen einnehmen. Das ist sonst nur von wenigen Arten wie Raben und Primaten bekannt.
Verblüfft hat Forscher auch die Fähigkeit zum Täuschen und Tricksen: Unterlegene Hähne locken Hennen mit dem typischen Gebaren bei gefundenem Futter an. Allerdings verzichten sie dabei auf die sonst üblichen Balzrufe. So machen sie den Alpha-Hahn nicht auf das Stelldichein aufmerksam.
Das meistverspeiste Nutztier
Das Haushuhn (Gallus gallus domesticus) stammt vom Bankivahuhn ab, einem Wildhuhn aus Südostasien. Von keinem anderen Haustier des Menschen gibt es weltweit mehr Exemplare: Etwa 20 Milliarden Tiere leben unter uns - etwa drei pro Mensch. Geschlachtet werden jährlich mehr als doppelt so viele.
Die meisten der Vögel, die wir Menschen essen stammen aus Massentierhaltungen. In ihrem kurzen Leben sehen viele der Tiere kein Sonnenlicht, können sich nicht artgerecht entwickeln und leiden unter Enge und Verletzungen, die sie sich gegenseitig zufügen. Dies zu ändern, und damit die Intelligenz, den Verstand und die Gefühle der Vögel zu würdigen, die uns so viel zurückgeben, ist damit auch ein Ziel von "The Someone Project."