Schlechte Noten für Afrikas Schulen
29. Februar 2016 Wenn Südafrikas Bildungsministerin Angie Motshekga an den Zustand des Bildungswesens in ihrem Land denkt, dann war's das mit ihrer Nachtruhe. Allein in vier Provinzen Südafrikas sind mehr als 213.000 Schüler durch die Abschlussprüfung gerasselt. "Wenn 25 Prozent einer Gruppe durchfallen, dann müssen wir schlaflose Nächte haben", wurde sie im Januar von einer südafrikanischen Zeitung zitiert. Die Zahl gleiche "einer nationalen Katastrophe".
Der Bildungsforscher Servaas van der Berg hat noch schlimmere Zahlen parat. Von den 1.2 Millionen Kindern, die 2002 in Südafrika eingeschult wurden, erreichte weniger als die Hälfte den Abschluss der Sekundarschule.
30 Millionen Kinder gehen nicht nur zur Schule
Südafrika ist nur ein Negativbeispiel. In vielen afrikanischen Ländern gehen immer noch viele Kinder erst gar nicht zum Unterricht. Laut einem Bericht der UN-Bildungsorganisation UNESCO saßen in Nigeria, der Elfenbeinküste oder Eritrea weniger als 80 Prozent aller schulpflichten Kinder im Klassenzimmer. Auch wenn die Einschulungsraten steigen: 2012 gingen mindestens 30 Millionen Kinder in Afrika nicht zur Schule.
"Der afrikanische Kontinent ist mit Abstand am schlechtesten qualifiziert", sagt Reiner Klingholz, Direktor des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung. In vielen afrikanischen Ländern gebe es einen hohen Anteil an Analphabeten oder Kindern, die nicht zur Schule gehen. Und selbst die Kinder, die zur Schulen gingen, bekämen zum Teil nur sehr schlechten Unterricht. "Diese jungen Menschen sind dann nicht in der Lage, im globalen Maßstab zu konkurrieren", so Klingholz.
"Schlechte Lehrer, schlechte Lehrpläne, keine Klassenzimmer"
Das sei aber nicht die Schuld der Schüler: "Schlechte Lehrer, schlechte Lehrpläne, unzureichende Infrastruktur wie Schulgebäude", zählt Bildungsforscher Klingholz als Gründe auf. Die Konsequenzen: Der südafrikanische Experte Servaas van der Berg rechnet vor, dass Kinder in einigen afrikanischen Ländern vier bis fünf Jahre brauchen, um in der Schule das gleiche Wissen zu erlangen, das Kinder in Industrie-Nationen in zwei Jahren lernen.
Mit verheerenden Folgen: "In vielen Konfliktgebieten in Afrika sieht man, dass meistens junge Männer oder Kinder für Rebellengruppen rekrutiert werden. Es sind Menschen, die keine Bildung haben und die die Mitgliedschaft in einer bewaffneten Gruppe als Möglichkeit sehen, sich ein Einkommen zu verdienen", sagt der Afrika-Experte Christopher Fomunyoh vom Nationalen Demokratie-Institut in Washington.
Als Beispiel nennt Fomunyoh die Terror-Miliz Boko Haram in Nordnigeria. "In diesen Gebieten finden Sie massenhaft junge Männer, die keine Grundbildung haben, die große Probleme haben, sich in die Gesellschaft zu integrieren und die daher besonders für extreme Gruppen anfällig sind."
Qualität statt Quantität
Die Ursachen für die Bildungsmisere reichen bis in die Kolonialzeit zurück. Die Kolonialmächte bauten nur wenige Schulen - denn an einer grundlegenden Qualifikation der Bevölkerung fehlte ihnen schlichtweg das Interesse. Nach der Unabhängigkeit investierten viele Staaten nicht genügend in Bildung. Konflikte in vielen Staaten trugen dazu bei, dass das Thema keine Priorität genoss. Und die Strukturanpassungsprogramme des Internationalen Währungsfonds und der Weltbank sorgten dafür, dass viele Staaten auf Haushaltskonsolidierung setzen - und Investitionen ins Bildungssystem drastisch kürzten.
Der südafrikanische Wirtschaftswissenschaftler Seervas van der Berg von der Universität Stellenbosch fordert aber nicht nur Geld für Afrikas Bildungssysteme. Er fordert auch, dass andere Prioritäten gesetzt werden. "Viele Regierungen in Afrika und zum Teil auch ausländische Geber haben sehr viel Wert darauf gelegt, die Zahl der Schulkinder zu erhöhen. Es wurde aber zu wenig darauf geachtet, was die Kinder lernen, welche Qualität der Unterricht hat."
Das heißt: Mehr Investitionen in die Lehrerausbildung, in geeignete Lehrmaterialien oder Schulgebäude. Und auch die Lehrpläne müssen sich ändern. "Die Lehrpläne in vielen afrikanischen Staaten ähneln immer noch denen aus der Kolonialzeit", sagt Afrika-Experte Christopher Fomunyoh. Er plädiert auch dafür, die Ausbildung grundsätzlich zu überdenken: "Es ist schön, dass wir viele Geisteswissenschafter haben. Aber bilden wir auch genug Mechaniker, Ingenieure oder Landwirtschafts-Experten aus, die wir brauchen?"