1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
PolitikNahost

Explosion in Beirut: Schleppende Aufklärung

Diana Hodali
13. Februar 2021

Sechs Monate ist es her, dass die gewaltige Explosion großer Mengen Ammoniumnitrat Teile Beiruts zerstörte. Bisher wurde niemand zur Rechenschaft gezogen. Beim Aufräumen fand man sogar weitere gefährliche Chemikalien.

Libanon | Gewaltige Explosion in Beirut
Bild: Getty Images/AFP/STR

Über 200 Menschen verloren bei der gewaltigen Explosion in Beirut am 4. August 2020 ihr Leben, mehr als 6000 Bürger wurden verletzt und rund 300.000 Personen wurden obdachlos. Die Schäden sind immens, der Wiederaufbau geht nur schleppend voran. Allein bis Jahresende sieht die Weltbank nur für das Allernötigste einen Bedarf von 1,8 bis 2,2 Milliarden Dollar. Das Land lag schon vorher wirtschaftlich am Boden. Dann kam die Corona-Pandemie. 

Wie lautet der Stand der Ermittlungen?

Laut der Organisation Human Rights Watch haben die libanesischen Behörden es in den vergangenen sechs Monaten versäumt, die katastrophale Explosion im Hafen von Beirut am 4. August 2020 angemessen aufzuklären. Sie haben der Öffentlichkeit bisher kaum Einzelheiten zu den schleppenden und undurchsichtigen Untersuchungen zur Explosionsursache mitgeteilt. Trotz zahlreicher Beweise und Dokumente, aus denen hervorgeht, dass hochrangige libanesische Politiker und Sicherheitsbeamte seit Jahren von der Existenz des Ammoniumnitrats wussten.

Einige Politiker wussten von der Lagerung des Ammoniumnitrats im Hafen von BeirutBild: RBB

Jahrelang waren 2.750 Tonnen Ammoniumnitrat ungesichert im Beiruter Hafen gelagert worden. Sicherheitsexperten hatten den libanesischen Präsidenten Michel Aoun und den damaligen Ministerpräsidenten Hassan Diab noch im Juli 2020 darüber informiert, wie gefährlich das sei und welche verheerende Folgen eine Explosion hätte. Trotzdem wurden die hochexplosiven Chemikalien nicht beseitigt. Untersuchungsrichter Fadi Sawan hat seit dem 4. August 2020 gegen 37 Personen Anklage erhoben. Bei den Inhaftierten handelt es sich hauptsächlich um Zoll-, Hafen- und Sicherheitsbeamte. Ihren Familienangehörigen und Anwälten zufolge soll die Justiz bisher weder die Anklagepunkte noch Beweise gegen sie vorgelegt haben. Mitte Dezember erhob Sawan auchAnklage gegen den geschäftsführenden Ministerpräsidenten Hassan Diabund drei ehemalige Minister wegen krimineller Fahrlässigkeit. Doch die Hoffnung währte nicht lange, denn diese hochrangigen Politiker weigerten sich, mit den Ermittlern zu kooperieren. Seit dem 17. Dezember liegen die Untersuchungen daher auf Eis. Eigentlich sollte es Anfang des Jahres weitergehen – doch durch den im Januar verhängten Lockdown erfolgt die Wiederaufnahme der Ermittlungen erst in den kommenden Wochen. Allerdings werden die Stimmen derer immer lauter, die eine internationale Untersuchungskommission fordern, weil viele weder der eigenen Justiz noch der Politik glauben, ein Interesse an einer Aufklärung zu haben.

Wurden die gefährlichen Chemikalien restlos entsorgt?

Da im Hafen von Beirut auch nach der Explosion noch 52 Container standen, deren Inhalt es zu überprüfen galt, wurden im Auftrag der Hafenbehörde zwei deutsche Unternehmen beauftragt. Im Januar fanden diese große Mengen toxischer und leicht entzündbarer Stoffe ohne besondere Sicherungsmaßnahmen, wie Michael Wentler der Deutschen Presse-Agentur (dpa) berichtete. Wentler ist Geschäftsführer der Höppner GmbH, eines Gefahrgut-Spezialisten aus der niedersächsischen Stadt Winsen. Die Chemikalien hatten zum Teil wohl bereits  Kanister und Container durchfressen und waren ausgelaufen. Wentler geht davon aus, dass diese Stoffe unter unglücklichen Umständen eine weitere Detonation hätten auslösen können - etwa wenn Stoffe unbeabsichtigt gemischt worden wären.

Die Umweltschäden sind bereits jetzt beträchtlich. Höppner ist gemeinsam mit der Firma Combi Lift aus Bremen für die Bergung und Entsorgung der 52 Container zuständig. Mittlerweile stünden die geborgenen Chemikalien verpackt zum Transport nach Deutschland bereit, twitterte der deutsche Botschafter im Libanon jüngst.

Saad Hariri (vorne) soll wieder Ministerpräsident werden - doch bisher hat er kein Kabinett bilden könnenBild: Anwar Amro/AFP

Wer regiert das Land derzeit?

Kurz nach der verheerenden Explosion im August 2020 gab die Regierung dem Druck der Straße nach und kündigte ihren kompletten Rücktritt an. Ministerpräsident Diab hatte erst im Januar 2020 nach einer monatelangen Hängepartie das Amt des Regierungschefs übernommen. Er folgte damit auf Saad Hariri, der nach Massenprotesten Ende Oktober 2019 nach drei Jahren im Amt zurückgetreten war. Auch Diabs designierter Nachfolger Mustafa Adib warf Ende September hin - nach eigener Aussage wegen interner Machtkämpfe bei der Regierungsbildung.

Doch jetzt soll der alte auch wieder der neue Regierungschef werden. Präsident Michel Aoun hat Ex-Premier Saad Hariri im Oktober erneut zum Ministerpräsidenten ernannt und mit der Bildung einer Regierung beauftragt. Doch das ist ihm bis heute nicht gelungen. Zudem herrscht aufgrund von Korruption und Missmanagement kaum noch Vertrauen in die alte, politische Elite, zu der man auch Saad Hariri zählt.

 

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen