Schleppender Wahlauftakt in Burundi
29. Juni 2015Polizisten vor einer Wahlstation in Burundis Hauptstadt Bujumbura tasten die wenigen Wähler genauestens ab, die gekommen sind, um hier ihre Stimme in den Parlaments- und Kommunalwahlen abzugeben. Doch die meisten Burundier in der Hauptstadt seien erst gar nicht zu den Wahllokalen gekommen, berichtet der freie Journalist Jemvohore Hussein der DW. "Diejenigen, die man gesehen hat, sind Unterstützer der Regierungspartei CNDD-FDD und ihrem Bündnispartner UPRONA. Außerdem sieht man auch viele Soldaten in den Wahllokalen."
Die meisten Bewohner des Stadtviertels Buyenzi in Bujumbura lehnten die Wahlen ab und boykottierten die Abstimmung. "Deshalb sind sie zuhause geblieben", so Hussein.
Rund 3,8 Millionen Burundier sind aufgerufen, an den Parlaments- und Kommunalwahlen teilzunehmen - doch 17 Oppositionsparteien hatten darauf gedrängt, die Wahlen zu boykottieren. Es sei nicht möglich, faire Wahlen abzuhalten, nach den wochenlangen Unruhen aufgrund von Präsident Pierre Nkurunzizas umstrittener Kandidatur für eine dritte Amtszeit.
Auch in anderen Stadtvierteln Bujumburas scheuten die Wähler den Gang zu den Wahlurnen. "In einer Stunde kamen nur zwei Leute", sagte Jean De Dieu Kubona, Wahlleiter eines Wahllokals in Bujumburas Viertel Nyakabiga der Nachrichtenagentur AFP. Nyakabiga gilt als eine Hochburg der Opposition. "Die Menschen haben Angst, wählen zu gehen. Und sie sind auch ein bisschen verwirrt, weil wir den Wahlort kurzfristig geändert haben. Hoffentlich kommen sie später am Tag, wenn sie sehen, dass ihre Sicherheit gewährleistet ist."
Doch auch in den Zentren, in denen die Regierungspartei traditionell stark ist, schien die Wahlbeteiligung im Vergleich zu den Wahlen vor fünf Jahren schwächer. In Bujumburas Viertel Kamenge standen lediglich zehn Leute vor einer Wahlstation, berichtet AFP. Doch Wahlleiter Dismas Nduwayezu erzählte stolz, dass bereits 52 von 455 registrierten Wählern innerhalb der ersten zwei Stunden wählen waren.
Schüsse in der Nacht
"Die Lage ist immer noch angespannt - in der Nacht zum Wahltag waren auch Schüsse zu hören. Die Sicherheitssituation ist immer noch sehr unsicher", sagte Journalist Hussein der DW. "Jeder hier hat Angst - die Menschen hier wissen nicht, ob sie den Einbruch der Dunkelheit überhaupt noch erleben."
In der Nacht zu Montag griffen nach Polizeiangaben bewaffnete Gruppen mit Schusswaffen und Granaten mehrere Wahllokale in und außerhalb Bujumburas an. Deshalb seien auch einige Wahllokale erst verspätet geöffnet worden, sagte der Leiter der Wahlkommission von Bujumbura, Cyriaque Bucumi. Der Sprecher der Wahlkommission, Prosper Ntahorwamye, betonte im Gespräch mit der DW, dass die Wähler in den Wahllokalen sicher seien. "Alle Wahllokale werden von der Polizei und der Armee beschützt. Ich bin gerade an einer nationalen staatlichen Schule, hier ist ein Wahllokal. Ich bin hier gemeinsam mit Sicherheitskräften."
Ängstliche Wähler
Einige Wähler, die in den Protesthochburgen dennoch ihre Stimme abgaben, waren nervös. "Ich habe Angst, dass Leute in meinem Viertel mir etwas antun könnten, denn die meisten hier in Nyakabiga haben gesagt, sie würden die Wahl boykottieren", sagte eine Wählerin, die unerkannt bleiben wollte, der AFP. Junge Männer beobachteten derweil, wer in den Wahlstationen ein und ausging. "Die Wahlen werden von der ganzen internationalen Gemeinschaft verurteilt", sagte ein junger Mann an einer Barrikade. Die Regierung stehle die Wahl. "Das können wir nicht akzeptieren."
Universitätsstudent und Oppositionsanhänger Gerard Niyibaruta sagte gegenüber der DW, dass er selbstverständlich nicht wählen werde. "Hauptsächlich deshalb, weil diese Wahlen nicht sehr gut organisiert worden sind, was bedeutet, dass einige politische Parteien davon ausgeschlossen wurden, diese Wahlen zu organisieren." Bürgerrechtlerin Jocelyne Keza betonte, sie sei nicht bereit, für Leute zu stimmen, die wenig für die Gemeinde getan hätten. "Ich weiß, dass wir das Recht haben, zu wählen, auch als Frau, und das ist gut. Aber man kann das nicht blindlings tun oder ohne Verstand."
Andere Burundier hingegen sahen es als ihre Pflicht an, wählen zu gehen. "Wir wollen die Erlaubnis haben, diejenigen wählen zu können, die wir wollen", sagte ein Burundier gegenüber der DW vor einer Wahlstation. "Wenn jemand nicht wählen geht, sollte er wissen: Wir werden die Gelegenheit wahrnehmen und für diejenigen stimmen, die wir wollen."
Andere betonten, dass nicht alles in Burundi schlecht sei. "Seit der Unabhängigkeit [von Belgien] gibt es viele Dinge - Schulbildung ist umsonst, das Gesundheitszentrum auch", sagte Albert Ndikumana der DW. "Es stimmt, es gibt eine Krise. Aber Burundi hat schon einige Krisen durchlebt. Das Leben geht weiter."
Der bekannte Menschenrechtsaktivist Pierre Claver Mbonimpa hingegen begrüßte den Boykottaufruf der Opposition. "Ich sehe viele leere Straßen. Heute Nacht hat man leider wieder Granaten und Schüsse gehört in verschiedenen Stadtteilen Bujumburas", sagte er im Gespräch mit der DW. Auch wenn er noch 2010 die Taktik der Opposition verurteilt hatte, nicht zur Wahl anzutreten - der Boykott sei diesmal richtig. "Die Opposition hat - wie wir, die Zivilgesellschaft - Unregelmäßigkeiten festgestellt. Man läuft ja nicht auf Dornen, die man schon gesehen hat."
Einschüchterungsversuche?
Ein Beamter aus Burundis Provinz Cibitoke im Nordwesten des Landes, der anonym bleiben möchte, berichtete der DW von einer "recht hohen Wahlbeteiligung" am Morgen. Die Wahlbeteiligung könnte durch Einschüchterungen der Imbonerakure - der Jugendmiliz der Regierungspartei - befeuert worden sein, vermutet der Beamte.
Willy Nyamitwe, Sprecher von Präsident Pierre Nkurunziza, behauptete hingegen, dass die Opposition versucht habe, die Wähler einzuschüchtern. Doch die Boykottversuche seien gescheitert.
Der Leiter der Wahlkommission in Nkurunzizas Heimatprovinz Ngozi, Desire Minani, sagte, dass es vor jedem Wahlbüro Warteschlangen gegeben habe. "Alle sind im Rennen, dann wird ausgezählt." Für den 15. Juli sind Präsidentschaftswahlen angesetzt, in denen Nkurunziza für eine umstrittene dritte Amtszeit kandidiert.
Mitarbeit: Saumu Yusuf, Amida Issa, Frejus Quenum, Apollinaire Niyirora, Eric Topona