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Versteckspiel beendet

Silke Wünsch29. August 2013

Eben noch habe ich kurz nach einer Mikrowelle mit Heißluftfunktion gegoogelt. Und schon weiß Facebook es auch. Dies ist nicht ganz neu, wir sehen es ja täglich. Unheimlicher ist das, was wir nicht sehen.

Silverwatching with binoculars © Oleg Zhukov #34062913 - Portfolio ansehen
Bild: Fotolia/Oleg Zhukov

So, liebe Freunde der Digitalitäten, ich war im Urlaub und habe die Kolumne für diese Zeit versteckt. Doch damit ist jetzt Schluss. Schluss mit der Datenaskese, zurück ins Netz, zurück zu euch – und ins Visier der unangenehmen Mischpoke aus Datensammlern, Internetkonzernen, Werbeunternehmen, E-Mail-Scannern, Telefonspionen und anderen Netzschnüfflern.

Denn schon werde ich wieder verfolgt, beobachtet und gescannt: Die Maschinen der großen Internetkonzerne wissen genau, was wir vom Internet wollen und werfen uns ungefragt vermeintlich passende Angebote vor die Füße. Mikrowellen, Schuhe, auch Diätpillen. Das nervt zwar, ist aber vergleichweise ungefährlich.

Dass die Maschinen längst viel mehr drauf haben, haben wir ja jetzt auch mitbekommen. Weil es Menschen gibt, die ganz genau wissen, wer uns bespitzelt, und diese Erkenntnisse häppchenweise an die Öffentlichkeit weiterreichen. Dafür werden sie von höchst empörten Behörden gejagt und sitzen irgendwo fest, wo ihnen niemand etwas tun kann.

Huch, jetzt haben sie mich

Und jetzt beginnt das große Misstrauen. So treffen sich Leute plötzlich vermehrt auf Cryptoparties und lernen Verschlüsselungstechniken. Andere schreiben mir in einer letzten für alle lesbare Mail, dass dies nun die letzte unverschlüsselte E-Mail sei, die ich von ihnen bekomme; falls ich weiter mit ihnen in digitalem Kontakt bleiben wolle, müsse ich mir einen Schlüssel herunterladen.

Das Darknet wird entzaubert, weil sich Hinz und Kunz jetzt die TOR-Software besorgt und damit quasi unsichtbar im Internet agieren kann.

Viele engagierte Netzmenschen sind seeeeehr sauer, wenn man achselzuckend so weiter macht wie bisher, nach dem Motto: "Ich habe ja nichts zu verbergen."

Nun, ich persönlich habe tatsächlich nichts zu verbergen. Wenn irgendwelche Behörden aber anhand meiner Telefonverbindungen und E-Mail-Kontakte einen Verdacht gegen mich hegen, weil meine Kontakte über 20 Ecken Kontakte zu subersiven Kreisen haben, mit denen ich wissentlich nicht das Geringste zu tun habe, dann habe ich die trotzdem am Hals. Und muss mich erklären. Aus der Nummer kommt man so schnell nicht wieder raus.

Grillspießbomben vor dem Coffeeshop

Durchaus kann ich verdächtig wirken, wenn man mich dabei beobachtet, wie ich merkwürdige Dinge im Internet bestelle. Seile zum Beispiel (die brauche ich für meinen Sport, Klettern und Canyoning). Oder eine Aceton-Flüssiggummi-Verbindung, leicht brennbar (damit flicken wir unsere Neoprenanzüge).

Bild: Getty Images

Letztens habe ich auch 10 000 Grillspieße geordert, die sich sicherlich auch in einer Bombe ganz gut machen könnten. Mein Freund befüllt damit Holzkästen; daraus werden praktische Messerblöcke. Für die Küche. Zum Verschenken an Freunde.

Sprach ich eben davon, dass ich mich in den letzten Wochen versteckt habe? Nun, weit gefehlt. Mein Handy hat den Geheimdiensten wahrscheinlich längst verraten, wo ich inm Urlaub überall war. Ständig bin ich zwischen der Schweiz und Italien hin und her gependelt. Und zwischen Frankreich und Italien. Über die Grüne Grenze, immer wieder. Nun, ich war im Tessin, da passiert es schon mal, dass man nach Italien gerät, auch ohne Drogen im Gepäck. Und in den Meeralpen weiß man beim Wandern manchmal nicht, ob man gerade in Frankreich oder in Italien ist. Man stolpert höchstens mal über einen verwitterten Grenzstein.

Ich hoffe, dass ich auch weiterhin nicht als europaweit agierender Drogenkurier verdächtigt werde. In der vergangenen Woche habe ich im holländischen Goes direkt neben einem Coffeeshop geparkt, weil mein Handy-Navi mich dorthin geleitet hat.

Obwohl: Man weiß ja nie, was die Geheimdienste sich zusammenreimen.


Silke Wünsch ist Redakteurin der Seite "Digitales Leben". Eines Tages wurde sie gefragt, ob sie diese Seite gerne betreuen möchte. Sie sagte: "Nun, ich bin bei Facebook und liebe hübsche Computer aus Cupertino, warum eigentlich nicht?" Und schon hatte sie den Job. An dieser Stelle schreibt sie über die schrägen Seiten des Digitalen Lebens, kommentiert das Treiben des Netzvolkes und wundert sich über die Skurrilitäten, die dieses komische Internet so spannend machen.

Bild: DW / Christel Becker-Rau
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