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Schmidt-Eenboom: "Das ist ein handfester Skandal"

Marcus Lütticke4. Juli 2014

Nach Medieninformationen ermittelt die Bundesanwaltschaft gegen einen BND-Mitarbeiter, der für die USA spioniert haben soll. Geheimdienstexperte Erich Schmidt-Eenboom erklärt, was diesen Fall so einmalig macht.

Erich Schmidt-Eenboom (Foto: imago/Müller-Stauffenberg)
Bild: imago stock&people

DW: Ein 31-jähriger Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes soll für die USA spioniert haben. Ist das Alltag im Geschäft der Geheimdienste oder haben wir einen handfesten Skandal?

Erich Schmidt-Eenboom: Wir haben einen handfesten Skandal. Wir haben schon die Situation, dass im Bundesnachrichtendienst die amerikanischen Agenten in Deutschland nicht als gegnerische Nachrichtendienste angesehen werden, dass man ihnen manches an Spionage in der Bundesrepublik Deutschland auch zubilligt, aber dass ein BND-Mitarbeiter auf ein Verfassungsorgan angesetzt wird, das ist eine unerhörte Übertretung der nachrichtendienstlichen Kooperation und der Grenzen.

Sollte sich der Verdacht bestätigen, welche Auswirkungen hätte das aus Ihrer Sicht auf das deutsch-amerikanische Verhältnis?

Die politische Ebene wäre sicherlich außerordentlich belastet. Bei den Nachrichtendiensten gehe ich von einem professionellen Denken aus, das sagt: Nachrichtendienste agieren so und man geht nach geraumer Zeit der Verstimmung wieder zum normalen Geschäft über.

Der Mitarbeiter soll speziell auf die Arbeit des NSA-Untersuchungsausschusses angesetzt worden sein. An welchen Informationen könnten die USA in diesem Zusammenhang interessiert sein?

Da gibt es eine ganze Palette von Informationen. Zum einen wollen sie sicherstellen, dass alles, was Herr Snowden - auch in geheimer Sitzung - dem Ausschuss beantwortet, auch für sie zur Kenntnis gebracht wird. Dann wollen sie natürlich wissen, in welchem Ausmaß der Bundesnachrichtendienst die Parlamentarier über die als geheim eingestufte Kooperation zwischen BND und NSA unterrichtet. Insgesamt geht es darum, den Wissensstand des Ausschusses soweit zu erforschen, dass man sich auf einen entsprechenden Abschlussbericht rechtzeitig medial einstellen kann.

Wird dieser Fall nun auch die Arbeit des Ausschusses beeinflussen?

Der Ausschuss war sicherlich nicht kalt erwischt. Er musste immer davon ausgehen, dass es ein großes Interesse von vielen fremden Nachrichtendiensten - nicht nur der USA - an seiner Arbeit gibt. Er wäre klug beraten, in Zukunft alle Behördenvertreter, die ohnehin einen zu großen Einfluss in diesen Ausschüssen ausüben, wenigstens von den nicht öffentlichen Sitzungen auszuschließen.

Zunächst war wohl vermutet worden, dass der Mitarbeiter für die Russen spioniert. Noch scheint das auch nicht ganz geklärt zu sein. Halten Sie es für möglich, dass der Mitarbeiter in der Vernehmung nur eine falsche Fährte in Richtung NSA legen wollte?

Das glaube ich nicht, weil das ja durchaus nachprüfbar ist. Es gibt natürlich im nachrichtendienstlichen Geschäft die Möglichkeit, dass man unter falscher Flagge angeworben wird. Das bedeutet, dass man ihm suggeriert hat, er arbeite für einen amerikanischen Dienst, aber dass diejenigen, die ihm das suggeriert haben, von den russischen Diensten stammen. Auch das ist in diesem Geschäft durchaus denkbar.

Wie rekrutiert der BND denn seine Mitarbeiter? Ist das ein klassisches Bewerbungsverfahren oder wird da anders vorgegangen?

Inzwischen ist das ein klassisches Bewerbungsverfahren. Stellen werden ausgeschrieben, es gibt Bewerber, und diese Bewerber werden dann natürlich vor ihrer Einstellung und dann regelmäßig wieder einer Sicherheitsüberprüfung unterzogen - gerade auch um sicherzustellen, dass sie nicht für gegnerische Dienste arbeiten.

Welche Mechanismen gibt es da zur Überwachung der eigenen Mitarbeiter?

Da schaut man nach Problemen im Verhalten, wie Alkohol, Spielsucht, Überschuldung und dergleichen, man guckt nach Verwandtschaftsbeziehungen in kritische Staaten, man überprüft Charakter, Werdegang und zieht Referenzpersonen heran, um ein geschlossenen Bild der Person zu bekommen und nicht nur seine objektiv erbrachten Leistungen bewerten zu können.

Welche Strafen drohen einem enttarnten Spion in Deutschland?

Das kommt auf das Ausmaß der nachrichtendienstlichen Agententätigkeit an. Da es sich in diesem Fall um die Ausspähung eines Verfassungsorgans handelt, gehe ich davon aus, dass man zu einer sehr hohen Strafe greifen wird. Das hieße mehrere Jahre Gefängnis ohne Bewährung.

Ist das ein einmaliger Fall, oder gab es solche Fälle in der Vergangenheit schon öfter?

Es gab gegenüber dem politischen, militärischen, gesellschaftlichen Bereich in der Bundesrepublik immer amerikanische Spionage. Das hat man nicht verfolgt, sondern hingenommen. Es gab auch immer Durchstechereien aus dem BND an die amerikanischen Dienste. Einen so gravierenden Fall, dass ein deutscher Nachrichtendienstler für die Amerikaner ein Verfassungsorgan ausspäht, den gab es noch nie.

Erich Schmidt-Eenboom ist Publizist und Friedensforscher. Er beschäftigt sich seit Jahren intensiv mit der Arbeit der Geheimdienste und hat dazu zahlreiche Bücher und Artikel verfasst.

Das Interview führte Marcus Lütticke.

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