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Schmiergeldaffäre bringt Lula in Bedrängnis

12. Juli 2005

In Brasilien zieht der Korruptionsskandal in der regierenden Arbeiter-Partei immer weitere Kreise. Präsident Luiz Inacio Lula da Silva soll sich sogar vom Gedanken der Wiederwahl im kommenden Jahr verabschiedet haben.

Das politische Denkmal wackeltBild: AP

Mit nicht weniger als sieben Geldkoffern sind am Montag (11.7.2005) ein brasilianischer Abgeordneter und sechs Begleiter festgenommen worden, als sie versuchten, in ein Privatflugzeug zu steigen. Der Abgeordnete Joao Batista Ramos da Silva sagte, die umgerechnet 2,1 Millionen Euro stammten aus Kollekten - das Parteimitglied der oppositionellen Liberalen Front ist auch Prediger einer evangelikalen Kirche. Geldkoffer lassen in Brasilien derzeit unwillkürlich an die Affäre um angebliche Schmiergeldzahlungen an Abgeordnete durch die seit Anfang 2003 regierende Arbeiter-Partei (PT) denken. Für die Unterstützung im Parlament soll die PT monatlich bis zu 10.000 Euro pro Kopf an Oppositionsmitglieder bezahlt haben. Die Regierung bestreitet dies.

Geldbündel in der Unterhose

Enge Mitarbeiter des Staatspräsidenten Luiz Inacio Lula da Silva stürzen dieser Tage nahezu wie im Domino-Effekt: Erst am Sonnabend trat der PT-Präsident Jose Genoino zurück, der verdächtigt wird, eine wichtige Rolle bei Bestechungen gespielt zu haben. Er bestritt jedoch alle Beschuldigungen: "Die PT kauft und bezahlt keine Abgeordneten." Einen Tag zuvor war ein Berater seines Bruders im Flughafen Congonhas in Sao Paulo mit umgerechnet 155.000 Euro unbekannter Herkunft festgenommen worden. Das Geld hatte er unter anderem in seiner Unterhose versteckt.

Wiederwahlpläne zu Grabe getragen

Vor Genoino waren schon der Generalsekretär und der Schatzmeister der PT sowie der Kabinettschef und enge Präsidenten-Berater Jose Dirceu zurückgetreten. Wegen des Skandals begann der stets nur Lula genannte Präsident eine weit greifende Regierungsumbildung, bei der bislang vier Minister ausgewechselt wurden. Der "Presidente" selbst ist zwar nicht direkt von den Korruptionsvorwürfen getroffen. Aber immer mehr denken wie der angesehene Soziologe Helio Jaguaribe: "Entweder hat Lula alles gewusst, und dann muss er einfach bestraft werden. Oder er wird als Dummkopf in die Geschichte eingehen, der nicht wusste, was sich in seinem eigenen Kabinett abspielte."

Nach Berichten der gut informierten Zeitung "Folha de Sao Paulo" hat Lula seine Wiederwahlpläne bereits zu Grabe getragen. Lula verhandele mit der oppositionellen Partei der Sozialdemokratie Brasiliens (PSDB) seines Vorgängers Fernando Henrique Cardoso über einen Verzicht auf eine erneute Kandidatur im Oktober 2006. Im Gegenzug soll ihn die Opposition in Ruhe zu Ende regieren lassen, heißt es.

Größte Krise der demokratischen Ära

Es stellt sich allerdings im größten Land Lateinamerikas die Frage, ob das so einfach sein wird. "Seit der Rückkehr zur Demokratie hat keine Vertrauenskrise so sehr die Parteien und demokratischen Institutionen getroffen", sagt der Geschichtswissenschaftler Boris Fausto. Die Enttäuschung und die Empörung seien von den gebildeten höheren Schichten inzwischen auf die breiten Massen übergeschwappt. Wer sich dieser Tage in Rio de Janeiro, Sao Paulo oder Brasilia in die Warteschlangen von Bäckereien oder Banken einreiht, gibt Fausto Recht. Noch nie wurde so viel über Regierung und Politiker gemeckert.

Ständig neue Enthüllungen

Lula bleibt unterdessen in der Schlammschlacht immer mehr allein auf weiter Flur. Die Krise kostete ihn seine wichtigsten Weggefährten. Die Abgeordneten-Bestechung sowie mehrere Skandale in staatlichen Institutionen wie Post oder Zentralbank - die alle derzeit von Untersuchungsausschüssen unter die Lupe genommen werden - dürften in den nächsten Wochen weitere Kreise ziehen. "Die Enthüllungen explodieren eine nach der anderen mit einer schrecklichen Geschwindigkeit", schreibt die Zeitung "O Globo". (stu)

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