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PolitikAfrika

Schmutzige Kampagne gegen Angolas Opposition

Antonio Cascais
24. Oktober 2021

Ein Jahr vor den Wahlen zwingt Angolas Verfassungsgericht den Chef der größten Oppositionspartei zum Rücktritt. Beobachter wittern dahinter einen Angriff der Regierungspartei. Denn die ist aus gutem Grund nervös.

 Adalberto Costa Junior nach seiner Wahl zum Vorsitzenden der UNITA 2019
Adalberto Costa Junior, bisher Vorsitzender der UNITABild: Joao Da Fatima/AFP/Getty Images

Das Urteil des angolanischen Verfassungsgerichts vom 7. Oktober sorgte für Aufregung - nicht nur unter Anhängern der größten Oppositionspartei UNITA. Auch politische Beobachter und die Zivilgesellschaft waren alarmiert. Adalberto Costa Júnior müsse als UNITA-Vorsitzender zurücktreten, so die Richter.

Begründung: Bei seiner Wahl im November 2019 habe er zwei Staatsangehörigkeiten besessen – die angolanische und die portugiesische. Das widerspreche der angolanischen Rechtsprechung. Costa Júnior gab daraufhin den Parteivorsitz an seinen betagten Vorgänger Isaías Samakuva ab.

"Diese Entscheidung ist juristisch nicht haltbar, denn zum Zeitpunkt seiner Wahl hatte Adalberto Costa Júnior nur die angolanische Staatsangehörigkeit. Auf die portugiesische Staatsbürgerschaft hatte er schon zwei Monate vorher verzichtet", erklärt der angolanische Politikwissenschaftler Orlando Ferraz im DW-Gespräch. 

Die UNITA muss nun einen neuen Parteitag abhaltenBild: Borralho Ndomba/DW

Viele Funktionäre hätten während des Bürgerkriegs zwischen der UNITA und der Regierungspartei MPLA zwischen 1975 und 1992 aus Angst vor Verfolgung eine zweite Staatsbürgerschaft beantragt, so Ferraz. Zum Beispiel in Portugal, in der Elfenbeinküste oder im Kongo. Auch Adalberto Costa Júnior. Er habe aber rechtzeitig vor dem Parteitag 2019 seinen Verzicht auf die portugiesische Staatsangehörigkeit erklärt.

Sein Fazit: Das Urteil der Verfassungsrichter sei falsch und ziele darauf ab, den UNITA-Chef zu schwächen. Die Regierung habe große Angst vor Adalberto Costa Júnior und seiner UNITA.

Gemeinsam gegen die Regierung

Kurz vor seiner Absetzung hatten Adalberto Costa Júnior und die UNITA mit zwei anderen Oppositionsparteien ein neues Bündnis geschmiedet. Seine neuen Partner gelten als erfahren, eloquent und sehr charismatisch: Filomeno Vieira Lopes vom Demokratischen Block (BD), und Abel Chivukuvuku von der Bewegung PRA-JA Servir Angola.

Abel Chivukuvuku, Adalberto da Costa Júnior und Justino Pinto de Andrade (v.l.n.r.) sind ein Bündnis gegen die Regierung eingegangen.Bild: Borralho Ndomba/DW

Das neue Bündnis - die so gennannte „Vereinigte Patriotischen Front" (FPU) - trete mit dem Ziel an, die MPLA bei den Parlamentswahlen 2022 zu besiegen, ließ Adalberto Costa Júnior die Öffentlichkeit wissen und erregte damit großes Aufsehen in der Bevölkerung und in den Medien.

"Wenn sich der UNITA-Chef mit zwei anderen charismatischen Anführern zusammentut, gehen bei der MPLA alle Alarmglocken an. Es ist eine große Gefahr für Präsident Lourenço und sein Regime", sagt der Politikwissenschaftler Orlando Ferraz. 

Opposition im Aufwind

Denn die Opposition könnte erstmals in der fast 50jährigen Geschichte des Landes die MPLA von der Macht verdrängen. Anfang Oktober stellte das Meinungsforschungsinstitut AngoBarómetro fest, dass der Anteil der Angolaner, die einen Regierungswechsel befürworten, einen Rekordwert erreicht hat. 81,44 Prozent sehen Bedarf an einer politische Alternative, heißt es in der Umfrage. Das sind fast 8 Prozent mehr als im August 2021.

Die Unzufriedenheit mit der Regierung ist großBild: Borralho Ndomba/DW

"Die Angolaner sind sehr unzufrieden mit Präsident João Lourenço, der vor vier Jahren als Hoffnungsträger im Kampf gegen Korruption und Misswirtschaft angetreten war, die Hoffnungen aber nicht erfüllt hat", sagt José Gama, Journalist und Gründer des Internetportals Club K, das die angolanische Politik kritisch beleuchtet.

Die Regierung sei in Panik und greife deshalb zu allen möglichen, auch illegalen Mitteln, um diesen Trend umzukehren, sagt Gama. Die UNITA sehe sich Schikanen auf allen Ebenen ausgesetzt. Das wirke sich negativ auf die Partei aus, gerade in finanzieller Hinsicht. "Die Partei muss möglichst bald einen neuen Parteitag organisieren und abhalten, damit Costa Júnior seine Arbeit aufnehmen kann. Das dafür notwendige Geld wird nächstes Jahr im Wahlkampf fehlen", sagt Gama voraus. Die UNITA gab inzwischen bekannt, dass der neue Parteitag am 4. Dezember 2021 stattfinden wird.

Wie unabhängig ist die Justiz?

Aus seiner Sicht ist es nicht verwunderlich, dass sich das Verfassungsgericht für eine derartige Kampagne instrumentalisieren lasse. "Das Verfassungsgericht besteht aus 11 Richtern, von denen 7 für die regierende MPLA im Parlament saßen. Bis auf einen einzigen sind alle Richter des Verfassungsgerichts in irgendeiner Weise mit der Regierungspartei verbandelt", sagt Gama. Erst kürzlich habe der Präsident eine Frau, die Mitglied des Politbüros der MPLA war, zur Präsidentin des Verfassungsgerichts ernannt. Sein Fazit: "Angolas Justiz ist dem Präsidenten und seiner Partei hörig."

Viele Angolaner fürchten, dass die Wahlen nicht frei sein werdenBild: Adolfo Guerra/DW

Seit João Lourenço an der Macht ist, habe das Verfassungsgericht keine einzige neue politische Partei zugelassen, erläutert Journalist José Gama: "Es wurden immer neue Hindernisse für die Legalisierung neuer politischer Kräfte geschaffen. Abel Chivukuvuku versucht zum Beispiel seit Jahren vergebens, eine Zulassung für seine Bewegung PRA-JÁ-Servir Angola als Partei zu beantragen, aber das Verfassungsgericht ließ eine Legalisierung aus fadenscheinigen Gründen nicht zu." 

Proteste für freie Wahlen

Die angolanische Bevölkerung beobachtet die Vorgänge mit zunehmender Sorge. Viele fürchten eine Aushöhlung der Demokratie und gehen deshalb regelmäßig auf die Straße. Am Samstag vor einer Woche (16.10.2021) protestierten vor allem junge Menschen in mehreren Städten des Landes gegen die Annullierung des letzten UNITA-Parteitages und die damit einhergehende Absetzung des Oppositionsführers. Das Ziel sei, den demokratischen Rechtsstaat zu verteidigen, sagten die Organisatoren. Die Demonstranten äußerten die Befürchtung, dass João Lourenço beabsichtige, ein totalitäres Regime, und einen Einparteienstaat zu errichten.

An den Protesten nahmen auch Vertreter der neuen Plattform Vereinigte Patriotische Front (FPU) teil. Filomeno Vieira Lopes, einer der FPU-Vorsitzenden, rief unter Jubel in die Menge: "Wir fordern, dass der rechtmäßige Vorsitzende der UNITA sein Platz bald wieder einnehmen darf."