Es lebte einst hinter den sieben Bergen bei den sieben Zwergen ein junges Mädchen, das hieß Schneewittchen. Eine Stadt in Bayern lässt das Märchen Wirklichkeit werden. Dort ist Schneewittchens Grabstein gefunden worden.
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Es war einmal eine junge Frau, die in einem Schloss in der Nähe des kleinen Städtchens Lohr am Main aufwuchs, das heute zu Bayern gehört. Als sie 18 Jahre alt wurde, heiratete ihr Vater eine neue Frau. Sie war ungerecht und behandelte ihre Stieftochter nicht gut. Die Heimat des Mädchens lag im Spessart, einem "wilden Wald", von dem aus ein Höhenweg über sieben Berge führt. Kleinwüchsige Männer arbeiteten in den Minen der Region. Als Schutz trugen sie Gewänder mit Kaputzen.
Die junge Frau hieß Maria Sophia von Erthal. Sie gilt als historisches Vorbild für das Märchen "Schneewittchen" der Gebrüder Grimm. Vor mehr als zwei Jahrhunderten ist sie gestorben. Ihr Grabstein ist nun wieder aufgetaucht.
Grabstein war lange verschollen
Als sich Schneewittchen im Märchen an einem von ihrer eifersüchtigen Stiefmutter präparierten Apfel vergiftete, brachten es die sieben Zwerge zum Glück nicht übers Herz, das schöne Mädchen zu begraben. Sie ließen einen Glassarg fertigen und legten das Mädchen hinein. Mit goldenen Buchstaben schrieben sie darauf, dass Schneewittchen eine Königstochter sei. Später wurde die Scheintote - eher unabsichtlich - von einem Prinzen wieder zum Leben erweckt. So steht es im Märchen der Gebrüder Grimm. Ob auch Maria Sophia von Erthal in einem gläsernen Sarg beerdigt wurde, ist mehr als fraglich.
Immerhin bekam Schneewittchens historisches Vorbild einen eigenen Grabstein - und der ist nun wieder aufgetaucht. Spuren vom Leben der Maria Sophia von Erthal in einem Bamberger Kloster finden sich wenige. Umso besser ist ihr Tod im Jahr 1796 dokumentiert: Ihr Testament liegt im Stadtarchiv Bamberg, der Totenzettel in der Universitätsbibliothek Würzburg, und nun ist auch ihr Grabstein wieder da. Er war lange verschollen und wurde vor kurzem in einem geerbten Haus in Bamberg entdeckt. "Der Finder hat wahrscheinlich gegoogelt, dass der Grabstein dem historischen Vorbild von Schneewittchen gewidmet ist", sagt Domkapitular Norbert Jung vom Erzbistum Bamberg. Dem Finder sei klar geworden, dass der Grabstein bedeutend ist. Er hat ihn dem Diözesanmuseum der bayerischen Stadt gespendet.
Spieglein, Spieglein an der Wand...
Das Museum hat den Stein zunächst überprüft, gereinigt und restauriert. Nun ist er ausgestellt, etwas unscheinbar zwischen zwei großen Bogenfenstern. Eine dunkelgraue Marmorplatte in ovaler Form, ganz schlicht, nur ein paar winzige, weiße Sternchen sind als Verzierung eingeritzt. In dunkel unterlaufenen Großbuchstaben steht darauf geschrieben: "Die edle Heldinn des Christenthums: hier ruhet sie nach dem Siege des Glaubens reif zur verklärten Auferstehung."
Wie verklärt das Leben der Adeligen aus Lohr am Main inzwischen wird, hat bei ihrer Beerdigung wohl keiner geahnt. Auslöser war ein Spiegel aus dem Jahr 1720, der jahrelang in einem Weinhaus in Lohr am Main hing. In einem Medaillon am oberen Rahmen des mit rotem Lack, Gold- und Silberfolie verzierten Spiegels steht in verschnörkelter Schrift: "Amour Propre", was so viel wie "Selbstliebe" bedeutet. "Das erinnert natürlich an den Spiegel der selbstverliebten Stiefmutter von Schneewittchen", sagt Barbara Grimm, Leiterin des Spessartmuseums in Lohr am Main. Noch dazu sei im 18. Jahrhundert die Gravur von französischen Sprüchen besonders beliebt gewesen. Daher komme auch die Aussage vom "sprechenden Spiegel".
Gebrüder Grimm lebten in der Nähe
Lohr am Main bezeichnet sich inzwischen als "Schneewittchenstadt" und wirbt damit um Touristen. Im Spessartmuseum können Besucher einen Blick in den berühmten Spiegel werfen. Tatsächlich lebten die Gebrüder Grimm nur siebzig Kilometer entfernt - und das auch noch fast zur gleichen Zeit wie Maria Sophia von Erthal. Theoretisch könnte Maria Sophia die Märchenerzähler also wirklich inspiriert haben. "Bei uns sagt man dazu nur: ...und wer's nicht glaubt, zahlt einen Taler...", meint Barbara Grimm.
Die besten Märchen der Gebrüder Grimm
Die Gebrüder Grimm haben einen Schatz an Märchen, wundersamen Geschichten und Gestalten hinterlassen. Hier sind unsere Favoriten - bekannte und weniger bekannte Grimm-Märchen.
Bild: picture-alliance/blickwinkel/McPhoto
Hänsel und Gretel
Ein Klassiker der Märchenwelt: Kinder im Wald auszusetzen, war ein durchaus häufiges Element europäischer Volksgeschichten. Die französische Geschichte "Le petit poucet", 1697 das erste Mal niedergeschrieben, beginnt fast identisch wie das Märchen der Brüder Grimm. Auch Madame d'Aulnoy's "Finette cendron" handelt von drei Prinzessinnen, die mehrfach von ihren Eltern zurückgelassen werden.
Bild: ullstein bild - allOver
Rumpelstilzchen
Die Geschichte von der Müllerstochter, die mit Rumpelstilzchen einen Pakt eingeht, damit das Männchen für sie Stroh zu Gold spinnt, hat ein glückliches Ende. Dafür sollte sie ihr erstgeborenes Kind abgeben. Aber sie wird von dem Versprechen erlöst, weil sie den Namen des Männchens errät. Im Volksmund sind Rumpelstilzchen kleine Menschen, die durch ihre aufbrausende oder tobsüchtige Art auffallen.
Bild: Imago/United Archives
Der Rattenfänger von Hameln
Die Geschichte gehört zu den bekanntesten deutschen Sagen und wurde in über 30 Sprachen übersetzt: Im Jahre 1284 wird in der mitteldeutschen Stadt Hameln ein bunt gekleideter Mann gesehen. Er versprach für Geld, die Stadt von Mäusen und Ratten zu befreien. Doch die Bewohner prellten ihn um den Lohn, woraufhin er mit seiner Pfeife 130 Kinder aus der Stadt lockte, die nie wieder gesehen wurden.
Bild: picture-alliance/akg-images
Die Boten des Todes
Viele der Grimm-Märchen sind viel zu düster, um als Disney-Vorlage zu dienen. So auch die "Boten des Todes", in dem der Tod einem Jüngling als Dank für seine Hilfe verspricht, ihn vor seiner letzten Stunde zu warnen. Der Mann erkrankt immer öfter, doch als der Tod kommt, ist er überrascht - wo seien denn die Boten geblieben? Der Tod weist ihn zurecht: Seine Leiden seien doch die Boten gewesen.
Bild: picture-alliance/akg-images
Der König vom goldenen Berg
Nicht nur mit dieser Statue in Kassel wurde den Gebrüdern Grimm ein Denkmal gesetzt. Ihre Märchensammlung hat die ganze Welt erobert. Auch wenn sie nicht immer klassische Märchenqualitäten aufweisen. In der düsteren Geschichte des "Königs vom goldenen Berg" ist niemand vor Betrug sicher, alle Figuren zeigen einen zweifelhaften Charakter. Am Schluss lässt der König all seine Untertanen köpfen.
Bild: picture-alliance/dpa/U. Zucchi
Der Froschkönig
Eingebildetes Mädchen lässt sich von Frosch helfen, Mädchen ist undankbar, Frosch wird frech, Mädchen wehrt sich, Frosch verwandelt sich in Prinzen und sie werden ein Paar. Der Originaltitel lautet: "Der Froschkönig oder der eiserne Heinrich". Denn als das Paar eine Kutschfahrt genießt, knallt es drei mal laut: Die eisernen Fesseln um das Herz des treuen Dieners Heinrich haben sich endlich gelöst.
Bild: picture-alliance/blickwinkel/McPhoto
Schneewittchen und die sieben Zwerge
Schneewittchen-Forscher Eckhard Sander zieht Parallelen zwischen dem Märchen und der 1533 geborenen Grafentochter Margaretha von Waldeck. Diese verliebte sich in einen spanischen Prinzen und starb mit gerade einmal 21 Jahren unter mysteriösen Umständen. Ein vergifteter Apfel vielleicht? Märchen- und Grimm-Wissenschaftler in Deutschland widersprechen dieser Darstellung.
Bild: 2016 Disney Enterprises, Inc.
Die Bremer Stadtmusikanten
Die Bremer Stadtmusikanten - ein Esel, ein Hund, eine Katze und ein Hahn - sind das Wahrzeichen der Hansestadt Bremen. Die Geschichte könnte ihren Ursprung in Indien haben, bereits 91 v. Chr. Die Webseite der Stadt Bremen weist auf die reiche indische Tradition von Geschichten mit musizierenden Tieren hin, die die Märchenerzähler zu den Bremer Stadtmusikanten inspiriert haben könnte.
Bild: lassedesignen/Fotolia
Rapunzel
Der Satz "Rapunzel, lass dein Haar herab" ist genauso bekannt wie das Märchen um die Prinzessin mit den langen blonden Haaren. Es birgt auffallende Ähnlichkeiten mit einer Geschichte, die im 11. Jahrhundert n. Chr. in Persien dokumentiert wurde. Rudāba, Prinzessin von Kabul, lässt dabei ihre Haare aus dem Turm herunter, damit ihr Liebhaber Zāl zu ihr hochklettern kann.
Bild: picture-alliance/dpa/R. Hackenberg
Der Schuster und die Wichtelmänner
"Die Wichtelmänner" ist der Titel dreier Märchen der Brüder Grimm: Die magischen Wesen helfen einem armen, rechtschaffenen Schuster. Auf dieses Märchen wird auch in der modernen Popkultur Bezug genommen: Der Hauself Dobby aus der Harry-Potter-Reihe erlangt beispielsweise die Freiheit, indem er ein Paar Kleider bekommt. Eine Regel, die schon bei den Wichtelmännern der Grimms galt.