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Schnullern mit und ohne Senf

27. Juli 2009

Ein umstrittenes Accessoire der ersten Lebensjahre feiert Geburtstag: Zwei Deutsche entwickelten vor 60 Jahren den "kiefergerechten Beruhigungssauger" - oder einfach Babyschnuller.

Zwei Schnuller (Foto: ap)
Umstrittener BalsamBild: bilderbox.de

Schon im "Struwwelpeter", dem berühmten Kinderbuch von Heinrich Hoffman aus dem Jahr 1858, steht geschrieben:

"Konrad!" sprach die Frau Mama,

Ich geh’ aus und du bleibst da.

[…] Und vor allem, Konrad, hör’!

Lutsche nicht am Daumen mehr;

Denn der Schneider mit der Scher’

Kommt sonst ganz geschwind daher,

Und die Daumen schneidet er

Ab, als ob Papier es wär’.

Und so geschieht es. Kaum ist die Mutter aus der Tür, lutscht Konrad wieder mit Begeisterung. Der Schneider kommt und ab sind Konrads beide Daumen.

Beruhigungssauger und Kieferformer

Das Daumenlutschen, ein Ärgernis nicht nur für Eltern, sondern auch für Zahnärzte. Denn es kommt immer wieder zu Fehlstellungen der Zähne. 1949 entwickeln der Kieferorthopäde Wilhelm Balters und der Zahnarzt Adolf Müller den so genannten "natürlichen und kiefergerechten Beruhigungssauger und Kieferformer".

Professor Heinrich Pfaar, Logopäde aus BonnBild: Petra Nicklis

Ein Fortschritt gegenüber dem Lutschen am Daumen oder auch sonstigen Gegenständen ist der Schnuller allemal. Und dennoch, auch er hat Tücken. Davon kann der Logopäde Professor Heinrich Pfaar ein Lied singen. Den Schnuller zu geben, sei eine Ersatzhandlung für das Stillen, um das Kind ruhig zu stellen. Häufig würde er sogar noch mit Honig oder Nutella beschmiert. Das führe dann allerdings irgendwann zu Karies.

Nuckis im schrillen Design

Saugen ist ein Grundbedürfnis eines jeden Babys. Bereits im Mutterleib lutschen einige an ihren Daumen. Das beruhigt. Der Daumen ist aber lediglich der Ersatz für die Mutterbrust, die dem Säugling Nahrung, Wärme und Geborgenheit bietet. Deshalb ist der Schnuller der Mutterbrust nachgebildet. Er wird aus Latex oder Silikon hergestellt und ist in so ziemlich jedem Design zu haben. Mit pastell-farbenen Märchenfiguren, dem Logo eines Fußballvereins oder als Vampirgebiss. Er verhilft gestressten Eltern zu ruhigeren Nächten. Doch selbst wenn er nicht mit Nutella bestrichen wird, hat Professor Heinrich Pfaar so seine Bedenken. Die vorderen Schneidezähne würden sich im Laufe der Zeit nach außen bewegen, zumindest bei zu intensivem und zu langem Gebrauch.

Entwöhnungsstrategien

Mutter mit ihrem Kind auf der Bonner HofgartenwieseBild: Petra Nicklis

Nach rund zwei Jahren sollte das Kleinkind nicht mehr schnullern. Zumindest sollte mit der Dauer-Nuckelei Schluss sein. Doch das ist einfacher gesagt als getan. Denn die Entwöhnungsstrategie will gut überlegt sein. Die harte Methode ist, den Nucki mit Senf zu bestreichen. Die weiche, eine Schnullerfee zu bestellen, die den treuen Tröster über Nacht heimlich mit sich nimmt und stattdessen ein Geschenk da lässt. Nicht immer verläuft die Sache mit der Schnullerfee reibungslos.

Zurück zur Natürlichkeit?!

Wie dem auch sei: Ohne Schnuller könnte die Welt, insbesondere die Zahnstellung der Kleinen, wesentlich besser sein. Immer vorausgesetzt, der Daumen wird nicht als Ersatz in den Mund gesteckt. Heinrich Pfaar plädiert dafür, wieder mehr zu stillen. Die Devise laute: zurück zur Natürlichkeit. Dann müssten auch weniger Kinder eine Zahnspange tragen.

Die Zahnspange als der Preis für zu langes Schnullern. Das hatten der Kieferorthopäde Wilhelm Balters und der Zahnarzt Adolf Müller bestimmt nicht so geplant, als sie 1949 den "natürlichen und kiefergerechten Beruhigungssauger und Kieferformer" erfanden.

Autor: Petra Nicklis
Redaktion: Sabine Oelze