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Scholz: Keine "Taurus" für die Ukraine

Nina Werkhäuser
18. November 2024

Deutschland wird dem Beispiel der USA nicht folgen: Die Lieferung weitreichender deutscher Marschflugkörper an die Ukraine bleibt für Bundeskanzler Olaf Scholz tabu.

Taurus-Marschflugkörper (grün) an einem Kampfflugzeug der Bundeswehr
Große Reichweite, hohe Zerstörungskraft: Taurus-Marschflugkörper (grün) an einem Kampfflugzeug der BundeswehrBild: MBDA Deutschand/ABACA/picture alliance

Der Marschflugkörper Taurus ist eine der schlagkräftigsten Waffen der Bundeswehr. Er steht schon lange weit oben auf der Wunschliste des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. Jedoch: Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat eine Lieferung der Waffe bisher kategorisch abgelehnt - und damit ihren möglichen Einsatz gegen Ziele tief auf russischem Staatsgebiet.

Der Taurus-Marschflugkörper hat eine Reichweite von 500 Kilometern und kann aus sicherer Entfernung von einem Kampfflugzeug abgefeuert werden. Sein Gefechtskopf durchschlägt selbst Bunkeranlagen. Die Ukraine will damit russische Stellungen angreifen, von denen aus der russische Präsident Putin die Ukraine bombardieren lässt. Zuletzt hatte der russische Raketenbeschuss von Städten in der Ukraine wieder zugenommen.

Strategiewechsel der USA

Dass die Debatte in Deutschland wieder Fahrt aufnimmt, hat auch mit der Ukraine-Politik des scheidenden US-Präsidenten Joe Biden zu tun: Wenige Wochen vor dem Ende seiner Amtszeit soll er der Ukraine nun erlaubt haben, weitreichende Raketen aus US-Produktion gegen Ziele in Russland einzusetzen. Zum Umdenken bewogen haben soll Biden der Kriegseintritt Tausender nordkoreanischer Soldaten an der Seite Russlands.

Angesichts der prekären militärischen Lage der Ukraine werden nun auch die Stimmen wieder laut, die die Lieferung deutscher Taurus-Marschflugköper an die Ukraine fordern. Diese fliegen allerdings bedeutend weiter als die amerikanischen ATACMS-Raketen, die die Ukraine in den nächsten Tagen erstmals für Angriffe auf Ziele in Russland nutzen könnte.

Abstimmung im Bundestag? 

Ein erneuter Vorstoß für eine Lieferung kommt von der FDP, die aus der Bundesregierung ausgetreten ist. Die Partei will dafür den Bundestag bemühen: Sie erwägt, noch vor der vorgezogenen Bundestagswahl am 23. Februar einen entsprechenden Antrag im Parlament zur Abstimmung zu stellen.

Eine der vehementesten deutschen Befürworterinnen der Taurus-Lieferung ist die FDP-Europaabgeordnete Marie-Agnes Strack-Zimmermann. Mit Bezug auf Bidens Entscheidung schreibt sie auf der Plattform X: "Diese späte Erkenntnis zum Ende seiner Amtszeit erhoffe ich mir im Sinne der Sicherheit Europas auch von Bundeskanzler Olaf Scholz. Wenn sein Wort gilt, dass er gemeinsam mit seinen Verbündeten vorgeht, dann muss er jetzt endlich handeln."

Zerstörungen nach einem russischen Raketenangriff in DniproBild: State Emergency Service of Ukraine in Dnipropetrovsk region/Handout/REUTERS

Die konservativen Parteien CDU und CSU, die die größte Oppositionsfraktion im Bundestag stellen, befürworten ebenfalls die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine. Auch bei den Grünen, dem einzigen noch verbliebenen Koalitionspartner der SPD, gibt es Zustimmung: Robert Habeck, Wirtschaftsminister und Kanzlerkandidat seiner Partei, erklärte, er würde als Regierungschef Taurus-Marschflugkörper an die Ukraine liefern.

Eine Ausnahme für die Region Charkiw

Seine Parteifreundin, Bundesaußenministerin Annalena Baerbock, reagierte positiv auf die Berichte, dass US-Präsident Biden der Ukraine den Einsatz weitreichender Raketen gegen bestimmte Ziele in Russland erlaubt. Auf diese Weise könne die Ukraine militärische Abschussbasen zerstören, von denen aus sie angegriffen werde. Manche Orte in der Ukraine seien so dicht an der Grenze zu Russland, dass die Luftverteidigung nicht helfe, erklärte die Außenministerin.

Bisher erlaubt die Bundesregierung der Ukraine den Einsatz deutscher Waffen nur in den russischen Gebieten, die an die ukrainische Großstadt Charkiw grenzen. Sie wird von russischer Seite aus immer wieder schwer unter Beschuss genommen.  

Bundeskanzler Scholz bekräftigt sein Nein

Auch wenn es viele Stimmen pro Taurus-Lieferung gibt: Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bleibt bei seinem kategorischen Nein zur Lieferung des Waffensystems. Seiner Ansicht nach läuft Deutschland Gefahr, durch den Einsatz von Taurus-Marschflugkörpern in den Krieg zwischen Russland und der Ukraine hineingezogen zu werden. "Wir dürfen an keiner Stelle und an keinem Ort mit den Zielen, die dieses System erreicht, verknüpft sein", hatte er seine Position einmal begründet.

Bundeskanzler Olaf Scholz im BundestagBild: Michael Kappeler/dpa/picture alliance

Der Bundeskanzler sehe aktuell keinen Anlass dafür, diese Haltung zu überdenken, betonte sein Sprecher nun und bekräftigte damit, was Scholz in seiner Regierungserklärung  ausgeführt kürzlich ausgeführt hatte: Bei aller Solidarität mit der Ukraine werde er weder weitreichende Marschflugkörper liefern noch seine Zustimmung dazu geben, von Deutschland bereits gelieferte Waffen gegen Ziele im russischen Hinterland einzusetzen.

In der SPD-Fraktion bekommt Scholz, der inzwischen nur noch einer Minderheitsregierung aus Sozialdemokraten und Grünen vorsteht, weiter Rückendeckung für seinen Kurs. Die Lieferung von Taurus komme nicht infrage, erklärte die SPD-Vorsitzende Saskia Esken. "Da bleiben wir auch dabei."

Über Rüstungsexporte entscheidet der Bundessicherheitsrat

Sollte der Bundestag erneut über die Taurus-Lieferungen abstimmen, wäre es nicht das erste Mal: Zuletzt brachte die Unionsfraktion im März einen entsprechenden Antrag in den Bundestag ein. Damals stimmten die Fraktionen von SPD, Grünen und FDP geschlossen dagegen - mit Ausnahme der FDP-Politiker Marie-Agnes Strack-Zimmermann und Wolfgang Kubicki. Der Antrag scheiterte.

Sollte die FDP einen weiteren Antrag einbringen und sollte dieser angenommen werden, hätte er dennoch keine bindende Wirkung. Über Waffenlieferungen entscheidet nicht das Parlament, sondern der sogenannte Bundessicherheitsrat, ein geheim tagender Kabinettsauschuss unter der Leitung des Bundeskanzlers. 

Nina Werkhäuser Reporterin