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Scholz oder Pistorius: Wer wird Kanzlerkandidat der SPD?

19. November 2024

Verteidigungsminister Boris Pistorius ist bei den Deutschen beliebter als Kanzler Olaf Scholz. Immer mehr SPD-Politiker fordern: Pistorius solle als Spitzenkandidat antreten. Die Entscheidung könnte bald fallen.

Die SPD-Politiker Olaf Scholz und Boris Pistorius lächeln - nebeneinander stehend - in die Kamera
Boris Pistorius oder Olaf Scholz - für wen entscheidet sich die SPD? Bild: Christian Charisius/dpa/picture alliance

Olaf Scholz oder Boris Pistorius? Wer ist der beste Kandidat für die SPD, wenn am 23. Februar ein neuer Bundestag gewählt wird? Eigentlich ist diese Frage entschieden: Scholz ist immer noch Bundeskanzler. Und solange er nicht selbst verzichtet, scheint schwer vorstellbar, dass seine Partei, die Sozialdemokraten, ihn vom Thron stürzen und Pistorius aufstellen. Scholz selbst hat erklärt, er wolle noch einmal antreten. Aber der Druck auf den eher unbeliebten Kanzler wächst. Hat nicht auch US-Präsident Joe Biden  im Sommer den Weg frei gemacht für die Kandidatur seiner Vize-Präsidentin Kamala Harris? 

Bundestagsabgeordnete rücken von Kanzler Olaf Scholz ab 

Am heftigsten hat sich bislang der Oberbürgermeister des thüringischen Gotha, Knut Kreuch, geäußert. Der Sozialdemokrat sagte im ARD-Fernsehen, mit Scholz drohe eine furchtbare Niederlage bei der Neuwahl: "Und das kann die SPD sich einfach nicht leisten. Das kann sie dem deutschen Volk nicht antun." Und weiter: Nach einem Bericht des Magazins "Spiegel" haben sich die beiden Vorsitzenden der mächtigen SPD-Gruppe aus Nordrhein-Westfalen im Bundestag, Dirk Wiese und Wiebke Esdar, in einem schriftlichen Statement offen für Pistorius ausgesprochen. Sie begründeten das so: "Das aktuelle Ansehen von Bundeskanzler Olaf Scholz ist stark mit der Ampel-Koalition verknüpft." Und die Ampel, die Koalition aus Sozialdemokraten, Grünen und FDP,  benannt nach den drei Parteifarben, war vor zwei Wochen zerbrochen: Die FDP schied aus der Regierung aus. Seitdem regiert Scholz mit einer Minderheitsregierung.

Während Bundeskanzler Scholz in Rio de Janeiro am G20-Gipfel teilnimmt, debattiert die SPD über die Kanzlerkandidatenfrage Bild: Kay Nietfeld/dpa/picture alliance

Boris Pistorius hält sich alles offen

In den Umfragen liegen die Sozialdemokarten zur Zeit zwischen 14 und 16 Prozent der Stimmen, die konservative Opposition von CDU und CSU liegt zwischen 32 und 34 Prozent. Viele Sozialdemokraten im Bundestag fürchten um ihre Mandate, wenn bis zur Wahl im Februar nicht noch ein Wunder geschieht. Könnte Pistorius dieses Wunder herbeiführen? Und stünde er überhaupt bereit, wenn die SPD sich für ihn und gegen Scholz entscheidet? Am Montag Abend dieser Woche sagte Pistorius auf einer Veranstaltung in Bayern: "In der Politik sollte man nie irgendetwas ausschließen. Das einzige, was ich definitiv ausschließen kann, ist, dass ich noch Papst werde." Klingt so, als halte sich der Verteidigungsminister alles offen. Zuvor hatte er allerdings die Arbeit von Scholz gelobt.

Treffen in kleiner Runde in Berlin

Klar scheint: Einen offenen Kampf um die Kanzler-Bewerbung wird es nicht geben: Pistorius gilt überdies als sehr loyal und würde sich an einem Sturz von Scholz sicher nicht beteiligen. Entscheiden müsste einen Wechsel zu Pistorius die Führung der SPD - und das möglichst bald. Bis zur Wahl sind es nicht einmal mehr 100 Tage.  Am Mittwochabend, berichten Medien in Berlin, wollen sich führende Sozialdemokraten in Berlin treffen, um über die heikle Angelegenheit zu beraten. 

Gemische Stimmung an der Basis

Am Freitag der vergangenen Woche steht SPD-Mitglied Mirjam Golm, Abgeordnete im Berliner Stadtparlament, an ihrem Wahlkampf-Stand. Im bürgerlichen Berlin-Lankwitz wirbt sie für ihre Partei und dafür, dass Olaf Scholz Kanzlerkandidat werden sollte. "Das ist eine kurze Zeit bis zur Wahl. Und das ist eine viel zu große Debatte. Wir stehen als Partei zur Wahl. Und wir wollen als Partei gewählt werden. Ich persönlich finde auch, dass Herr Scholz eine gute Arbeit gemacht hat." Eine Bürgerin, die am Stand stehen geblieben ist, pflichtet ihr bei: "Scholz ist derjenige, der bis jetzt vor allem in Sachen Friedenspolitik standhaft geblieben ist. Das hat er jetzt ja auch in der Debatte im Bundestag bestätigt. Ich hoffe nicht, dass bald Waffen auf russischem Territorium landen." Aber eine andere Frau sagt über den Kanzler: "Er strahlt nichts aus. Und ich finde, er ist sehr wankelmütig. Ja, und Boris Pistorius ist für mich ein Mensch, der für etwas steht. Der hat für die Bundeswehr eine ganze Menge getan. Und ich denke, dass wir in einer Zeit leben, in der wir diese Bundeswehr brauchen."

Ausschlaggebendes Argument für die Befürworter von Pistorius sind seine hohen Beliebtheitswerte. Aber ob die allein ein besseres Ergebnis garantieren? Der SPD-Bundestagsabgeordnete Ralf Stegner glaubt das nicht. Er sagt der DW: "Ich finde Beliebtheit ist ein wichtiges Kriterium; aber nicht das ausschlaggebende. Wir haben einen Bundeskanzler. Der ist unser Kandidat. Wenn es nach uns geht und wenn wir kämpfen, dann wird er der nächste Kanzler sein."

Am 16. Dezember will Olaf Scholz im Bundestag die Vertrauensfrage stellen. Das ist nötig, damit es überhaupt zu Neuwahlen kommt.  Verliert Scholz die Vertrauensfrage, und das scheint sehr wahrscheinlich, kann er den Bundespräsidenten bitten, Neuwahlen für Mitte Februar anzusetzen. Voraussichtlich wird der Bundespräsident zustimmen. Vor dem 16. Dezember sollte sich die SPD deshalb, meinen viele Beobachter, für einen von beiden entscheiden: für Scholz oder Pistorius.

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