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Scholz setzt auf das transatlantische Verhältnis und Harris

24. Juli 2024

Kanzler Scholz setzt auf das transatlantische Verhältnis und räumt der wahrscheinlichen Präsidentschaftskandidatin Harris gute Siegchancen bei den US-Wahlen ein. In der Sommerpressekonferenz kaum ein Wort zu Trump.

Bundeskanzler Scholz steht vor der Sommer-Pressekonferenz hinter seinem Stuhl und lächelt in die Kamera
Beste Laune: Kanzler Olaf Scholz vor seiner Sommerpressekonferenz in BerlinBild: Britta Pedersen/dpa/picture alliance

Gleich die erste Frage an Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD)  während seiner Sommer-Pressekonferenz in Berlin hat das Thema USA zum Inhalt. Aber sicher nicht ganz so, wie Scholz sich das gewünscht hat. Ob er sich nicht, so lautet die Frage, angesichts der miesen Umfragewerte für seine Regierung ein Beispiel an US-Präsident Joe Biden nehmen und auf eine erneute Kandidatur als Kanzler im Herbst 2025 verzichten wolle? Scholz ringt sich ein müdes Lächeln ab und sagt knapp: "Danke für die nette und überaus freundliche Frage. Nein, die SPD ist eine sehr geschlossen Partei. Und ich werde erneut antreten, um wieder Kanzler zu werden."

Scholz bricht mit einem ungeschriebenen Gesetz

Aber über die Sicht des Kanzlers auf die turbulenten letzten Tage in den USA gibt es dann noch eine ganze Reihe von weiteren Fragen. Und schon bei der nächsten bricht Scholz mit einem ungeschriebenen Gesetz. Nämlich dem, dass man sich als deutscher Regierungschef nicht offen zu bevorstehenden Wahlen im befreundeten Ausland äußert. Scholz sagt klipp und klar: "Ich halte es für sehr gut möglich, dass Kamala Harris gewinnt. Aber das entscheiden die amerikanischen Wählerinnen und Wähler."

Was Biden dachte, dachte auch Scholz - der US-Präsident im Gespräch mit dem Bundeskanzler beim G7-Treffen im Jahr 2022Bild: Elijah Nouvelage/UPI Photo via Newscom/dpa/picture alliance

Scholz und Biden: Eine innige Beziehung

Es ist ein offenes Geheimnis, dass nicht nur in Berlin, sondern auch in vielen anderen europäischen Hauptstädten nichts so sehr gefürchtet wird, wie ein Sieg des republikanischen Kandidaten; dem Ex-Präsidenten Donald Trump  bei den Wahlen am 5. November. Aber vielleicht kommt es ja auch nicht dazu. Jetzt, wo die demokratische Vize-Präsidentin Kamala Harris mit hoher Wahrscheinlichkeit gegen Trump antreten wird. Und nicht mehr US-Präsident Joe Biden, mit dem Scholz stets eine innige Beziehung verband. Ob in der Positionierung etwa bei Waffenlieferungen an die Ukraine,  bei der Bewertung des Krieges im Nahen Osten. Stets war der Eindruck da:  Was Biden denkt, denkt auch Scholz. Noch bis zum Schluss verteidigte der Kanzler den US-Präsidenten, dessen Ansehen nach vielen verstörenden und verwirrt wirkenden Auftritten gesunken war. So sagte Scholz noch vor wenigen Wochen: "Man darf, weil jemand etwas langsamer geht, nicht gleich davon ausgehen, dass er deshalb nicht in der Lage ist, ein so großes Amt auszuüben und dieses Land zu führen. Joe Biden kann das."

Scholz kennt Harris von mehreren Treffen

Jetzt also Kamala Harris. Scholz berichtet, dass er sie recht gut kenne, von mehreren Treffen im Weißen Haus in Washington, von der Münchner Sicherheitskonferenz im Frühjahr, zuletzt vom Nato-Gipfel in den USA. Scholz weiter: "Das ist eine kompetente und erfahrene Politikerin, die genau weiß was sie tut. Und die sehr klare Vorstellungen hat von der Zukunft ihres Landes. Für mich ist immer wichtig, einen Eindruck zu bekommen, ob jemand nur was sagt, was vorbereitet ist. Oder ob man in einen gewissen Austausch miteinander kommt. Und diesen Eindruck hatte ich."

"Eine kompetente Politikerin" - Olaf Scholz und Kamala Harris in München im Februar diesen Jahres Bild: SVEN HOPPE/AFP/Getty Images

Zu Trump kaum ein Wort

Und was ist mit Donald Trump? Hat Scholz sich nach dem Attentat am 11. Juli, bei dem Trump am Ohr verletzt wurde, bei ihm gemeldet? Lange spricht Scholz davon, dass es als Kanzler seine Aufgabe sei, mit der jeweils gewählten US-Regierung engen Kontakt zu halten. Das werde er auch in Zukunft tun. Eine Antwort auf die Frage, ob Scholz Trump gute Genesung gewünscht hat, ist das nicht. Mit anderen Worten: Scholz hat sich nicht bei Trump gemeldet. Und auch über andere Kontakte zur Umgebung Trumps berichtet Scholz jetzt nicht. Anders als der deutsche Arbeitsminister Hubertus Heil (ebenfalls SPD), der gerade jetzt in den USA den republikanischen Gouverneur von Texas, Greg Abbott, traf und Deutschland dazu riet, ohne Scheu Kontakte zur Umgebung Trumps zu suchen. Heil sagte dort: "Natürlich sind meine Sympathien auf Seiten der Demokraten. Aber Deutschland muss auch Beziehungen zu schwierigen Partnern halten." Also auch zu Trump. 

Unmittelbar nach den Schüssen am 13.Juli: Donald Trump gibt sich kämpferischBild: Evan Vucci/AP Photo/picture alliance

Und die geplante Stationierung von US-Raketen in Deutschland?

Dann spielt Scholz noch ein anderes wichtiges Thema herunter, das mit dem Verhältnis zu den USA zu tun hat:  Beim Nato-Gipfel in Washington hatten Scholz und Biden vereinbart, dass ab 2026 wieder weitreichende US-Raketen in Deutschland stationiert werden, die auch Russland erreichen können.Der mächtige Fraktionschef der Sozialdemokraten im Bundestag, Rolf Mützenich, hat zuletzt offen davor gewarnt und gesagt: "Die Gefahr einer unbeabsichtigten militärischen Eskalation ist beträchtlich." Scholz lässt sich viel Zeit für seine Bewertung, führt aus, dass Russland durch seine Aggression in der Ukraine jahrzehntelange Bemühungen um Rüstungskontrolle aufgekündigt habe. Die Stationierung der neuen amerikanischen Waffen sei darauf die richtige Antwort: "Sie dient dazu, dass Abschreckung wirkt. Und sie dient dazu, dass wir, die NATO-Staaten, nicht angegriffen werden."

Ein ewiger Streitpunkt: Deutschlands Verteidigungsausgaben

Von sich aus räumt Scholz ein weiteres Thema ab, dass Deutschlands Verhältnis zu den USA künftig auf jeden Fall bestimmen wird, egal, wer demnächst in Washington regiert: Der Forderung, dass sich Europa - und speziell Deutschland - um seine Sicherheit stärker selbst kümmern soll. Scholz rechnet vor: Noch 2017 habe das Land 37 Milliarden Euro für die Verteidigung ausgegeben, jetzt seien es (aus Mitteln des Haushalts und des neuen Sondervermögens für die Bundeswehr) 76 Milliarden Euro im Jahr. Der Bundeskanzler: "Deutschland ist das führende Land, wenn es um Sicherheit und Verteidigung in Europa geht. Wir wenden jetzt regelmäßig und dauerhaft zwei Prozent unserer Wirtschaftsleistung für die Verteidigung auf."  Eine Zahl, die die NATO sich selbst 2006 zum Ziel gesetzt hatte, und die die USA schon lange vor allem von Deutschland einfordern.

Scholz will also zur Wahl noch eimmal antreten. Auch wenn derzeit die Wahrscheinlichkeit nicht hoch ist, dass er gewinnen kann. Und mit Blick auf die USA setzt er auch alles auf eine Karte: Kamala Harris soll gewinnen, zu Trump lieber kein Wort. Und auch keine guten Wünsche. 

 

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