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Politik

Scholz sieht in Truppenrückzug ein "gutes Zeichen"

15. Februar 2022

Bundeskanzler Scholz hat in Moskau mit Präsident Putin über die Situation an der ukrainischen Grenze gesprochen. Dabei begrüßte er die Ankündigung Moskaus, Teile der Truppen aus dem Grenzgebiet abzuziehen.

Russland | PK Putin und Scholz in Moskau
Kanzler Olaf Scholz (l.) und Wladimir Putin nach ihrem Gespräch in MoskauBild: Sergey Guneev/SNA/imago images

Bundeskanzler Olaf Scholz begrüßt, dass Russland einzelne Truppen von der Grenze zur Ukraine abzieht. "Das ist ein gutes Zeichen, und wir hoffen, dass noch weitere folgen", sagte Scholz nach seinem Gespräch mit Russlands Präsident Wladimir Putin in Moskau. Eine Deeskalation der Lage sei "dringend geboten". Die diplomatischen Möglichkeiten seien in der Ukraine-Krise "bei weitem nicht ausgeschöpft", stellte der SPD-Politiker fest. 

Allen Europäern und der NATO sei klar, dass nachhaltige Sicherheit nicht gegen Russland, sondern nur mit Russland erreicht werden könne. "Von allen ist jetzt mutiges und verantwortungsbewusstes Handeln gefragt", betonte Scholz. "Es ist unsere verdammte Pflicht und Aufgabe, als Staats- und Regierungschefs zu verhindern, dass es in Europa zu einer kriegerischen Eskalation kommt." 

Putin beteuert, keinen Krieg zu wollen

Putin betonte: "Wir wollen keinen Krieg in Europa." Das sei der Grund dafür, warum sein Land Sicherheitsgarantien des Westens fordere. Bislang gebe es aber noch keine zufriedenstellende Antwort auf die Forderungen seines Landes. Er sei weiter bereit zu Verhandlungen mit dem Westen. Allerdings müsse dies als Gesamtgefüge getan werden und nicht einzelne Fragen dabei ausgeklammert werden, so Putin bei der gemeinsamen Pressekonferenz mit Scholz.

Journalisten verfolgen über TV-Monitore die ersten Minuten des Treffens von Putin und Scholz Bild: Kay Nietfeld/dpa/picture-alliance

Putin forderte, dass die NATO jetzt und nicht erst in der Zukunft ausschließen müsse, dass die Ukraine Mitglied des westlichen Verteidigungsbündnisses werden solle. Der Kanzler bezeichnete es dagegen mit Blick auf die Debatte über eine NATO-Beitritt als falsch, dass nun ein Krieg wegen einer Frage ausbrechen könnte, die gar nicht auf der Tagesordnung stehe.

Die beiden Politiker hatten in Moskau mehrere Stunden über den Ukraine-Konflikt beraten. Der Westen fürchtet angesichts des massiven russischen Truppenaufmarschs an der Grenze einen russischen Angriff auf die Ukraine. Moskau bestreitet Angriffsabsichten und verlangt von der NATO Sicherheitsgarantien.

Sendeverbot der DW: Putin gesprächsbereit

Mit Blick auf das Sendeverbot der Deutschen Welle in Russland zeigte sich Putin gesprächsbereit. Er habe mit Scholz vereinbart, "dass wir uns Gedanken machen, wie das Problem gelöst werden kann", sagte Putin. Er wolle keine Details nennen, um die Situation nicht zu verkomplizieren. Das Büro der Deutschen Welle in Moskau war vor zwei Wochen geschlossen worden, Mitarbeiter mussten ihre Akkreditierungen abgeben. Der Schritt ist eine Reaktion auf ein Sendeverbot der deutschen Medienregulierer für das Mitte Dezember gestartete deutschsprachige TV-Programm RT DE des russischen Staatsmediums RT. Bei der Reise von Scholz nach Moskau waren indes eine Korrespondentin und ein Kameramann der Deutschen Welle dabei. 

Vor dem mit Spannung erwarteten Treffen , das im russischen Fernsehen übertragen wurde, hatte Scholz die Wichtigkeit des Dialogs betont. Er sei vor diesem Hintergrund froh, dass er sich mit dem russischen Staatschef austauschen könne, sagte er. "Das Wichtigste ist ja, dass wir die Beziehungen zwischen den Staaten durch gute Gespräche miteinander lösen."

Scholz wies auch auf die Bedeutung guter Wirtschaftsbeziehungen zu Russland hin. Vor dem Hintergrund der deutsch-russischen Geschichte sei es "gut, dass wir sehr ordentliche wirtschaftliche Beziehungen haben", betonte er. Der Kanzler hatte es zuvor abgelehnt, sich von russischer Seite auf Corona testen zu lassen. Stattdessen ließ er den Test nach seiner Landung von einer Ärztin der deutschen Botschaft an Bord seiner Regierungsmaschine abnehmen. Deswegen stieg er auch erst nach 40 Minuten aus.

Moskau verkündet Teilabzug aus Grenzgebiet 

Kurz vor Scholz' Eintreffen in Moskau hatte der Kreml einen teilweisen Abzug der russischen Truppen von der ukrainischen Grenze angekündigt. Einheiten aus den Militärbezirken im Süden und Westen Russlands hätten ihre "Aufgaben erfüllt" und würden sich auf den Weg zurück in ihre Militärbasen machen, sagte der Sprecher des Verteidigungsministeriums, Igor Konaschenkow. Zudem sei mit dem Verladen von Militärtechnik begonnen worden. Konkrete Zahlen wurden allerdings nicht genannt.

Bundeskanzler Scholz bei der Kranzniederlegung am Grabmal des unbekannten SoldatenBild: Maxim Shemetov/AFP/Getty Images

Russlands Verteidigungsminister Sergej Schoigu hatte Putin bereits am Montag mitgeteilt, dass einige der umstrittenen Militärmanöver der russischen Armee im eigenen Land sowie in Belarus ihrem Ende zugingen. Laut Ministeriums-Sprecher Konaschenkow werde Russland aber einen "Komplex von großangelegten Maßnahmen zur operativen Ausbildung von Truppen und Streitkräften" fortsetzen.

Russisches Marinemanöver nahe der Krim

Der massive russische Truppenaufmarsch an der Grenze zur Ukraine schürt seit Wochen die Furcht vor einem russischen Einmarsch in das Nachbarland. Nach US-Angaben wurden in dem Grenzgebiet "deutlich" über 100.000 russische Soldaten mobilisiert. Für zusätzliche Besorgnis sorgte auch ein russisches Marinemanöver nahe der Krim-Halbinsel im Schwarzen Meer. Bei der Übung wurde nach Angaben Moskaus aus schweren Geschützen gefeuert, um die Zerstörung eines feindlichen U-Bootes zu trainieren.

Angriffspläne gegenüber der Ukraine wurden jedoch stets zurückgewiesen und die Truppenmobilisierung im Westen des Landes mit Militärübungen begründet. Zugleich gab der Kreml in den vergangenen Wochen wiederholt an, sich von der NATO bedroht zu fühlen.

Dieses vom Verteidigungsministerium verbreitete Foto soll den Teilabzug der russischen Truppen belegenBild: Russian Defense Ministry Press Service/AP/picture alliance

Stoltenberg: "Anlass zu vorsichtigem Optimismus"

Die NATO begrüßte die jüngsten Signale Russlands im Ukraine-Konflikt, besteht aber auf einem massiven Abzug der Truppen im Grenzgebiet. "Es gibt Anzeichen aus Moskau, dass die Diplomatie fortgesetzt werden soll", sagte Generalsekretär Jens Stoltenberg in Brüssel. "Das gibt uns Anlass zu einem vorsichtigen Optimismus." Die jüngsten Truppenbewegungen Russlands seien allerdings keine De-Facto-Deeskalation, wenn dabei Kriegsgerät zurückgelassen werde. In einem solchen Fall könnten die Truppen sehr schnell wieder zurückkehren und einsatzfähig sein.

Am Mittwoch und Donnerstag kommen in Brüssel die Verteidigungsminister der 30 NATO-Staaten zu Beratungen über die Krise zusammen. Stoltenberg warnte erneut vor der Brisanz der aktuellen Lage. "Russland hat in und um die Ukraine Kampftruppen angesammelt wie noch nie seit dem Kalten Krieg", sagte der Norweger. "Alles ist bereit für einen neuen Angriff." Aber die Regierung in Moskau habe noch immer ausreichend Zeit, einen Krieg abzuwenden und eine friedliche Lösung herbeizuführen. Die gegenwärtige Lage sei allerdings "die ernsthafteste Sicherheitskrise, die wir seit Jahrzehnten in Europa gesehen haben".

Nach Einschätzung der Ukraine ist eine russische Invasion durch den teilweisen Truppenabzug zumindest vorerst abgewandt. "Es ist uns und unseren Verbündeten gelungen, Russland von einer weiteren Eskalation abzuhalten", sagte Außenminister Dmytro Kuleba in Kiew. "Es ist bereits Mitte Februar, und Sie sehen, dass die Diplomatie weiter funktioniert."

Silberhorn: Keine russische Kehrtwende zu erwarten

Im Vorfeld der Scholz-Reise nach Russland erklärte der CSU-Bundestagsabgeordnete Thomas Silberhorn, der Besuch des Bundeskanzlers in Moskau sei ein "Last-Minute-Versuch", einen Krieg zu vermeiden. Es liege nun aber am russischen Präsidenten, "jetzt Signale zur Deeskalation zu senden", sagte der Außenpolitiker der Deutschen Welle. Die Lage an der ukrainischen Grenze nach dem Truppenaufmarsch Russlands sei "höchst alarmierend".

Silberhorn fügte hinzu, er sehe nach dem Treffen von Bundeskanzler Olaf Scholz mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj am Montag in Kiew "Verhandlungsspielraum" für Scholz, warnte aber auch davor, dass die russische Außenpolitik gegenüber den Nachbarländern "auf absehbare Zeit" gleich bleiben werde. In Bezug auf Sanktionen warnte Silberhorn, dass diese "weit über wirtschaftliche Maßnahmen" hinausgehen würden, da "die gesamten Beziehungen zwischen Russland und den westlichen Ländern" auf dem Spiel stünden.

uh/djo/kle (afp, dpa, rtr, DW)

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