1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
PolitikAfrika

Scholz umwirbt Verbündete im Sahel

Michaela Küfner | Martina Schwikowski
24. Mai 2022

In Westafrika spricht Bundeskanzler Scholz über Gasexporte nach Europa und verspricht eine langfristige Zusammenarbeit zur Stabilisierung der Sahelzone.

Niamey, Niger | Kanzler Scholz besucht den Niger
Verbündete in Afrika: Präsident Mohamed Bazoum empfängt Bundeskanzler Olaf Scholz in NiameyBild: Michael Kappeler/dpa/picture alliance

Olaf Scholz im DW-Exklusiv-Interview

13:01

This browser does not support the video element.

Es ist heiß in Tillia. Roter Sand, soweit das Auge reicht. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat sich auf diesen Besuch im Militärcamp der deutschen Bundeswehrtruppen im Wüstenstaat Niger gut vorbereitet. Auf seiner ersten Afrikareise seit Amtsantritt sucht Scholz Verbündete für Zukunftsprojekte. Er kommt mit dem Angebot der Unterstützung für demokratisch verfasste Länder - nach Senegal, in den Niger und nach Südafrika.

Scholz betont im DW-Interview: "Afrika ist Europas Nachbarkontinent und deshalb ist es von wesentlicher Bedeutung, dass wir uns intensiv um sehr gute Beziehungen zu allen Staaten in Afrika bemühen. Es ist auch wichtig, dass wir unsere Beziehungen zu allen demokratischen Staaten auf der Welt ausbauen. Demokratie, Rechtsstaatlichkeit - das sind Fragen, die für uns wichtig sind, und nicht nur etwas, das mit den sogenannten westlichen Ländern verbunden ist."

Truppen bleiben in Niger

Der Besuch in Westafrika zeigt deutlich, wie sehr beide Seiten aufeinander bauen. Senegal und Niger wollen weitere Unterstützung von Deutschland in Sicherheitsfragen und bei der Entwicklung. Berlin setzt seinerseits auf eine enge Kooperation, um die geostrategisch wichtige Sahelregion zu stabilisieren - auch angesichts der Putsche der letzten Jahre, die die Beziehungen zu bisherigen Partnerländern wie Mali erschweren. Deutschland werde "niemals eine Situation akzeptieren, in der mit Unterstützung russischer Soldaten in Mali gegen die Bevölkerung gekämpft wird", sagt Scholz der DW.

In Tillia, etwa 80 Kilometer von der malischen Grenze entfernt, kündigt der Bundeskanzler ohne Umschweife eine Verlängerung des deutschen Engagements über die jetzigen Mandate hinaus an. Seit 2018 läuft hier die deutsche Ausbildungsmission für die Spezialeinheit Gazelle. "Es geht für uns darum, dass wir ein gutes Anschlussprojekt identifizieren, aber natürlich zusammen mit den Partnern vor Ort", sagt Scholz der Presse.

Bundeskanzler Scholz in der Militärbasis Tillia in Niger mit den Spezialkräften der Ausbildungseinheit GazelleBild: Michael Kappeler/dpa/picture alliance

Er ist darauf bedacht, keine falschen Erwartungen zu wecken und doch Verbindlichkeit zu vermitteln: "Für mich ist es wichtig, dass wir unsere Verantwortung als guter Partner hier in Afrika zeigen, und das ist natürlich bei diesem Land umso wichtiger, weil es sich um ein demokratisches Land handelt."

Multipolare Welt schaffen

Niger mit seinen knapp 25 Millionen Einwohnern gilt als bedeutender Partner Deutschlands im Kampf gegen den islamistischen Terror in der Sahelzone. Die Regierung von Präsident Mohamed Bazoum fährt einen prowestlichen Kurs. Bazoum betonte, seine Armee schätze sehr die qualitativ hochwertige Ausbildung von Spezialkräften durch die Bundesrepublik. Scholz verspricht am Montag in Nigers Hauptstadt Niamey auch Hilfe im Bildungsbereich, im Gesundheitswesen und in der Landwirtschaft.

LNG-Tanker vor der Küste Senegals - das Land könnte ein alternativer Gaslieferant für Europa seinBild: Bernd von Jutrczenka/dpa/picture alliance

Der Kanzler betont, langfristig in der Region engagiert bleiben zu wollen. Er wolle eine multipolare Welt schaffen, in der nicht nur zwei oder drei Länder den Ton angeben. Dabei ist eines klar: Bundeskanzler Scholz kann sich nicht länger - wie seine Vorgängerin Angela Merkel - im politischen und militärischen Windschatten Frankreichs bewegen. Denn die frühere Kolonialmacht Frankreich hat sich aus Mali zurückgezogen. Deutschland wird künftig keine Kräfte mehr als Teil der EU-Ausbildungsmission EUTM in Mali ausbilden, bleibt aber in der UN-Mission MINUSMA präsent.

Wenn Macky Sall vor Freude tanzt

Angesichts des Ukraine-Konflikts bekommt auch die Zusammenarbeit im Energiesektor eine größere Dringlichkeit. So sprach Scholz bei seinem ersten Westafrika-Stopp mit Senegals Präsident Macky Sall nicht nur über den deutschen Beitrag zum Ausbau von Solarenergie, sondern auch über die mögliche Erschließung neuer Gasfelder - auch für den Export nach Europa.

Ein Thema, das in seinem Kabinett Unterstützung findet. Staatssekretär Michael Kellner (Die Grünen) formuliert es für sein Klimaministerium so: "Wir wollen nie wieder so abhängig von einem Land sein, wie wir es waren und teilweise auch noch sind von Russland. Also macht es Sinn, zu schauen, wo man diversifizieren kann."

Und Senegal ist bereit, Flüssiggas nach Deutschland und Europa zu liefern: Er "könnte vor Freude tanzen", sagt Präsident Macky Sall dazu auf der gemeinsamen Pressekonferenz. Senegals Präsident, der auch den Vorsitz der Afrikanischen Union hat, wird bald nach Moskau reisen. Dort will er - trotz der eigenen Enthaltung bei der Verurteilung Russlands im UN-Sicherheitsrat - das Missfallen über den Krieg in der Ukraine übermitteln.

G20-Sitz für Afrika!

Gleichzeitig beobachtet Afrika die steigenden Getreidepreise mit Sorge: Neben akutem Hunger könnten sie auch weitere Umstürze nach sich ziehen. Scholz zeigt großes Bewusstsein für dieses Dilemma: Ein reiches Deutschland könne oft einen Ausweg finden, wo andere Länder keine weiteren Optionen hätten, sagt er - und spricht im DW-Interview von einer Kooperation mit dem Welternährungsprogramm gegen den Hunger in Ländern wie Sudan, Somalia und Niger. Zum überhöhten Benzinpreis sagte er: "Wir führen derzeit Gespräche mit all diesen Ländern, die Öl und Gas fördern, und versuchen, sie davon zu überzeugen, ihre Kapazitäten zu erhöhen, was dem Weltmarkt zugute käme."

Senegals Präsident Macky Sall fordert einen Sitz für Afrika bei der G20-LändergruppeBild: Michael Kappeler/dpa/picture alliance

Im Senegal nutzte Präsident Sall die Gelegenheit des Scholz-Besuches, auf eine G20-Mitgliedschaft der Afrikanischen Union zu drängen. "Wenn man die afrikanische Wirtschaft als Ganzes betrachtet, liegt das Bruttoinlandsprodukt bei 2,6 Billionen Dollar pro Jahr. Das ist nicht wenig. Insofern sollte Afrika  einen eigenen Sitz haben - dort, wo die Themen diskutiert werden, die die Welt interessieren", sagte Sall im DW-Interview.

Südafrika - das letzte Land im Reiseplan von Scholz - ist bereits G20-Mitglied und eines der wichtigsten Partnerländer im Afrika südlich der Sahara. Am Dienstag zieht Scholz in Johannesburg ein erstes Fazit seiner Reise im DW-Interview: "Es war sehr gut, mit den Staats- und Regierungschefs zu diskutieren und zu verstehen, dass sie eine sehr ähnliche Sicht auf die Welt haben, dass sie den Willen zur Zusammenarbeit teilen."