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Politik

Scholz: "Wir brauchen einen Marshall-Plan für die Ukraine"

28. Juni 2022

Die sieben großen westlichen Wirtschaftsnationen wollen der Ukraine beim Wiederaufbau helfen. Kanzler Olaf Scholz sagte nach dem G7-Treffen in Bayern, die G7-Länder seien sich bei der Unterstützung der Ukraine einig.

Deutschland | G7 Gipfel | PK Olaf Scholz
Bundeskanzler Olaf Scholz fasst die Ergebnisse des G7-Gipfels zusammenBild: Leonhard Foeger/REUTERS

Um den Wiederaufbau der Ukraine zu organisieren, strebt die G7-Gruppe eine internationale Konferenz an. Die Teilnehmerländer des Treffens in Elmau hätten sich darauf verständigt, dass die Ukraine einen Marshall-Plan zum Wiederaufbau benötige, sagte Bundeskanzler Olaf Scholz nach dem Gipfeltreffen in Bayern.

Die G7-Staaten stünden "eng und unverbrüchlich an der Seite der Ukraine", betonte der Kanzler. "Wir unterstützen das Land bei seiner Verteidigung und bieten ihm eine Perspektive für die Zukunft an." Scholz sprach von einem wichtigen G7-Gipfel in einer ganz besonderen Zeit. Das Treffen habe auf beeindruckende Weise die Geschlossenheit und Entschlossenheit gezeigt, der russischen Aggression entgegenzutreten.

125 Tage lang führe Russland nun schon Krieg gegen die Ukraine, so der Bundeskanzler. Als Gruppe der wirtschaftlich starken Demokratien verurteile die G7 diesen erbarmungslosen Krieg. Der Raketenangriff auf ein Einkaufszentrum in der ukrainischen Stadt Krementschuk mit vielen Toten und Verletzten vom Montag sei erneut der Beweis, dass der russische Präsident Wladimir Putin "seine brutale Aggression gegenüber der Bevölkerung beibehält", kritisierte Scholz.

Geeint im Kampf gegen den Hunger

Die G7-Staaten gehen nach den Worten von Scholz gemeinsam gegen den Hunger in der Welt vor. Das sei "eine noch größere Herausforderung geworden durch den russischen Überfall auf die Ukraine", sagte der SPD-Politiker zum Abschluss des G7-Gipfels. "Wir haben gegenwärtig 345 Millionen Menschen, von denen wir wissen, dass sie nicht ausreichend zu essen haben. Das sind viermal so viele, wie in Deutschland leben." Die Klimakrise, die Pandemie und der Krieg Russlands gegen die Ukraine hätten die Probleme noch einmal verschärft, sagte der Bundeskanzler. Besonders in vielen Ländern Afrikas sei die Ernährungskrise eine "existenzielle Bedrohung" geworden. "Wir wollen deshalb auch handeln und haben deshalb ein globales Bündnis für Ernährungssicherheit geschmiedet."

Im Kampf gegen eine drohende Hungerkrise haben sich die G7-Staaten bei dem Gipfel verpflichtet, weitere 4,5 Milliarden US-Dollar für die weltweite Ernährungssicherheit bereitzustellen. Allein die USA beteiligen sich mit 2,76 Milliarden Dollar. Die führenden demokratischen Wirtschaftsmächte riefen Russland in einer Erklärung zudem auf, die Blockade der ukrainischen Häfen ohne Bedingungen zu beenden. Weizensilos und andere landwirtschaftliche Infrastruktur dürften nicht länger zerstört werden.

Ein amerikanischer Regierungsvertreter warf dem russischen Präsidenten Wladimir Putin vor, "Lebensmittel als Kriegswaffe" einzusetzen. Schätzungen gingen davon aus, dass bis zu 40 Millionen Menschen in diesem Jahr durch Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine in die Armut gedrängt werden könnten. Das wiederum hätte Auswirkungen auf die Ernährungssicherheit in der ganzen Welt.

Die Ukraine war vor dem Krieg einer der weltweit wichtigsten Getreideexporteure; die Ausfuhren in diesem Jahr sind infolge des russischen Angriffskriegs und der Blockade ukrainischer Häfen aber eingebrochen: Steigende Preise und Lieferengpässe sind die Folgen, unter denen viele arme Länder in besonderem Maße leiden.

Die G7-Länder verbanden die Finanzzusagen mit Appellen an andere Staaten: Länder mit großen Reserven an Nahrungsmitteln sollten diese dem Weltmarkt zu fairen Bedingungen zugänglich machen. Die G7 riefen zudem alle Länder auf, das Horten von Nahrungsmitteln zu unterlassen, da dadurch die Marktpreise weiter hochgetrieben würden.

Grünes Licht für Klimaklub

Die G7-Staaten stellten sich zudem hinter den Vorschlag von Kanzler Olaf Scholz, einen internationalen Klimaklub zu gründen. Der Kanzler sagte in Elmau, dieser Klub solle Ende 2022 die Arbeit aufnehmen. Man dürfe die langfristigen Aufgaben nicht aus dem Blick verlieren. "Wir brauchen mehr Ehrgeiz, um die Klimaziele zu erreichen." In einer gesonderten Erklärung des G7-Gipfels heißt es, dieser Klub solle drei Ziele haben: die Förderung Erneuerbarer Energien und Klimaschutzmaßnahmen, gemeinsame Dekarbonisierung von Industriezweigen sowie verstärkte internationale Absprachen.

Scholz hatte einen offenen und integrativen Klimaklub vorgeschlagen, um vergleichbare Standards bei Klimaschutzanstrengungen zu entwickeln. Vor allem die USA hatten Vorbehalte angemeldet, weil es bei ihnen keine CO2-Besteuerung wie etwa in der EU gibt. Der Kanzler hatte dagegen seine Idee genau damit begründet, dass man eine Vergleichbarkeit der unterschiedlichen nationalen Anstrengungen brauche, um einen Handelskrieg über Klimaschutz-Maßnahmen zu vermeiden.

Preisdeckel für Öl und Gas aus Russland?

Die G7-Staaten einigten sich zudem darauf, mögliche Preisobergrenzen für russisches Öl und Gas zu prüfen, wie aus der Abschlusserklärung hervorgeht. Eine solche Preisobergrenze soll die Möglichkeiten der russischen Regierung zur Finanzierung ihrer Invasion in der Ukraine einschränken. Allerdings lässt sich eine Preisobergrenze nur in Zusammenarbeit mit großen Öl-Importländern wie China oder Indien durchsetzen.

Beide Länder hatten ihre Importe aus Russland nach dem russischen Angriff auf die Ukraine am 24. Februar sogar noch erhöht. Die Formulierung in der G7-Erklärung zielt deshalb auf die Zusammenarbeit mit anderen Staaten. Die USA kaufen bereits kein russisches Öl mehr, die EU steigt bis Ende des Jahres aus.

Das Gipfel-Ende zeichnet sich ab - der rote Teppich wird schon mal eingerolltBild: Jens Krick /Flashpic/picture alliance

Zwangsarbeit in China verurteilt

Die Staats- und Regierungschefs der G7 riefen China zur Einhaltung der Menschenrechte auf und zeigten sich in diesem Punkt "sehr besorgt". In der Abschlusserklärung heißt es: "Wir werden uns weiterhin für universelle Werte einsetzen und China unter anderem dazu auffordern, die allgemeinen Menschenrechte und Grundfreiheiten zu achten, auch in Tibet und Xinjiang, wo uns Zwangsarbeit große Sorgen bereitet." Ziel sei es, "alle Formen der Zwangsarbeit aus den globalen Lieferketten zu entfernen".

Mit Blick auf die Weltwirtschaft kritisierten die G7 außerdem die "intransparenten und marktverzerrenden Interventionen" Chinas. Die Staats- und Regierungschefs erklärten, sie wollten sich gemeinsam und mit weiteren Partnern "nicht-marktbasierten Praktiken" entgegenstellen, mit denen China den Handel zu seinen Gunsten zu beeinflussen versuche. Ein Vertreter der US-Regierung begrüßte die Verurteilung Chinas; sie sei in dieser Klarheit "beispiellos im G7-Zusammenhang".

Nächster Halt: Madrid

Ebenso wie beim Treffen der G7-Staats- und Regierungschefs in Elmau wird der Ukraine-Krieg auch zentrales Thema des NATO-Gipfels an diesem Mittwoch und Donnerstag in Madrid sein. Vor dem eigentlichen Gipfeltreffen kommen die Staats- und Regierungschefs der NATO-Länder am Dienstag auf Einladung des spanischen Königs Felipe VI. zu einem Abendessen im Königspalast zusammen.

kle/se/jj/uh (dpa, afp, rtr)

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