DW-radio / Kroatisch, Gordana Simonovic

Nach einem mehrmonatigen Prozess gegen vier Angehörige der kroatischen Armee wegen der Ermordung zweier Zivilisten im Jahr 1995 hätte es jetzt im Gericht in Sibenik zum Richterspruch kommen müssen. Aber der Schöffenrichter Branko Nimac erschien nicht. Dies machte einen Urteilsspruch unmöglich, und so muss aufgrund der Bestimmungen des Strafgesetzes der gesamte Prozess noch einmal von vorn aufgerollt werden. Justizministerin Ingrid Anticevic Marinovic erklärte dazu vor Journalisten: "Ich muss sagen, dass ich, obwohl ich schon lange im Rechtswesen tätig bin, persönlich nicht weiß, ob es jemals schon eine solche Situation gegeben hat. All das wird sicherlich die Würde der Gerichtsbarkeit verletzen. Allerdings wird die Würde der Justiz in noch stärkerem Ausmaß zerstört, wenn ausgerechnet im Gerichtswesen Unregelmäßigkeiten auftauchen, die nicht unverzüglich bestraft werden".

Schöffenrichter Nimac versuchte, sein Nichterscheinen mit einem in Zagreb anberaumten Arzttermin zu entschuldigen. Als ihm das Sibeniker Landgericht daraufhin für die Fahrt zum Arzt einen offiziellen Wagen zur Verfügung stellte, erwiderte Nimic, dass er nicht bereit sei, zu der Sitzung des Gerichts zu kommen und für dieses Gericht gestorben sei.

Richterin Biga Milutin hat für den 10. September eine neue Verhandlung gegen die vier Angehörigen der Erkundungskompanie der 113. Brigade der kroatischen Armee anberaumt, denen im Zusammenhang mit der Ermordung von Nikola und Milica Damjanic im August 1995 in der Gegend von Sibenik Kriegsverbrechen gegen die Zivilbevölkerung zur Last gelegt wird.

Da nach der Strafprozessordnung vorgesehen ist, dass jemand, der sich der Vereitelung eines Gerichtsprozesses schuldig gemacht hat, mit einer Geldstrafe belegt wird, bleibt noch die Frage, ob Nimac die Kosten für das bisherige Verfahren aufbringen kann. Aber es stellt sich bereits eine viel ernsthaftere Frage: Wird nach der Farce um den Prozess in Lora und dem jetzigen Fall in Sibenik die kroatische Justiz ihre Würde verlieren, und ist sie überhaupt eigenständig fähig, Verfahren über Kriegsverbrechen zu führen? (MK)