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Politik

Schotten gespalten über Unabhängigkeit

Peter Geoghegan glh
23. Oktober 2016

Verlasst ihr die EU, verlassen wir euch! Nach dem Brexit-Votum will Schottland erneut über einen Austritt aus dem Vereinigten Königreich abstimmen lassen. Doch es gibt auch Unabhängigkeits-Gegner. Peter Geoghen, Glasgow.

Schottland Regierungschefin Nicola Sturgeon in Glasgow
Sie will im EU-Binnenmarkt bleiben: Regierungschefin Nicola SturgeonBild: picture-alliance/AP Photo/J. Linton

Für Barkeeper Stewart in der Glasgower Union-Bar ist die Sache klar: "Auf keinen Fall. Wir hatten schon eine Abstimmung, wir brauchen keine weitere." Bereits 2014 wurden Schottlands Bürger an die Urnen gebeten, 55 Prozent stimmten für den Verbleib im Vereinigten Königreich - und damit gegen die Unabhängigkeit.

Angesichts des drohenden Austritts Schottlands aus der EU - gemeinsam mit dem Vereinigten Königreich - werden die Pläne von Regierungschefin Nicola Sturgeon für ein zweites Unabhängigkeits-Referendum immer klarer, ein entsprechender Gesetzentwurf liegt schon vor.

"Wir sind weiß und Britisch und wir bleiben auch so", ist Barkeeper Stewarts Meinung dazu. Vor der Bar, in der er arbeitet, weht die Fahne des Vereinigten Königreichs, drinnen hängen farbenfrohe Porträts von König Wilhelm III. von Oranien-Nassau, dem König von England, Schottland und Irland im 17. Jahrhundert, hoch zu Ross. "In Nordirland sind so viele Menschen gestorben, um Briten zu bleiben. Wir würden diesen Leuten in den Rücken fallen, träten wir jetzt aus."

Mehrheit der Schotten will in EU bleiben

Bei der Brexit-Abstimmung am 23. Juni hatten die Wähler des United Kingdom knapp für den EU-Austritt gestimmt. In Schottland allerdings votierten 62 Prozent für den Verbleib. Ungeachtet dessen droht nun aber auch den Schotten der Ausschluss aus der Europäischen Union. 

Für Suzanne McLaughin, ehemalige SNP-Kandidatin und Inhaberin der Pro-Unabhängigkeits Yes Bar in Glasgows Zentrum Grund genug, einem Referendum eine zweite Chance zu geben: "Jetzt ist die Zeit dafür. Nicola Sturgeon muss ein neues Referendum anstreben." Wie Suzanne McLaughin glauben viele Nationalisten, die hinter der Regierungschefin der schottischen Nationalpartei (SNP) Nicola Sturgeon stehen, dass die Zeit für einen Austritt aus dem Vereinigten Königreich nie besser war als jetzt.

Schon 2014 mussten die Schotten entscheiden, ob sie die Unabhängigkeit wollen - die Mehrheit wollte sie nichtBild: picture alliance/M. Smith

Doch es gibt auch Skeptiker in den SNP-Reihen. Und die Vorsicht ist angebracht, sagt Andrew Tickell. Er ist Kolumnist der Times und unterstützt die schottische Nationalpartei: "Die SNP muss sehr gute Antworten haben auf Fragen wie Währung und Finanzen. Doch die Partei ist genau darin nicht gut", sagt Tickel.

Schotten wollen die Unabhängigkeit nicht

Aktuellen Umfragen zufolge will die Mehrheit der Schotten im Vereinigten Königreich verbleiben. Ein neues Unabhängigkeits-Referendum wird Nicola Sturgeon wohl erst dann angehen, wenn sich die Umfragewerte ändern.

John Curtice, Politikwissenschaftler an der Strathclyde Universität, sieht die Wahrscheinlichkeit für ein erneutes Referendum nach 2014 bei 50-50. "Nicola Sturgeons Position ist nicht so stark wie sie es gerne hätte", so Curtice.

Wirtschaftlich geht es Schottland heute sehr viel schlechter als noch im Jahr 2014. Die Einkommen durch das vor Schottlands Küsten geförderte Erdöl sind aufgrund des weltweiten Preisverfalls stark gesunken. Die Steuereinnahmen gingen von über 12 Milliarden Euro im Jahr 2012 auf nur knapp 67 Millionen im vergangenen Jahr herunter. Das nationale Defizit ist auf 9,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes gestiegen, im ganzen Vereinigten Königreich liegt es bei rund vier Prozent.

Schottland will im EU-Binnenmarkt bleiben

In diesen unsicheren Zeiten, die mit den ungewissen Folgen des Brexit-Votums noch verstärkt werden, will die SNP sich als eine Partei mit Plan zeigen. "Wenn es möglich ist, wollen wir einen Konsens erreichen." Das Referendum könne verhindert werden, so die Regierungschefin, wenn bestimmte Bedingungen für Schottland ausgehandelt werden könnten. Wichtigste Forderung der SNP ist der Verbleib Schottlands im EU-Binnenmarkt.

Das ist nach Ansicht von Michael Keating, Professor für Politikwissenschaften an der Aberdeen Universität jedoch nicht machbar. "Entweder ist man drin oder nicht." Selbst wenn Schottland im EU-Binnenmarkt bleiben könnte und der Rest des Königreichs nicht, hätte das fatale Auswirkungen so Keating: "Das würde eine wirtschaftliche Grenze zwischen Schottland und England mit sich bringen, inklusive Zoll-Checkpoints und allem, was dazu gehört. Man müsste zudem Produkt-Standards überprüfen, genauso wie Herkunfts-Standards." Doch das wolle niemand, so der Professor.

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