Schottischer Erfolg mit "Babylon Berlin"
9. Januar 2018Auf den ersten Blick erscheint die Kombination fast schon unglaubwürdig: Ein kleiner unabhängiger Verlag mit Sitz in den schottischen Highlands und eine deutsche Krimi-Reihe, die zu einer international erfolgreichen Fernsehserie verfilmt wurde. Doch Robert Davidson, der Direktor von Sandstone Press, muss eine gute Spürnase gehabt haben. Denn bereits ein Jahr bevor die Krimis des deutschen Autors Volker Kutscher für das Fernsehen adaptiert wurden, erwarb er die Rechte an der englischsprachigen Version der Bücher. Jetzt kann er sich vor der enormen Nachfrage kaum noch retten.
Vor 15 Jahren gründete Davidson seinen Verlag Sandstone Press in der kleinen Stadt Dingwall bei Inverness. Die ersten beiden Bücher der Bestsellerreihe von Kutscher, "Der nasse Fisch" und "Der stumme Tod", hat er bereits auf englisch herausgebracht. Im Mittelpunkt der Kriminalromane steht der Polizist Gereon Rath, der sich im dekadenten und gefährlichen Berlin der späten 1920er und frühen 1930er Jahre durchschlagen muss. Der dritte Fall von Kommissar Rath ("Goldstein") soll im Mai auf Englisch erscheinen.
Eine international erfolgreiche TV-Serie
Mit der Verfilmung der Bestseller zur Fernsehserie "Babylon Berlin" wurde Sandstone Press nun unverhofft zu einem der Profiteure des Riesenerfolgs. Die bislang teuerste nicht-englische Fernsehserie fand nicht nur in Deutschland große Beachtung, sondern wurde auch in 60 andere TV-Märkte verkauft, darunter an britische und US-amerikanische Sender.
Die englischen Versionen der beiden ersten Bücher verkauften sich schon eine ganze Weile recht gut. Dramatisch schnellten die Verkaufszahlen dann aber in die Höhe, nachdem die Serie im November auf Sky Atlantic in Großbritannien Premiere feierte. In den USA wird "Babylon Berlin" noch in diesem Monat auf Netflix ausgestrahlt. "Seitdem die Serie hier begann, wurden die Bücher zu hunderten verkauft", so Robert Davidson gegenüber der DW. Die erste Auflage des ersten Buchs betrug noch 4.000 Exemplare. Mittlerweile sind schon mehr als 17.000 Bücher gedruckt worden.
Die Welt des Kabarett, die Weimarer Republik und der Aufstieg der Nazis
Für ein kleines Verlagshaus, das normalerweise etwa 30 Bücher pro Jahr herausbringt, stellte es ein enormes Risiko dar, bislang eher unbekannte deutsche Krimis auf englisch zu veröffentlichen. Das Abenteuer begann auf der Frankfurter Buchmesse 2014.
Davidson hatte sich mit Iris Brandt von Kiepenheuer & Witsch verabredet, dem deutschen Verlag von Kutscher. Brandt ist dort für die Rechte ausländischer Verleger zuständig. Der Schotte interessierte sich für ausländische Bücher, nachdem er bereits englische Fassungen von zwei norwegischen Büchern herausgebracht hatte. "Ich wollte schon gehen, als Iris plötzlich eine neue Idee hatte und hinter sich griff, um eine Kopie von 'Der Nasse Fisch' hervorzukramen."
Sofort packte Davidson die Neugierde. "Ich dachte über die Welt des Kabaretts nach, den Aufstieg der Nazis, die Weimarer Republik, diese Dekadenz, die man mit Kabarett verbindet - aber mit jenem Hauch von Realismus, der mit dem Verbrechen einhergeht."
Brandt erwähnte sogar, dass bereits ein gewisses Interesse an der Verfilmung der Bücher bestünde, aber Davidson nahm das nicht allzu ernst. "Auf Buchmessen hört man sowas ständig. Die Leute versuchen halt, einem ihre Bücher anzudrehen, und eine potenzielle Verfilmung macht sie natürlich umso interessanter. Also das war nicht der Grund, warum ich mich für diese Bücher entschied. Ich fand dieses Projekt einfach nur aufregend." In der Tat wurde erst 2016, also zwei Jahre später, verkündet, dass die Bücher verfilmt werden würden.
Buchübersetzungen sind ein riskantes Unterfangen
Eine englische Übersetzung der Bücher - der erste Band ist ganze 560 Seiten lang - erschien riskant und teuer. Dieser Umstand veranlasste Davidson, nach möglichen Finanzierungshilfen in Form von Übersetzungsstipendien zu suchen. Mit der schottischen Institution XpoNorth und dem Goethe-Institut wurde er schließlich fündig.
Die Zusage des Goethe-Instituts kam vor allem zustande, weil die ersten zwei Bücher in "New Books in German" vorgestellt worden waren, einem zweimal jährlich in London erscheinenden Journal, das deutschsprachige Literatur fördert. "Wir waren beeindruckt von der Art und Weise, wie Kutscher seine tollen Geschichten mit dem faszinierenden Umfeld von Berlin zwischen den Weltkriegen verband", sagt die Chefredakteurin des Magazins, Charlotte Ryland.
Eine Buchbesprechung in diesem Magazin garantiert ein Übersetzungsstipendium eines seiner Partner, darunter auch das Goethe-Institut, erklärt Ryland, und fügt hinzu: "Die Zusage eines solchen Stipendiums treibt die Kosten für die Rechte in die Höhe. Trotzdem wird die Veröffentlichung eines übersetzten Buches als Risiko gesehen. Also ist alles hilfreich, was dieses Risiko reduziert."
Laut Davidson, war das Risiko einer Übersetzung der Kutscher-Bücher für Sandstone Press aufgrund der Stipendien nicht mehr "existentiell". Allerdings wäre ein Misserfolg trotzdem nicht nur ein finanzielles Desaster gewesen, sondern hätte auch die gesamte Strategie des Verlags in Frage gestellt.
Jenseits von Kriminalität: Ein starker historischer Hintergrund
"Was den Erfolg eines Buchs ausmacht ist schwer zu sagen. Wir entscheiden uns für das, was wir für gute Qualität halten", sagt Davidson. Besonders erfolgversprechend sind Krimis. Und auch der historische Hintergrund der Bücher von Kutscher, also die Zwanziger und Dreißiger Jahre und der Aufstieg der Nazis, war hilfreich. Was für Davidson auch eine Rolle spielte war, dass "die Bücher von einem Deutschen aus der inneren Sicht deutscher Kultur geschrieben wurden - von einem, der sich mit Geschichte auskennt und in Frage stellt, wie während der Generation seiner Großeltern so etwas passieren konnte." Natürlich war auch der kommerzielle Erfolg der Bücher in Deutschland ausschlaggebend. "Wir dachten, diese Bücher sind das Risiko wert, und da haben wir wohl Recht behalten."
Ein ehrgeiziger Verleger im schottischen Hochland
Obwohl Sandstone Press im schottischen Hochland, also fast schon am "Ende der Welt" beheimatet ist, hat das kleine Verlagshaus schon immer nach internationalen Perspektiven Ausschau gehalten. Neben norwegischen und deutschen Büchern wird der Verlag in diesem Jahr auch "Celestial Bodies" von Jokha Alharthi aus dem Oman herausbringen. "Ich glaube, wenn man ein seriöser Verleger von Literatur sein will, dann muss man auch Übersetzungen veröffentlichen", erklärt Davidson.
So weit weg von bedeutenden Verlagszentren wie etwa London oder New York zu sein, hat Nachteile, aber auch Vorteile: In Schottland fehlen natürlich die engen Kontakte. Dieser Umstand wird aber von den niedrigeren Produktionskosten teilweise wieder wettgemacht. "Wenn man sehr knapp kalkulieren muss, und das müssen alle Verlage, egal wie groß oder klein sie sind, dann kann man so Einiges sparen, indem man sich eben nicht in London niederlässt."
Davidson hofft, auch weiterhin am Erfolg von "Babylon Berlin" teilzuhaben - und zwar, indem er auch die Rechte der weiteren Bücher der Serie erwirbt. Bislang hat Kutscher sechs Romane über seinen Held Gereon Rath geschrieben. Mindestens drei weitere sollen folgen - vor dem Hintergrund der Reichskristallnacht vom November 1938.
"Jeder einzelne der Krimis ist toll. Und was ihre Lesbarkeit angeht, werden sie mit jedem Roman immer noch besser", schwärmt Davidson. "Wir stehen jetzt im Mittelpunkt der englischen Dimension der Reihe - und darüber freuen wir uns sehr."