Schottlands erstes Designmuseum eröffnet in Dundee
14. September 2018
Wie das Guggenheim Museum für Bilbao im Baskenland könnte Schottlands erstes Designmuseum zum Touristenmagnet für die Stadt Dundee werden. Die weltweit erste Außenstelle des Victoria & Albert Museums öffnet am Samstag.
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Wie ein riesiger Schiffsrumpf scheint das V&A Dundee aus dem Wasser im Hafen zu ragen. Grau in grau, wie die Felsklippen der nahen Nordseeküste, fügen sich Tausende von Steinplatten in Wellenform zu einem Ganzen zusammen: Fensterschlitze und Bullaugen bündeln Sonne, Licht und Blicke aufs Wasser. Das V&A Dundee, die erste Außenstelle des weltberühmten Londoner Victoria & Albert-Museums überhaupt, eröffnet an diesem Samstag (15.9.). Der Bau wurde für 81,1 Millionen Pfund (91,1 Millionen Euro) nach den Plänen des japanischen Architekten Kengo Kuma errichtet.Kuma ließ sich nach eigenen Angaben von der Geschichte Dundees - und den Küstenklippen - inspirieren. Der 64-jährige, der in Bayern im Hotel "Das Kranzbach" ein Meditationshaus mitten im Wald erschuf und auch das Stadion für die Olympischen Spiele in Tokio 2020 erbaut, gilt als Meister der Verbindung von Natur und Bauwerk.
Sein erstes Projekt in Großbritannien soll "wie ein Wohnzimmer" die Menschen mit ihrer Stadt und ihrer Geschichte verbinden. Die japanische Assoziation liegt nicht weit: Das V&A Dundee sei das "Tor zum Meer", sagt er. "Es hat dieselbe Funktion wie ein japanischer Schrein."Die Funktion eines Durchgangs zum Licht wird in Dundee damit erreicht, dass die beiden Gebäudeteile in der Form kopfstehender Pyramiden am Boden einen Zugang zum Fluss Tay freilassen und sich erst auf der ersten Etage vereinen. Der "Bugüberhang", heißt es im nautischen Jargon, beträgt an seiner längsten Stelle fast 20 Meter.Im riesigen, mit Eichenholzplatten getäfelten Atrium setzt sich die Analogie fort: Die lichtdurchflutete Halle, so Kuma, heiße die Besucher "willkommen wie ein japanischer Tempel". Besucher erreichen über einen breiten Treppenaufgang, einen gläsernen Lift und dunkle Kalksteinböden mit Fossilien-Prägungen die Ausstellungsetage mit einer stattlichen Gesamtfläche von 1100 Quadratmetern. Von Rundgängen, Sitzecken und Cafés fällt überall und unerwartet der Blick aufs Wasser, auf Kräne und die Brücke über den Tay.Die Schiffahrts- und Handelsgeschichte der Stadt, einst Zentrum von Handel, Werften, Walfang und Jute-Produktion sowie Heimathafen der "Discovery" von Antarktisforscher Captain Scott (1868-1912), ist auch Thema der ersten großen Ausstellung. "Ocean Liners - Schnelligkeit und Stil" erzählt von der Tradition der Luxusliner.In der Galerie über schottische Geschichte besticht der originalgetreue Wiederaufbau einer Teestube des schottischen Architekten und Jugendstil-Designers Charles Rennie Mackintosh (1868-1928) aus dem Jahr 1907. Das Eichenzimmer wurde vor drohender Zerstörung gerettet und war fast 50 Jahre lang in Glasgow eingelagert. Schottisches Design von Möbeln über Mode, Wolle, Weberei bis zu Gummistiefeln wird mit mehr als 300 Objekten präsentiert.
Gemeinsam mit V&A Dundee-Direktor Philip Long hoffen Stadtväter und Bevölkerung auf die Früchte einer "kulturellen Regeneration". Schon im ersten Jahr sollen 500.000 Besucher kommen, danach werden jährlich 350.000 erwartet. Der Ruf der von hoher Arbeitslosigkeit geplagten Stadt mit 150.000 Einwohnern schwankt gegenwärtig zwischen cool und deprimierend. Computerspiele und neue Technologien brachten wirtschaftliches Leben in die Stadt, die zugleich den Rekord an Drogentoten in Großbritannien hält.
Die Erneuerung, sagen Stadtplaner, habe mit dem neuen Museum ihren "Zündfunken" erhalten. Die aus Dundee stammende Schriftstellerin und Komikerin AL Kennedy fasst es in ihre eigenen Worte: "Es ist das erfolgreichste Grau, das ich bisher in Dundee gesehen habe." Architekt Kuma unterdessen lehnt den häufigen Vergleich mit dem sogenannten Guggenheim-Effekt des gleichnamigen Museums in Bilbao ab: "Das Guggenheim ist ein strahlendes Monument. Mein Ansatz der Wiederverbindung von Menschen mit ihrer Stadt ist genau das Gegenteil".
Anna Tomforde (dpa)
Reisetipps für Bilbao
Seit der Eröffnung des Guggenheim-Museums vor 25 Jahren erlebt die Stadt einen Besucherboom. In Nordspanien zwischen Bergen und Atlantik gelegen, bietet Bilbao Kunstgenuss, baskische Tradition und Naturerlebnisse.
Bild: picture-alliance/Global Travel Images
Ein Museum als Motor
Am 18. Oktober 1997 eröffnete das Guggenheim-Museum. Das von dem kanadischen Architekten Frank O. Gehry entworfene Bauwerk aus Titan, Sandstein und Glas am Ufer des Nervión ist zum Wahrzeichen der baskischen Hauptstadt geworden - und ein Magnet nicht nur für Architektur- und Kunstfans. Bis heute haben über 20 Millionen Besucher der schon verloren geglaubten Stadt neuen Reichtum gebracht.
Bild: picture-alliance/Global Travel Images
Ankunft am Bahnhof
Der Hauptbahnhof Abando Indalecio Prieto begrüßt die Reisenden mit Glaskunst. Auf 250 Quadratmetern werden Szenen aus der baskischen Geschichte gezeigt. Links im Bild ist die Büste von Indalecio Prieto, ein prominenter Politiker und Sozialist, der im Spanischen Bürgerkrieg 1939 ins Exil nach Mexiko fliehen musste.
Gläserne Röhren führen zur U-Bahn, die das Stadtzentrum mit der Peripherie verbindet. Die Eingänge werden "Fosteritos" ( kleine Fosters) genannt, nach Norman Foster, dem britischen Architekten, der die U-Bahn-Haltestellen entworfen hat. Von der Station Mamés am Flughafen geht es zur Stadt. Für den Besuch des Guggenheim-Museums ist der Ausstieg an der Station Moyua empfehlenswert.
Vor dem Rathaus steht seit 2002 eine Stahlskulptur des baskischen Bildhauers Jorge Oteiza. Ihr spanischer Name "Variante Ovoide de la Desocupación de la Esfera" bedeutet auf Deutsch in etwa "Eiförmige Variante der Leerwerdung der Sphäre". Jorge Oteiza (1908-2003) gilt als Pionier der abstrakten Kunst in Spanien und als Philosoph, der dem Zustand der baskischen Seele nachspürte.
Bilbao, im 13. Jahrhundert gegründet, war ein wichtiger Handelsplatz am Nervión-Fluss, der in den Golf von Biskaya mündet. Im 19. Jahrhundert wurde es zur Industriestadt und galt lange Zeit als die unattraktive Schwester des mondänen Seebades Donostia (San Sebastián). Doch Bilbaos Image hat sich gewandelt. Das signalisiert auch das höchste Gebäude der Stadt, der Torre Iberdrola (Bildmitte).
Bild: picture-alliance/robertharding/T. Graham
Brückenschlag
Die Weiße Brücke, auf baskisch "Zubizuri", hat der spanische Architekt Santiago Calatrava entworfen. Sie wurde 1997 exklusiv für Fußgänger gebaut und gilt vielen als die schönste Brücke von Bilbao. Der Glasboden musste aber mit einem Kunststoffbelag versehen werden, um die Rutschgefahr bei Regen zu beseitigen. Im Hintergrund steht das Doppelhochhaus des japanischen Architekten Arata Isozaki.
Bild: picture alliance/DUMONT Bildarchiv
Wie ein schwarzer geschliffener Diamant
Auch dieser Bau des spanischen Architekturbüros Coll-Barreu spiegelt die rasante Veränderung der Stadt. Seit 2008 ist die Lärm absorbierende und Solarenergie nutzende Glasfassade des Gesundheitsministeriums der Provinz Bizkaia ein beliebtes Fotomotiv. Zu finden im Viertel Ensanche, der Haupteinkaufszone Bilbaos.
Bild: picture alliance/robertharding
Musikfestival
Das Indie-, Pop- und Rock-Festival Bilbao BBK live hat sich seit 2006 zu einem der größten Festivals in Europa entwickelt. Dieses Jahr traten Bands wie Depeche Mode, Stromae oder The Killers auf. Im Juli tanzten wieder Zehntausende auf dem Kobetamendi Hügel hoch über der Stadt.
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Mehr als nur eine Mütze
Im Baskenland ist diese Kopfbedeckung durchaus auch eine Art Demonstration. Es heißt, dass ein Bürger aus Bilbao zwar zuhause einen Hut trägt, aber in Madrid die Baskenmütze aufsetzt. Und als kleine Spitze gegen Bilbaos Konkurrenzstadt Donostia (San Sebastián), wird behauptet, dass dort die Baskenmütze nur zuhause getragen würde und in Madrid ein Hut.
"Die Große Woche" in Bilbao ist der baskischen Kultur gewidmet. Neun Tage lang wird auf Straßen und Plätzen getanzt, gegessen und getrunken. Riesenmarionetten wie das Maskottchen Marijaia treten auf. Im nächsten Jahr geht es am 19. August wieder los mit der traditionellen Txupinazo, einer Feuerwerksrakete als Startschuss vor dem Arriaga-Theater.
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Nationalpark
Im Hinterland von Bilbao erstreckt sich der Nationalpark Picos de Europa, was auf Deutsch "Gipfel Europas" heißt. 1918 wurde er als erster Nationalpark Spaniens gegründet. Rund 200 Gipfel über 2000 Meter hoch bieten ein beeindruckendes Panorama für Wanderer und Pilger. Hier verläuft auch der berühmte Jakobsweg durch Nordspanien, dem Menschen aus aller Welt bis Santiago de Compostela folgen.
Bild: picture-alliance/dpa/W. Thieme
Atlantikküste
Kontrastprogramm bietet die Atlantikküste rund 30 Kilometer nordöstlich von Bilbao. Hier gibt es wilde Steilküsten und stille Badebuchten, tief eingeschnittene Fjorde und kilometerlange Strände. Dieser spektakuläre Fußweg führt über mehr als 200 Stufen und eine Brücke zur Seefahrer-Kapelle auf der Insel San Juan de Gaztelugatxe.
Bild: picture-alliance/dpa/W. Thieme
Inselgeschichten
Früher Einsiedelei ist die Insel heute ein Wallfahrtsort für Seeleute und Fischer. Am Ende der Treppe soll Johannes der Täufer seinen Fußabdruck hinterlassen haben, so die Legende. Und wer die Glocke an der Pforte drei Mal läutet, darf sich etwas wünschen. Als Standort der Burg "Dragonstone" in der siebten Staffel von "Game of Thrones" ist San Juan de Gaztelugatxe nun auch Kult bei Filmfans.
Bild: picture-alliance/dpa/W. Thieme
Und abends Lichtspiele
Von den Strandorten an der Küste fährt die U-Bahn Linie 1 (Stationen Areeta, Gobela, Bidezabal oder Plentzia) in etwa 30 Minuten zurück in die Innenstadt von Bilbao. Dann lohnt sich noch ein Spaziergang am Flussufer. Denn mit Einbruch der Dunkelheit verwandeln sich die Bauwerke wie das Guggenheim Museum oder die Weiße Brücke in magische Lichtskulpturen.