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Schreiben unter Lebensgefahr

Peter Philipp14. November 2003

Roshanak Daryoush, iranische Schriftstellerin und Übersetzerin wurde bedroht und verfolgt. Die internationale Schriftstellervereinigung P.E.N. setzt sich für sie und andere ein.

Roshanak DaryoushBild: PEN

Die Schriftstellerin und Übersetzerin Roshanak Daryoush hat einen wichtigen Teil ihrer Jugend in Deutschland verbracht, hier ging sie zur Schule, hier studierte sie. Dennoch blieb die Iranerin, deren Eltern zur Zeit des Schahs den Iran verlassen hatten, ihrer Heimat immer zutiefst verbunden. Eine Heimat, die sie anzog, um sie dann wieder abzustoßen - und die sie nun nicht wieder sehen wird, denn Roshanak Daryoush ist letzte Woche nach langer schwerer Krankheit in München gestorben. Ihr Schicksal steht für viele iranische Künstler und Intellektuelle.

Nach dem Sturz des Schahs kehrt die junge Frau in den Iran zurück, ein abgeschlossenes Politik- und Soziologiestudium hinter sich und große Hoffnungen für die Zukunft in der Heimat. Schon bald aber muss sie feststellen, dass die neuen klerikalen Herrscher keine freie Gesellschaft wollen. Nicht für Frauen und nicht für Sozialisten, schon gar nicht für solche, auf die beides zutrifft.

Festnahmen und Bedrohungen

Roshanak Daryoush folgt aber nicht den Scharen enttäuschter Heimkehrer, die zurück ins Exil gehen. Sie bleibt und schlägt sich durch: Vor allem mit literarischen Übersetzungen, darunter Sartre, Lenz und Sperber. Zum Leben muss sie für deutsche Firmen dolmetschen. Lange setzt sie sich für die Bildung eines iranischen Schriftsteller-Verbandes ein und erweckt damit das „Interesse“ der Behörden. Wiederholt wird sie festgenommen, schließlich anonym bedroht.

Ernst zu nehmende Drohungen, denn im Winter 1997/98 werden mehrere Schriftsteller entführt und ermordet. Nach dem Wahlsieg der Reformer zeichnet sich eine Entspannung ab, die Gefahr ist aber nicht gebannt. Daryoush nimmt eine Einladung an, Anfang 2000 als Stipendiatin des P.E.N. nach Deutschland zu gehen. Im April findet in Berlin eine Iran-Konferenz der Heinrich-Böll-Stiftung statt, bei der Daryoush als Übersetzerin fungiert.

Tod fern der Heimat

Aus dem Iran angereiste Teilnehmer werden nach ihrer Rückkehr festgenommen und vor Gericht gestellt. Ebenso Khalil Rostamkhani, der Mann von Daryoush, der in Teheran bei der Vorbereitung der Konferenz geholfen hatte. Ein Geistlicher, Hasan Eshkevari, wird zum Tode verurteilt, andere erhalten Haftstrafen von mehreren Jahren. Rostamkhani wird erst zu neun, dann zu acht Jahren Gefängnis verurteilt. Gegen Daryoush wird Haftbefehl erlassen und sie kann nicht mehr in ihre Heimat zurückkehren. Monatelang ist sie schwer krank, schließlich stirbt sie in München - ihre Heimat sieht sie nicht wieder.


Betreut von P.E.N.

Das P.E.N.-Logo zeigt eine Feder

Das deutsche Komitee von "Writers in Prison" des P.E.N. hat sich nicht nur um Roshanak Daryoush gekümmert, es betreut – so gut es eben geht – rund 20 iranische Schriftsteller. Hierbei werden deutsche Politiker bei Iranreisen eingeschaltet und man appelliert auch an iranische Politiker, die Deutschland besuchen. Wer wie genau hilft, will Karin Clark nicht sagen, um die Bemühungen nicht zu gefährden. Man glaube jedoch, dass diese Bemühungen in einigen Fällen genutzt haben, wenn das auch schwer beweisbar sei: "Wir haben natürlich noch nie eine Antwort auf unsere Appelle bekommen. Das lässt sich nur absehen an eventuellen Haftverschonungen, Hafterleichterungen oder der Rücknahme von langen Haftstrafen. Die Iraner sind immer nur dann ansprechbar, wenn es dem iranischen Regime opportun ist. Wenn sie ein Signal in irgendeine Richtung senden wollen, dass sie die Menschenrechte doch in irgendeiner Form akzeptieren."

Verfolgte Schriftsteller werden nur selten wegen ihrer Texte vor Gericht gestellt und verurteilt, sondern es werden ihnen Kontakte mit dem Ausland, mit illegalen Oppositionsgruppen und Landesverrat unterstellt. Anklagepunkte, die dann auch das meist sehr hohe Strafmaß rechtfertigen sollen. Gleichzeitig werden solche Urteile dann aber auch wieder kassiert, um wenig später erneut ausgesprochen zu werden. Der Teheraner Dozent Hashem Aghajari etwa wurde zum Tode verurteilt, dann wurde das Urteil aufgehoben und es soll ihm ein neuer Prozess gemacht werden, bei dem aber auch wieder die Todesstrafe herauskommen könnte. Auch der zum Tode verurteilte Eskevari erhielt später dem Vernehmen nach eine siebenjährige Haftstrafe.

Methode: Abwarten und Taktieren

Wie beliebig solche Urteile sein können, mag auch daran abzulesen sein, dass Verurteilte durchaus auch "Urlaub" vom Gefängnis bekommen. Es kann sich also gar nicht um schlimme Staatsfeinde handeln, sondern eher um reine Willkür. Karin Clark: “Wie soll man es anders nennen? Wir hatten Fälle, wo jemand mit vier Jahren Haft belangt war - die durfte aber zur Krebstherapie ausreisen. In dem Moment wo sie ausreiste, wurde aber ihr Mann unter ganz anderen Anklagen ins Gefängnis gesetzt und das ist gerade in dem Fall – im Fall von Siamak Pourzand – besonders traurig: Er ist krank, er ist weit über siebzig Jahre, und er wurde angeklagt, Verbindungen zu antiislamischen Exilgruppen zu haben.“

Von Rechtsstaatlichkeit könne man hier nicht sprechen. Erschwert werde dieser Zustand noch dadurch, dass es verschiedene Gerichtssysteme gebe, die zum Teil auch gezielt gegen die reformorientierte Regierung unter Präsident Khatami agieren. Das sei sehr frustrierend, meint Karin Clark: "Man kann sich auf gar nichts verlassen. Es ist wirklich immer ein Abwarten, Taktieren, und man darf nur nicht aufhören, Druck auszuüben."

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