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Schuldenkrise in Afrika: Es braucht multilaterale Lösungen

Antonio Cascais
18. Oktober 2024

Proteste in Kenia, Umstrukturierung in Ghana: Viele Länder Afrikas haben akute Schuldenprobleme. Beobachter sehen Handlungsbedarf auf globaler Ebene und fordern eine stärkere Einbindung Afrikas bei der Lösungssuche.

Äthiopien Armut l Obdachlosigkeit, Obdachloser in Addis Ababa
Obdachloser in Addis Ababa: Wenn der Staat pleite ist, fehlt das Geld für Sozialausgaben. Bild: Marco Longari/AFP

Verteuerte Energie- und Lebensmittelimporte, Einbrüche der Weltmarktpreise für Rohstoffe, Kriege, Klimawandel, aber auch schlechte Regierungsführung - diese und weitere Faktoren führten in den vergangenen Jahren zu einer deutlichen Zuspitzung des Überschuldungsproblems in weiten Teilen des afrikanischen Kontinents.

Beispiel Sambia: Das rohstoffreiche Land im südlichen Afrika erklärte sich im Zuge der Corona-Krise für zahlungsunfähig. Die Staatsverschuldung schnellte 2020 auf 129 Prozent des Bruttoinlandsprodukts; der zeitweilige Einbruch der Weltmarktpreise für das Hauptexportprodukt Kupfer brachte den sambischen Haushalt zusätzlich unter Druck. Anfang 2021 beantragte das Land daher eine Umschuldung und unterliegt seitdem verschiedenen Sparprogrammen der größten Gläubigerstaaten. 

Lusaka, Sambia: Arbeiter protestieren gegen hohe Auslandsverschuldung und verlangen einen Schuldenerlass.Bild: Kathy Short/DW

Auch Ghana hat Ende 2022 den Schuldendienst wegen eines drohenden Staatsbankrotts ausgesetzt und führt seitdem mit verschiedenen Kreditgebern Verhandlungen. Ghanas Staatschulden belaufen sich derzeit auf circa 45 Milliarden US-Dollar - gerade wurde eine Umstrukturierung von 13 Milliarden Dollar ausgehandelt.

Länder wie Tschad, Äthiopien, Malawi, Kenia, Angola oder Mosambik stehen ebenfalls in Kontakt mit der Weltbank, dem Internationalen Währungsfonds (IWF) und anderen internationalen Finanzinstitutionen. Der vom Westen, vor allem Westeuropa dominierte IWF stellt Ländern, die sich in einer wirtschaftlichen Notlage befinden, finanzielle Unterstützung zur Verfügung, wobei dies in der Regel mit Strukturreformen verbunden ist. Diese Programme gehen mit hohen sozialen Kosten einher und stoßen daher oft auf Widerstand seitens der Bevölkerungen. Ein aktuelles Bespiel: Geplante Steuererhöhungen sorgten in Kenia seit Juni für monatelange heftige Proteste.

Staatsschuldenkrise in Kenia: Proteste gegen geplante Steuererhöhungen in Nairobi.Bild: /AFP

Gesucht: Lösungen unter Beteiligung Chinas

"Das Überschuldungsproblem in Afrika braucht dringend multilaterale Lösungen, die auch von den Chinesen als größter Gläubiger auf dem Kontinent, unterstützt werden. Und auch die afrikanischen Schuldner selbst müssen in die internationalen Finanzinstitutionen integriert werden und sich stärker an der Lösungssuche beteiligen", sagt Eckhardt Bode. Er ist Autor einer im Mai vom Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW Kiel) herausgegebenen Studie, in der systematisch die Kreditvergabe Chinas mit der von sechs großen westlichen Ländern - Frankreich, Deutschland, Italien, Spanien, Japan und den USA - verglichen wird. "Ohne Zweifel wären jetzt große Schuldenerleichterungen nötig, diese werden aber durch Machtkämpfe zwischen dem Westen und China erschwert."

Die Positionen von China und dem Westen in Bezug auf die internationale Finanzarchitektur verhärten sich zunehmend. IWF-Direktorin Kristalina Georgiewa forderte mehrfach, dass Peking sich an die bestehenden Regeln halten solle. Diese Regeln wurden von IWF und Weltbank aufgestellt, den wichtigsten Institutionen des Finanzsystems nach dem Zweiten Weltkrieg, die stark vom Westen beeinflusst sind. Die Weltbank wird seit ihrer Gründung von den USA geführt, der IWF von Europa.

China möchte die multilateralen Entwicklungsbanken grundlegend reformieren. Es fordert, dass die Mitspracherechte in diesen Institutionen an die tatsächliche Wirtschaftskraft der Länder angepasst werden.

Chinesische Zentralbank mit Sitz in Peking: Die Chinesen arbeiten an einer neuen internationalen Finanzordnung. Bild: Reuters/Petar Kujundzic

IfW-Experte Eckhardt Bode verweist darauf, dass die Motive des Westens und Chinas für die Kreditvergabe an afrikanische Länder ebenfalls unterschiedlich sind. Westliche Länder vergeben eher Kredite an ressourcenarme und hochverschuldete afrikanische Länder. Chinas Kreditvergabe an Afrika dagegen ist stärker von seinen wirtschaftlichen und auch politischen Interessen geleitet. Diese widersprüchlichen Interessen gefährden den dringend benötigten Schuldenerlass für afrikanische Länder, so die IfW-Studie.

Stereotype erschweren Afrikanern Kreditaufnahme

Eine andere kürzlich veröffentliche Studie legt nahe, dass afrikanische Länder aufgrund der vielfach stereotypen und negativen Berichterstattung in den Medien bei der Kreditvergabe unverhältnismäßig hohe Zinsen zu berappen haben. Die Berichterstattung über Afrika sei gespickt von Klischees, heißt es in der Studie der NGO Africa No Filter und des Beratungsunternehmens Africa Practice. Der afrikanische Kontinent zahle auf den internationalen Finanzmärkten eine milliardenschwere "Vorurteilsprämie". Dadurch verlören die afrikanischen Kreditnehmer jährlich bis zu 4,2 Milliarden Dollar.

Internationale Investoren nehmen demnach afrikanische Länder ungerechtfertigterweise als risikoreicher wahr. "Für internationale Anleger spielt das Image auf jeden Fall eine Rolle für das Rating der jeweiligen kreditnehmenden Länder", meint auch Eckhardt Bode von IfW Kiel.

Es müsse zwingend ein Kurswechsel in der internationalen Entschuldungspolitik erfolgen, so Bodes Fazit. Allerding gebe es im Moment kein klares Konzept: "Ich befürchte, dass es noch mehrere Jahre dauern wird, bis sich chinesische und westliche Kreditgeber so weit angenähert haben, dass wir zu einer Lösung kommen."

Weltbank und IWF: Schuldenkrise spitzt sich zu

Die Weltbank veröffentlichte vergangenen Sonntag (13.10.2024) eine neue Studie, die 26 Länder hervorhebt, die "tiefer verschuldet sind als zu jedem anderen Zeitpunkt seit 2006". Die meisten Länder befinden sich in Subsahara-Afrika.

IWF-Chefin Kristina Georgiewa äußerte sich besorgt über die sie wachsende Staatsverschuldung in einigen Ländern Subsahara-Afrikas. Bild: Ahmed Yosri/REUTERS

IWF-Chefin Kristina Georgiewa macht dafür vor allem die Corona-Pandemie verantwortlich. Gleichzeitig appellierte sie vor einigen Tagen in einem Exklusivinterview mit der DW dafür, auch das Positive in Afrika wahrzunehmen. Der Kontinent berge "ein enormes Potenzial und habe eine junge Bevölkerung mit einem enormen Talent an Männern und Frauen, auf die die alternde Welt in Europa und Asien angewiesen" sei. Damit Afrikas Einfluss wachse, solle zum 1. November dieses Jahres ein weiteres Vorstandsmitglied aus Subsahara-Afrika in das Direktorium des IWF aufgenommen werden.

Eckhardt Bode teilt die Aussage Giorgievas, dass Afrika ein großes wirtschaftliches Potential habe, mahnt aber dennoch zur Vorsicht, angesichts der sich derzeitig zuspitzenden Staatsschulden-Krise: "Man kann afrikanischen Ländern im Moment nur raten, sehr vorsichtig zu sein bei der Kreditaufnahme, um eine Überschuldung zu verhindern."

China will Kredite an Afrika verdoppeln

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Mitarbeit: Josephine Mahachi

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