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Politik

Schulen bleiben geschlossen - aber wie lange?

4. Januar 2021

Normaler Unterricht trotz Corona, das war in Deutschland lange die Regel. Dann kamen der Lockdown und Ferien. Wie es weitergeht, ist unsicher. Auch, weil digital immer noch wenig funktioniert. Sabine Kinkartz berichtet.

Corona-Krise in Deutschland | Schulunterricht | Digitalisierung
Bild: Michael Schick/imago images

Der erste Schultag nach den Weihnachtsferien begann für viele Berliner Schüler und Lehrer mit einem Problem. Bereits kurz nach sieben Uhr morgens funktionierte auf der digitalen Plattform "Lernraum Berlin" nichts mehr. Die Server waren nicht erreichbar. Woran das lag, konnte bis zum Mittag niemand sagen. Nur so viel: Es werde "mit Hochdruck" daran gearbeitet, die technischen Störungen zu beseitigen, hieß es von Seiten der staatlich betriebenen Plattform.

Statt sich im Online-Klassenzimmer zu einer Videokonferenz zu treffen, bei der interaktive Inhalte vermittelt werden können, bleibt den Lehrern wieder einmal nur der Versand von Aufgabenblättern per E-Mail. In der Hoffnung, dass die Schüler den Stoff allein bewältigen können oder Hilfe bei ihren im Home-Office sitzenden Eltern finden. So war es auch im Frühjahr, als die Schulen in der Corona-Pandemie erstmals für einige Wochen geschlossen waren.

Digitale Lernplattformen funktionieren noch nicht

Zehn Monate später ist Deutschland immer noch weit davon entfernt, fit für den digitalen Fernunterricht zu sein. Zwar wird überall emsig an digitalen Lernplattformen gebastelt. Was in Berlin "Lernraum" heißt, hört in anderen Bundesländern auf so fantasievolle Namen wie "Mebis", "Logineo", "Lernsax" oder "itslearning".

Doch alle Plattformen haben gemeinsam, dass sie nach wie vor nicht richtig funktionieren und vor allem nicht belastbar sind. Je mehr Schüler und Lehrer versuchen, darauf zuzugreifen, um so eher brechen die Server zusammen.

Das wird nun zum akuten Problem, denn die Schulen bleiben vorerst komplett geschlossen. Wiedereröffnungen seien nur möglich, wenn das aktuelle Infektionsgeschehen das zulasse, heißt es in einem Beschluss der Kultusministerkonferenz. Das ist das Gremium, in dem sich die Bildungsminister der sechzehn Bundesländer bei weitreichenden Entscheidungen abstimmen.

Vom Präsenzunterricht weit entfernt

Frühestens ab dem 11. Januar soll jedes Bundesland abhängig von den Infektionszahlen selbst entscheiden, ob und wann eine Öffnung der Schulen zunächst für jüngere Schüler und Abschlussklassen möglich ist. Insgesamt sind drei Stufen der Wiedereröffnung geplant. Erst in der dritten ist wieder normaler Präsenzunterricht vorgesehen.

Mit Maske, aber ohne Abstand, so lief der Unterricht bis Mitte Dezember in den deutschen SchulenBild: Annegret Hilse/REUTERS

Wann das sein wird, steht in den Sternen. Das Robert-Koch-Institut empfiehlt, ab einem Grenzwert von 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnern in sieben Tagen Klassen zu teilen und zu unterschiedlichen Zeiten zu unterrichten. Von diesem Wert ist Deutschland weit entfernt. In manchen Regionen in Sachsen liegt die sogenannte Inzidenz konstant bei über 500.

Schulen folgen dem Infektionsgeschehen

Monatelang galt in Deutschland die Annahme, Schulen seien "sichere Orte", weil sich Kinder und Jugendliche weniger häufig mit dem Corona-Virus infizieren würden. Das aber scheint falsch zu sein. In Österreich haben Massentests an Schulen ergeben, dass Schüler sich genauso wie Erwachsene anstecken. Doch weil Kinder häufiger symptomfrei bleiben und das Virus unbemerkt überstehen, werden sie seltener getestet und so machen sich ihre Ansteckungen schlicht weniger bemerkbar.

In Großbritannien ist laut der nationalen Statistikbehörde ONS (Office for National Statistics) der Anteil von Schulkindern bei den positiven Corona-Tests sogar besonders hoch. Betroffen sind vor allem Kinder, die älter als zwölf Jahre sind. Auch hier sind die Fallzahlen im Dezember, als in Großbritannien die Infektionszahlen überall stiegen, vergleichbar in die Höhe geschossen.

Digitales Entwicklungsland

Die deutschen Kultusminister haben sich lange dagegen gewehrt, den Tatsachen ins Auge zu blicken. Sicher auch, weil sie keine Alternative zum Präsenzunterricht bieten können. Jahrzehntelang ist in Deutschland versäumt worden, die Schulen ins digitale Zeitalter zu führen. Der mit fünf Milliarden Euro ausgestattete Digitalpakt Schule ist erst seit dem Frühjahr 2019 in Kraft.

Rund 40.000 Schulen gibt es in Deutschland, für jede Einrichtung stehen somit rund 120.000 Euro zur Verfügung. Von den fünf Milliarden sind bis zum 30. Juni 2020 aber erst knapp 16 Millionen Euro abgeflossen.

Tafel, Schwamm und Kreide, so sieht der deutsche Schulalltag immer noch ausBild: picture-alliance/dpa/B. Pedersen

Deutsche Schulen sind heute vielfach noch ausgerüstet wie vor dreißig Jahren: Mit Tafel, Kreide und einem Projektor, mit dem man Folien optisch an die Wand werfen kann. Es mangelt an vielem, vor allem an digital gut ausgebildeten Lehrern und an technischem Gerät.

Eine Lehrerin klagt an

Was das im Einzelfall aussehen kann, schildet eine Lehrerin aus Schleswig-Holstein im Gespräch mit der DW. Sie möchte anonym bleiben, nennt sich Sabine Klein. Im ersten Shutdown im Frühjahr saß sie mit einem zehn Jahre alten Laptop zu Hause und der Aufforderung, online zu unterrichten. "Es gibt unter den Lehrern viele, die technisch nicht so firm sind, wozu ich auch zähle. Ich wusste nicht, wie man das macht. Man kann sich das nicht alles nebenbei bei YouTube aneignen."

Inzwischen hat sich Klein einen neuen Laptop gekauft, aber viel weiter ist sie nicht. "Fortbildungen hatten wir nicht und die Leihgeräte für die Schüler, die keinen Computer haben, sind auch noch nicht geliefert worden."

Schon mehrfach wurde sie von besorgten Eltern gefragt, wie es angesichts der verlängerten Schulschließungen weitergehen solle. Klein weiß es nicht, ist selbst hin- und hergerissen. Angesichts der hohen Infektionszahlen ist sie froh, zu Hause bleiben zu können. Aber als Pädagogin ist sie alarmiert. Was derzeit im Homeschooling möglich sei, könne den normalen Unterricht in der Schule nicht einmal ansatzweise ersetzen.

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