Mit einem globalen Klimastreik machte Fridays for Future in Deutschland mit Demonstrationen an hunderten Orten Druck vor der Bundestagswahl. Von der Politik kam Beifall.
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Unter dem Motto "Alle fürs Klima" sind weltweit Jugendliche und Unterstützer für mehr Klimaschutz auf die Straßen zum globalen Klimastreik. Allein in Deutschland gab es den Organisatoren zufolge Kundgebungen und Demonstrationen an mehr als 470 Orten.
Auf Bannern mit Aufschriften wie "Wir sind jung und brauchen die Welt" wies die vor allem von jungen Menschen getragene Fridays-for-Future-Bewegung ein weiteres Mal darauf hin, dass die "Klimakrise das größte Problem dieses Jahrhunderts" ist und dass "die Zeit knapp wird, um irreversible Schäden durch die Erwärmung des Planeten zu verhindern". Es war der insgesamt achte weltweite Aktionstag von Fridays for Future seit 2019.
Dem Protest haben sich nach Angaben von Fridays for Future auch zivilgesellschaftliche Organisationen wie Umweltverbände und Kirchen angeschlossen. Außerdem hätten mehr als 4000 Unternehmen ihre Unterstützung zugesagt.
Besonders große Kundgebungen waren in Hamburg, Freiburg, Köln und Berlin geplant. Allein in der Hauptstadt sprach die Polizei von einer Teilnehmerzahl im "mittleren fünfstelligen Bereich" rund um das Regierungsviertel, die Aktivisten selbst gingen von 100.000 Demonstranten aus. Bundesweit waren es demnach 620.000.
Zentrale Forderung der Aktivisten sind verstärkte Klimaschutzmaßnahmen, um die globale Erderhitzung auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen. Das entspricht dem 2015 im Klimaschutzabkommen von Paris international vereinbarten Ziel.
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"Keine Partei hat ein 1,5-Grad-Programm"
Der Klimastreik kurz vor der Bundestagswahl hatte auch das Ziel, den Druck auf die Parteien erhöhen, gegen die Klimakrise aktiv zu werden. Deutschland hatte in den vergangenen Jahren wiederholt seine Emissionsminderungsziele im Rahmen des Abkommens nicht erreicht.
Die TV-Debatte der Spitzenkandidatinnen und -kandidaten vom Donnerstagabend habe noch einmal gezeigt, "dass die Parteien von 1,5 Grad reden, aber keine von ihnen ein 1,5-Grad-Programm hat", schrieb Fridays for Future Deutschland auf Twitter in einem Protestaufruf.
"Die Politik ignoriert die wissenschaftlichen Warnungen auch im Jahr 2021, aber uns auf der Straße kann sie nicht ignorieren", sagte die Aktivistin Luisa Neubauer von der deutschen Sektion der Gruppe. Die nächste Legislaturperiode sei mit Blick auf die notwendigen Klimaschutzmaßnahmen "nicht einfach ein Vier-Jahres-Zeitraum, in dem Politik gemacht wird", so Neubauer weiter. Die Entscheidungen, die getroffen würden, beeinflussten "die nächsten Jahrzehnte".
Carla Reemstma von Fridays for Future Deutschland, sagte der DW, die Klimakrise werde bislang von der Politik nicht wie eine echte Krise behandelt. "Stattdessen heizen die meisten politischen Parteien die Klimakrise durch den Bau neuer Kohlekraftwerke, Autobahnen oder Gaspipelines an", so Reemstma.
Carla Reemtsma: Wahlkampf voller Lügen
01:54
Gerta Thunberg: Deutschland ist viertgrößter CO2-Sünder
In Berlin betonte die Initiatorin der Bewegung, die Schwedin Greta Thunberg: "Die Klimakrise kann nicht allein durch Parteipolitik gelöst werden. Wir müssen auch aktive demokratische Bürger sein und auf die Straße gehen und Maßnahmen fordern."
Thunberg kritisierte, Deutschland sei weltweit der viertgrößte CO2-Emittent. Mit 80 Millionen Menschen sei das schon eine Leistung, so Thunberg. "Deutschland ist objektiv gesehen einer der größten Klima-Bösewichte."
Alle sind für Klimaschutz - irgendwie
SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz bezeichnet die Proteste für mehr Klimaschutz als richtig. Er sei dankbar für das Engagement von Fridays for Future, schrieb Scholz auf Twitter.
Die Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock suchte im Vorfeld einer Demonstration in Köln das Gespräch mit Umweltaktivisten. Vor Beginn des Protestmarschs verabschiedete sie sich wieder. Am Nachmittag wurde Baerbock zum bundesweiten Wahlkampfabschluss ihrer Partei in Düsseldorf erwartet.
Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet wandte sich in einer Videobotschaft an Fridays for Future. Für die CDU sei klar, Deutschland müsse beim Klimaschutz schneller und besser werden. Das Ziel sei, weltweit so schnell wie möglich Klimaneutralität zu erreichen. Dies sei eine Aufgabe, die nur global gelöst werden könne.
Lehrerverband mahnt Schulpflicht an
Vom Deutschen Lehrerverband kam Kritik am Unterrichtsausfall wegen des Klimastreiks. Die Schulpflicht dürfe nicht zugunsten politischer Aktionen aufgehoben werden, sagte Verbandspräsident Heinz-Peter Meidinger dem "RedaktionsNetzwerk Deutschland". Andernfalls werde die politische Neutralität des Staates verletzt, der für den Schulbetrieb verantwortlich sei.
"Die Schule darf nicht zwischen 'guten' erlaubten und 'schlechten' unerlaubten Aktionen unterscheiden." Sonst stelle sich auch bei einer Demonstration gegen den Welthunger, gegen "Überfremdung" oder für die Befreiung Palästinas die Frage, ob man schulfrei nehmen dürfe, Meidinger.
Die Bewegung Fridays for Future gründete sich vor mehr als zwei Jahren. Nach dem Vorbild der Schwedin Thunberg wurden weltweite Schulstreiks ins Leben gerufen, um darauf hinzuweisen, dass die Zeit knapp wird, irreversible Schäden durch die Erhitzung des Planeten zu verhindern. Im September 2019 zogen die Klimademonstrationen riesige Menschenmengen auf der ganzen Welt an, darunter nach Angaben der Organisatoren 1,4 Millionen Demonstrierende allein in Deutschland.
cw/gri (afp, dpa, epd)
Extremwetterkongress 2021: Der Klimawandel ist real
In Hamburg findet derzeit der jährliche Extremwetterkongress statt. Meteorologen und Klimaforscher hatten vorab eine einfache Nachricht: Wir sind uns einig über die Ursachen des Klimawandels.
Bild: Fotolia/Daniel Loretto
Normales Wetter oder schon Klima?
Der Hurrikan Olaf, der hier Anfang September über Baja California tobt, ist ein normales Wetterphänomen. Aber Extremwetterlagen treten weltweit immer häufiger auf, weil der Klimawandel in vollem Gange ist. Die Organisatoren des Extremwetterkongresses haben unter anderen mit dem Deutschen Wetterdienst, der Meteorologischen Gesellschaft und Helmholtz-Klimaforschern Basisfakten dazu veröffentlicht.
Hurrikan Nicholas traf praktisch zeitgleich mit Olaf auf die US-Küste bei Texas. Das aber ist kein Zufall mehr. Die deutschen Meteorologen und Klimaforscher fassen ihre Nachricht in knappen Worten zusammen: Der Klimawandel ist real und gefährlich. Die Fachleute sind sich einig, dass wir Menschen die Ursache sind. Und: Wir können noch etwas tun!
Bild: Annie Rice/AP/picture alliance
Extremwetter in Echtzeit
Angesichts der wachsenden Gefahr durch Hurrikane und Waldbrände warnt Präsident Joe Biden, es sei "Alarmstufe Rot für unsere Nation". Extreme Wetterereignisse haben in den USA in 2020 Rekordkosten von 100 Milliarden Dollar verursacht. "Wissenschaftler warnen uns seit Jahren davor, dass extremes Wetter noch extremer werden wird. Wir erleben es jetzt in Echtzeit."
Bild: Fotolia/Daniel Loretto
Überlastete Infrastruktur
Tropenstürme führen gigantische Wassermengen mit sich. China erlebte in diesem Sommer ebenfalls mehrfach schweren Starkregen. Ende August mussten die Betreiber der Xiaolangdi-Talsperre am Gelben Fluss in der Provinz Henan alle Schleusen weit öffnen, um nach heftigen Regenfällen den Druck auf den Stausee zu verringern.
Bild: Jia Fangwen/Costfoto/picture alliance
Niederschläge zerstören Lebensgrundlagen
Die Menschen in Hunan hatten schon einen Monat zuvor mit schweren Überflutungen zu kämpfen gehabt. Hier retten Helfer Bewohner der Stadt Weihui mit schwerem Gerät aus ihren überfluteten Stadtteilen.
Bild: Str/Getty Images/AFP
Eine Schneise der Zerstörung
Global gesehen reihen sich die Überflutungen in den deutschen Bundesländern Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen in eine ganze Reihe von Hochwasserkatastrophen ein. Für Deutschland waren die Niederschläge im Juli ungewöhnlich heftig. Die Bilder aus dem fast völlig zerstörten Ort Schuld an der Ahr überschatten in diesem Jahr den Hamburger Extremwetterkongress - wie eine Mahnung zum Handeln.
Bild: Wolfgang Rattay/REUTERS
Vorsicht vor der Macht der Natur
Ungewöhnliche Bilder aus Bayern: Ein Tornado wirbelt Anfang August den Bodensee bei Friedrichshafen auf. Höhere Temperaturen, mehr Verdunstung und stärkere Wolkenbildung bringen auch mehr Tornados mit sich. Diese werden im Durchschnitt damit auch stärker.
Bild: Dr. Christoph Sommergruber/dpa/picture alliance
Dächer abgedeckt
Verstörende Bilder auch aus der Tschechischen Republik: Eine Schneise der Verwüstung hinterließ ein solcher Tornado Ende Juni im Dorf Moravská Nová in Südmähren..
Bild: Regionalbüro der Region Südmähren
Die andere Seite: Trockenheit
Auch Dürren werden durch den Klimawandel verstärkt. In Afghanistan verschärft die extreme Trockenheit in diesem Sommer die ohnehin schon verzweifelte Lage vieler Menschen. Vom Kabul-Fluss ist kaum noch etwas zu sehen außer einer schlammigen Pfütze. Das UN-Welternährungsprogramm warnt: 14 Millionen Menschen - ein Drittel der Bevölkerung - sind vom Hunger bedroht.
Bild: Ton Koene/VWPics/UIG/imago
Ackerbau im Staub
Unter ganz ähnlichen Bedingungen leiden die Bauern im Süden Angolas. DW-Korrespondent Nelson Camuto hat dieses Bild Ende August aufgenommen. Nach Schätzung der Diakonie-Katastrophenhilfe sind weltweit 41 Millionen Menschen vom Hunger bedroht. Die meisten davon durch Extremwetterereignisse. Kriege und die Corona-Krise haben viele Menschen zusätzlich von der Lebensmittelversorgung abgeschnitten.
Bild: Nelson Camuto/DW
Nachrungsmittel weggefressen
Verschärft wurde die Lage in großen Teilen Subsahara-Afrikas auch durch mehrere Heuschreckenplagen seit 2020. Nach Schätzung der UN-Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation FAO breiten sich die gefräßigen Insekten begünstigt durch den Klimawandel zunehmend in bergigeren Regionen aus, wo sie zuvor nicht solch starke Schäden angerichtet haben.
Bild: Baz Ratner/REUTERS
Waldbrände als Dauerzustand
Jahr für Jahr übertreffen sich weltweit die Meldungen über Waldbrände mit neuen Superlativen. Ob in Australien, Russland, Nordamerika (wie hier das Dixie-Feuer bei Taylorsville, Kalifornien) oder im Mittelmeer-Raum, wo es dieses Jahr besonders Griechenland, die Türkei und Spanien schwer getroffen hat. Auch darum geht es beim Extremwetterkongress in Hamburg.