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Politik

Schulz' Abgang: Eine Presseschau

10. Februar 2018

Martin Schulz wird nun doch nicht Außenminister - und bei der SPD herrscht Schockstarre. Doch wer ist dafür verantwortlich? Darüber streiten sich deutsche und internationale Medien. Eine Übersicht.

Außerordentlicher SPD-Parteitag  SPD-Parteivorsitzender Martin Schulz
Bild: picture alliance/dpa/F. Gambarini

Es war das Ende eines monatelangen Sturzfluges: Am Freitagnachmittag gab der scheidende SPD-Vorsitzende Martin Schulz seinen Verzicht auf das Amt des Außenministers bekannt. "Durch die Diskussion um meine Person sehe ich ein erfolgreiches Votum gescheitert", erklärte er mit Blick auf den bald anstehenden Mitgliederentscheid zum Koalitionsvertrag mit der Union. Für die SPD steht viel auf dem Spiel, nicht nur Martin Schulz scheint mit großer Sorge auf die am 20. Februar startende Abstimmung aller SPD-Mitglieder zu blicken. Auch die deutschen und internationalen Medien sehen die Vorgänge bei den Sozialdemokraten als dramatisch an. Dabei geht es nicht nur um die Fehler von Schulz, auch die Partei als Ganzes wird kritisch unter die Lupe genommen. 

Aberwitzig scheinen die Bemühungen, die der SPD-Politiker zuletzt auf sich genommen hat, um in Amt und Würden zu bleiben, urteilen einige Medien. So schreibt die "Augsburger Allgemeine" zum Verzicht Schulz' auf den Chefposten im Auswärtigen Amt: "Schulz fing an als einer, der sich nicht verbiegen lassen wollte. Und er endet als einer, dem die absurdesten Verrenkungen nicht zu peinlich waren, um seine eigene Karriere zu retten." In Anlehnung an die Kunstfigur von David Bowie schreibt die italienische Zeitung "La Repubblica", Schulz sei der "Ziggy Stardust" der deutschen Politik: "Der Alien, der vor einem Jahr von Brüssel nach Berlin katapultiert wurde und wie ein Gott einer führungslosen Partei gefeiert wurde. Er wurde in tausend Stücke gerissen."

Von fehlender Gefolgschaft bis zur Opfergeste 

Die "Süddeutsche Zeitung" rätselt dagegen, was Schulz letztendlich zum Verzicht animiert haben könnte: "Einige Parteifreunde sollen Schulz in den vergangenen Tagen an Scharpings Satz erinnert haben. (Anmerkung der Redaktion: Dieser Satz lautet: "Manches hat bitter weh getan... aber wir haben eine Aufgabe, die wichtiger ist als wir selbst") Vielleicht hat ihn das von seinem Vorhaben abgebracht, nach dem Job des Außenministers in einer möglichen neuen großen Koalition zu greifen, obwohl er doch versprochen hatte, niemals in ein Kabinett unter Kanzlerin Merkel einzutreten. Vielleicht war es der Sturm der Entrüstung, der öffentlich über Martin Schulz hinwegbrauste. Und sicher hat eine Rolle gespielt, dass ihm nun, was längst überfällig war, andere Spitzengenossen die Gefolgschaft aufgekündigt haben."

Bundeskanzlerin Angela Merkel und Martin Schulz: Opferte sich Schulz für die große Koalition? Bild: picture-alliance/dpa/B. von Jutrczenka

Die spanische Onlinezeitung "El Español" glaubt, dass sich Schulz selbst geopfert habe, um die große Koalition zu retten. "Seit Beginn der turbulenten Koalitionsverhandlungen haben sich die Sozialdemokraten selbst zerfleischt, und der europäische Ex-Präsident des europäischen Parlaments hat einen Gutteil seiner Glaubwürdigkeit und seines politischen Vermächtnisses in der Eurokammer verloren." Mit dem Außenamt verzichte er auf den Posten, von dem er träumte, seit er Brüssel verließ, um in die deutsche Politik zurückzukehren. Kurzfristig scheine nun sein einziges Ziel zu sein, zu retten, was zu retten sei und den politischen Stillstand nicht zu verlängern. 

"Wie einen räudigen Hund vom Hof gejagt" 

Für die meisten Medien scheint auch die SPD-Spitze einen großen Anteil an dem Chaos zu tragen. "Schulz hat keinen politischen Instinkt bewiesen", schreibt das Schweizer Fernsehen SRF auf seiner Internetseite. "Es ist aber nicht nur seine Schuld, sondern die der gesamten SPD-Führung. Sie hat Schulz aus dem Hut gezaubert und ihn im Wahlkampf fast ein bisschen als Puppe benutzt. Damit trägt sie Mitverantwortung."  

Martin Schulz und die designierte SPD-Chefin Andrea Nahles: "Alles auf Mitgliederentscheid ausrichten" Bild: Reuters/H. Hanschke

Für die Tageszeitung taz hat sich die SPD-Spitze nicht nur falsch, sondern auch schäbig verhalten. Sie fürchtet, dass sich dieses Verhalten auch bei anderen Entscheidungen wiederholen könnte: "Wie einen räudigen Hund hat sie Schulz jetzt vom Hof gejagt. Angst schlägt Anstand. Zu groß war offenbar die Sorge, dass die Personaldiskussion das beherrschende Thema bei der Entscheidung der Parteibasis über den Koalitionsvertrag sein würde. Dennoch darf man so mit Menschen nicht umgehen.(...) Aber wenn eine Partei selbst ihren einstigen Hoffnungsträger so kalt abserviert - wie wird sie dann Leute behandeln, die keine Lobby haben? Geflüchtete und Kinder aus ärmeren Familien?"

Warum Andrea Nahles Schulz nicht stützte 

Doch auch jenseits der Causa Schulz hagelt es Kritik an den Genossen: Medien attestieren der SPD einen Profilverlust - und blicken voller Sorge auf die Zukunft. Für die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" haben die Sozialdemokraten vor allem ein Führungsproblem: "Sicher, es war falsch von Schulz, erst einen Kabinettsposten unter Merkel auszuschließen, dann aber mit aller Macht genau das durchzusetzen. Der Verzicht auf den Parteivorsitz hat dieses Glaubwürdigkeitsproblem nicht etwa gelöst, sondern noch verschärft. (...) Andrea Nahles wäre die Einzige gewesen, die Schulz in dieser Situation noch hätte halten können. Aber warum sollte sie das tun? Auf die Gefahr hin, den Mitgliederentscheid in den Sand zu setzen? Auf dessen Erfolg im Sinne der führungslosen SPD-Führung muss jetzt alles ausgerichtet werden. Denn eine Niederlage wäre eine politische Katastrophe."

Der "Kölner Stadt-Anzeiger" fürchtet, dass die SPD derzeit vorführe, "wie der Wille zur Ohnmacht den Willen zur Macht nicht nur deutlich überwiegt, sondern auch erheblich desaströser wirkt. Es ist nicht zu fassen, wie eine Partei sich ohne Not derart entmachtet." Laut der "Neuen Zürcher Zeitung" leidet die SPD unter einem Profilverlust, weil sie zwischen "linksorientierter Programmatik und pragmatischem Regierungshandeln" schwanke. "Dies - und nicht das Machtspiel der Kanzlerin - ist der Grund, weshalb die SPD in Umfragen keine 20 Prozent mehr erreicht. Hinzu kommt, dass die kurze Amtszeit ihres Vorsitzenden Martin Schulz ein einziger nicht enden wollender Niedergang war."

Und in den sozialen Netzwerken?  

Auch in den sozialen Netzwerken gingen die Diskussionen rund um Schulz' Verzicht auf das Außenministeramt hoch her. Politiker und Medien reagierten mit Ratlosigkeit wie zum Beispiel der frühere Grünen-Chef Cem Özdemir, der an die an hohen Erwartungen vor rund einem Jahr mit einem alten "Spiegel"-Titelbild erinnerte.

SPD-Justizminister Heiko Maas und FDP-Chef Christian Lindner gratulierten Schulz zu seiner Entscheidung - ohne auf einen Seitenhieb in Richtung SPD verzichten.

 

Die Satiresendungen "ZDF heute-show" und "extra 3" nahmen es wie gewohnt mit Humor und zeigten noch einmal, wie absurd die vergangenen Wochen wohl für alle Genossen waren. 

 

(mit dpa, afp, Twitter) 

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