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Politik

Schutzzonen: Keine garantierte Sicherheit

24. Oktober 2019

Eine international kontrollierte Schutzzone in Syrien? Die Realpolitik widerspricht dem Vorschlag der Bundesverteidigungsministerin. Zudem wäre der Schutz für Zivilisten nicht garantiert, wie die Geschichte gezeigt hat.

UN Mission MINUSMA Bundeswehrsoldat
Bild: picture-alliance/dpa/M. Kappeler

Eine Schutzzone in Nordsyrien unter internationaler Kontrolle: Diesen Vorschlag machte Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer am Montag in einem Interview mit der Deutschen Welle. Seitdem diskutiert Deutschland kontrovers über diesen überraschenden politischen Vorstoß. Während die Bundesrepublik ihre Position noch sucht, schaffen die tonangebenden Akteure im Syrienkonflikt Fakten. In der Schwarzmeer-Stadt Sotchi vereinbarten die Regierungschefs Russlands und der Türkei, Vladimir Putin und Recep Tayyip Erdoğan, die Verlängerung der Waffenruhe und gemeinsame Patrouillen entlang eines 30 Kilometer breiten Gebiets in Syrien, in das türkische Truppen einmarschiert sind.

AKK für Sicherheitszone

13:05

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Seit Beginn des Konflikts wird von verschiedenen Akteuren, insbesondere der Türkei, die Einrichtung einer Sicherheitszone für syrische Bürgerkriegsflüchtlinge entlang der syrisch-türkischen Grenze gefordert. Das Konzept von Puffer-, Schutz-, oder Sicherheitszonen ist kein neues, sondern wurde bereits früher mehrfach angewendet. Der Blick in die Vergangenheit offenbart aber auch, dass nicht alle herausragenden Missionen von Erfolg gekrönt waren.

Erste Pufferzone im Nahost-Konflikt

Aus den Erfahrungen der Schrecken des Zweiten Weltkriegs entwickelten die Vereinten Nationen erste Ideen und Initiativen zum Schutz der Bevölkerung in Kriegs- und Konfliktgebieten. Im Fokus stand zunächst der Nahe Osten. Im Jahre 1948 entsandte der Weltsicherheitsrat zum ersten Mal Militärbeobachter, um den Waffenstillstand im ersten militärischen Konflikt zwischen Israel, den Palästinensern sowie verschiedenen arabischen Nachbarstaaten zu überwachen und später eine Pufferzone einzurichten. Bei dieser wie späteren UN-Missionen war ein Waffenstillstand Vorbedingung.

Die Vereinten Nationen starteten die erste internationale Initiative für den Aufbau einer SchutzzoneBild: picture-alliance/landov/Alan Tannenbaum

"Das ursprüngliche Konzept der Blauhelm-Truppen war nicht, aktiv gegen einen Invasor vorzugehen und zu bekämpfen, sondern, dass man nach einem de facto Waffenstillstand die Konfliktparteien auseinander hält und auf dieser Weise eine Sicherheitszone etabliert", erklärt der emeritierte Professor für Völkerrecht, Christian Tomuschat, im DW-Interview. Bewaffnet waren die Blauhelme lediglich mit Handfeuerwaffen zur Selbstverteidigung.

Die Flugverbotszone im Nordirak

Spätestens in den 90er Jahren konkretisierte sich das Konzept internationaler Schutzzonen über die Vereinten Nationen hinaus. So richteten die USA, Großbritannien und Frankreich 1991 im Nordirak unter dem Namen "safe haven" eine Flugverbotszone ein, die sie militärisch robust und mit regelmäßigen Kontrollflügen durchsetzten.

Ein US-Kampfflugzeug während eines Kontrollflugs über dem NordirakBild: picture-alliance/dpa

Nach dem Ende des Zweiten Golfkriegs und des Rückzugs des Iraks aus Kuwait sollte die Flugverbotszone die kurdische und schiitische Bevölkerung des Landes vor den Aggressionen des irakischen Regimes unter Saddam Hussein schützen. Dies geschah anfangs noch ohne UN-Mandat und wurde erst später mit den Vereinten Nationen koordiniert. 1992 weiteten sie das Flugverbot auf den Süden des Landes aus, um eine Unterdrückung der in dieser Region lebenden schiitischen Minderheit zu verhindern. 

Das Massaker von Srebrenica

Für die Einrichtung von sogenannten safe areas während des Bürgerkriegs in Kroatien und Bosnien-Herzegowina 1993 gab es ein ausdrückliches Mandat des Weltsicherheitsrats. Die Durchsetzung der Schutzzonen übernahm die UN Protection Force (UNPROFOR), die  Schutztruppe der Vereinten Nationen. Sie sollte die bosnischen Muslime vor serbischen Angriffen schützen, die Verteilung der Hilfsgüter ermöglichen und den politischen Friedensprozess fördern.

Auch wenn durch diese safe areas Menschenleben gerettet werden konnten, lösten sie die mit ihnen verbundenen Hoffnungen nicht ein. Denn es kam zu einem der größten Massaker seit Ende des Zweiten Weltkriegs. Im Juli 1995 nahmen bosnisch-serbische paramilitärische Einheiten unter Führung des Militärchefs Ratko Mladić die bosnische Stadt Srebrenica ein. Wie der internationale Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien festhielt, ermordeten sie mehr als 7.000 muslimische Männer und Jungen im Alter von 13 bis 78 Jahren. In anderen Berichten wird die Opferzahl noch höher eingeschätzt.

Der Friedhof für die Opfer des Massakers von SrebrenicaBild: DW/Z. Ljubas

Seitdem steht Srebrenica symbolhaft für eines der größten Versagen der Weltgemeinschaft, Menschenleben unter Kriegsbedingungen zu schützen. "Ein Völkermord unter den Augen der UN", urteilt der Völkerrechtler wie Tomuschat. Das Mandat der UNPROFOR sei zunächst sehr eng begrenzt gewesen. Die Blauhelme "sollten tatsächlich nur einen bereits eingetretenen Friedensschluss kontrollieren und sichern, aber nicht auch gegen diejenige vorgehen, die Angriffe planten und verübten."

Der Völkermord in Ruanda

Ein noch größerer Schrecken ist mit der 1994 eingerichteten "safe humanitarian zone" in Ruanda verbunden. Um dem Massaker der Volksgruppe Hutus an den Tutsis und der Massenflucht nach Zaire ein Ende zu bereiten, errichtete eine französisch-senegalesische Militärkoalition auf Grundlage einer Sicherheitsratsresolution im Südwesten Ruandas eine Sicherheitszone.

Trotz der Informationen über Todeslisten, die die Hutu-Regierungspartei über Angehörige der Tutsi erstellt hatte und die den Vereinten Nationen vorlagen, kam es zu einem Alptraum. Vom 6. April bis Mitte Juli 1994 wurden mehr als 800.000 Menschen förmlich hingeschlachtet. In annähernd einhundert Tagen töteten Angehörige der Hutu-Mehrheit etwa 75 Prozent der in Ruanda lebenden Tutsi-Minderheit sowie Oppositionelle. Die 2.500 in Ruanda stationierten Blauhelme wurden noch während der laufenden Massaker abgezogen. Ein Schandfleck in der Geschichte der Vereinten Nationen.

Eine Besucherin in der Gedenkstätte für den Völkermord in RuandaBild: picture-alliance/dpa/S. Morrison

Dennoch glauben viele Experten für internationale Politik und Völkerrechtler wie Christian Tomuschat grundsätzlich an das Instrument Schutzzone. Vorausgesetzt, es werde ein Mandat vereinbart, das wirklich in der Lage sei, Zivilbevölkerung und Flüchtlinge zu schützen. "Der Sicherheitsrat ist verpflichtet, für den Weltfrieden und für die internationale Sicherheit zu sorgen und auch die Menschenrechte zu schützen." Es gebe bei der Ausgestaltung eines solchen Mandats weder von der Charta der Vereinten Nationen noch von der bisherigen Praxis her  irgendwelche Hindernisse.

Die Realpolitik als Bremse

"Man kann, wenn man will! Wenn man die Beteiligten wirklich zu einem Konsens bringt", betont Tomuschat. Doch letzteres dürfte in Bezug auf Syrien kaum zustande kommen: Russland würde im Sicherheitsrat sein Veto einlegen, die NATO wegen ihres Mitgliedslandes Türkei auf der Stelle treten. Und das Brexit-geschwächte Europa – das steckt als ernstzunehmender außenpolitischer Akteur noch in den Kinderschuhen.

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