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Projekt gegen Rassismus

Bettina Kolb3. August 2015

Deutsch sein, was heißt das eigentlich? Ein multimediales Filmprojekt spürt schwarzen Biographien in Deutschland nach und zeigt: Es ist an der Zeit, mit Vorurteilen und Rassismus aufzuräumen.

Jermain und Laurel Raffington, Regisseure und Initiatoren von "Schwarz Rot Gold" (Bild: Jermain Raffington)
Jermain und Laurel Raffington, Regisseure und Initiatoren von "Schwarz Rot Gold"Bild: Jermaine Raffington

Marie Nejar ist eine zierliche, elegante Dame von 85 Jahren und sehr dynamisch. Sie spricht mit Hamburger Akzent, trägt ein schwarzes Kleid mit weißem Spitzenkragen - eine typisch deutsche Großmutter. Marie Nejar ist schwarz. "Ich bin typisch deutsch, ich bin preußisch deutsch erzogen von meiner lieben Großmutter", sagt sie und lächelt verschmitzt. Marie Nejar ist eine von zehn Afro-Deutschen, die die Filmemacher Laurel und Jermain Raffington für das Projekt "Schwarz Rot Gold" porträtiert haben.

Marie Nejar, Afro-Deutsche, geboren 1930Bild: Jermaine Raffington

Nejars Großmutter entstammt einer großbürgerlichen Familie und verliebt sich in einen Kreolen aus Martinique. Die Familie verstößt sie. Marie Nejars Vater ist ein Schiffs-Stewart aus Ghana. Als Kind wächst sie im Hamburger Viertel St. Pauli bei der Großmutter auf und übersteht die Nazi-Zeit. Auch dank des Einsatzes vieler Deutscher, die Marie Nejar akzeptieren und schützen. Sie spielt schließlich auf Anweisung Goebbels in NS-Propagandafilmen exotische Komparsen-Rollen, nach dem Krieg arbeitet sie als Krankenschwester.

Was steckt unter dieser Haut?

Der 1925 geborene Theodor Wonja Michael, Sohn einer deutschen Mutter und eines afrikanischen Vaters aus der damaligen deutschen Kolonie Kamerun, kennt es nur zu gut, dass ihm sein Deutsch-Sein wegen der Hautfarbe oft abgesprochen wurde. "Ich sehe schwarz aus", sagt Theodor Wonja Michael, "aber was steckt unter dieser Haut?" Schon als Kind erlebt er Rassismus. Nach dem Tod seiner Mutter, während der Weimarer Republik, muss er an den sogenannten Völkerschauen teilnehmen. Muss durchs Land tingeln: "Ich nenne es Baströckchen-Zeit. Man spielte Afrika." Michael arbeitet später als Schauspieler, als Journalist, für den BND. Feinfühlig und klug spüren die Video-Porträts dem Rassismus der Vergangenheit nach.

Theodor Wonja Michael, Afro-Deutscher, geboren 1925Bild: Jermaine Raffington

Aber: Auch im Jahr 2015 tun sich viele im Land schwer damit zu akzeptieren, dass deutsche Identität nicht durch die Hautfarbe bestimmt wird. "Du bist nicht anders, du wirst nur anders gesehen! Das ist nämlich der Unterschied. Das ist ja das Gefährliche daran, dass man sich selbst dann so betrachtet, wie die anderen einen betrachten. Und es gibt keinen dunkelhäutigen Menschen, der da ohne Verwundungen und Narben davon kommt", sagt Michael in seinem knapp 15-minütigen Video-Porträt.

Afro-Deutsche Kultur ist seit Generationen Teil der deutschen Geschichte. Die weiße Mehrheits-Gesellschaft ist sich dessen kaum bewusst, einer der Gründe für Regisseur Jermain Raffington, das Projekt zu starten. Ein anderer ist sehr persönlich. Als Sohn einer Deutschen und eines Jamaikaners wächst er in Hamburg auf, wird zunächst Basketballprofi. Immer wieder muss er erklären, "wo er eigentlich herkommt", fragt nach der eigenen Identität: "Ich war auf der Suche nach Vorbildern. Wir wollen positive Vorbilder außerhalb der Klischees schaffen."

Zunächst sind zehn Porträts geplant, die ersten fünf sind fertig produziert. Sie zeigen erfolgreiche, prominente Afro-Deutsche, die aufgrund ihrer spannenden Biografien genau diese Vorbilder für junge Menschen sein können. Ein Querschnitt durch die deutsche Gesellschaft. Fußballprofi Jérome Boateng hat ebenso zugesagt, wie die Filmemacherin Mo Asumang. Kevin John Edusei, Chefdirigent der Münchner Symphoniker, ist dabei, außerdem eine CDU-Stadträtin aus Freiburg, eine Professorin, ein Hauptmann der Bundeswehr.

Patrick Mushatsi-Kareba: "Wir sind alle deutsch, egal ob wir blau, gelb, grün oder schwarz sind."Bild: Jermaine Raffington

Wir sind alle deutsch

Patrick Mushatsi-Kareba, Leiter eines großen Musikanbieters, sagt: "Wir sind alle deutsch, weil wir hier leben, egal ob wir blau, gelb, grün oder schwarz sind." Mushatsi-Kareba ist im Frankfurter Viertel Goldstein aufgewachsen, ein Arbeiterviertel, das schon in den 1980er Jahren "ein Meltingpot war, bevor der Begriff in Deutschland populär wurde", sagt er. Sein Vater, der aus Burundi stammt, hat die Familie früh verlassen. Die Mutter, eine Italienerin, hat wieder geheiratet und so wuchs der Sohn in einer "typisch italienischen Gastarbeiterfamilie" auf. Trotz multikulti Umgebung: Auch er hat, wie alle Protagonisten, Erfahrungen gemacht mit Ablehnung, Anfeindung – eine bisweilen offene, manchmal subtile Ausgrenzung im Alltag. Für den studierten Politologen ist Bildung der einzige Weg, das zu ändern. "Heute kann sich keine Gesellschaft mehr leisten zu sagen, wir sind tolerant, aber…", sagt Mushatsi-Kareba.

Aber genau wie Jermain Raffington sieht er Deutschland auf einem guten Weg. "Schwarz Rot Gold", wird unter anderem vom Auswärtigen Amt, dem medienboard Berlin-Brandenburg und der Initiative DeutschPlus gefördert. Den Regisseuren Laurel und Jermain Raffington sind eindringliche, persönliche Porträts gelungen, die einen Teil der deutschen Gesellschaft zeigen, der von der Mehrheit bisher viel zu wenig wahrgenommen wird. Die Filme haben das Potential wachzurütteln. "Das Problem ist nicht nur Rechtsradikalismus, es ist auch die Gesellschaft, die das duldet", sagt Jermain Raffington.

Keinen Widerspruch jedenfalls duldet Marie Nejar, diese so herzlich deutsche Großmutter, die in feinstem Hamburgerisch und mit einem kräftigen Lachen erklärt: "Was soll ich machen, ich bin durch und durch deutsch." Wer kann dieser charmanten Dame widersprechen? Schön, dass sie – wie alle anderen - Teil dieses Landes ist.

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