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Schwarzer Block und brutale Polizei

Astrid Prange16. August 2013

In Rio de Janeiro und Sao Paulo vergeht kein Tag ohne Demonstrationen. Doch die Zeit der friedlichen Proteste scheint vorbei zu sein. Es kommt immer häufiger zu Tumulten und Krawallen.

Brasilien Krawalle REUTERS/Pilar Olivares (BRAZIL - Tags: RELIGION POLITICS CIVIL UNREST TPX IMAGES OF THE DAY)
Bild: Reuters

Die Proteste in Brasilien haben sich verändert. Die Massendemonstrationen, die das Land im Juni in Alarmbereitschaft versetzten, sind bis auf weiteres ausgeblieben, obwohl viele Forderungen der Demonstranten nicht erfüllt wurden. Stattdessen liefern sich Aktivisten und Polizisten bei kleineren Protestaktionen mehrmals täglich gewaltsame Gefechte und sorgen in den Großstädten für ein angespanntes politisches Klima.

Auch die Gründe für die allgemeine Unzufriedenheit werden immer zahlreicher. Der anfängliche Ärger über teure WM-Stadien und Preiserhöhungen im öffentlichen Nahverkehr hat sich in eine allgemeine Unmut gegen Korruption, schlechte Schulen und Krankenhäuser, willkürliche Polizeigewalt, exzessive Steuern, Bürokratie und steigende Lebenshaltungskosten gewandelt.

"Es war klar, dass sich die Teilnahme an den Demonstrationen nicht in dem atemberaubenden Umfang fortsetzen würde", sagt Politikwissenschaftler Valeriano Costa. Nach den Massenkundgebungen im Juni hätten sich viele Studenten und Schüler erst einmal in den Urlaub verabschiedet. "Zurzeit dominieren Anarchisten und der Schwarze Block die Tagesordnung", erklärt Costa, der am Institut für Meinungsforschung der Universität von Campinas lehrt.

Brasiliens Polizei scheint mit der Deseskalation überfordert zu sein. "Es hat sich herausgestellt, dass die Polizei oft nicht wusste, wie man eine Demonstration auflöst, und das es an Grundkenntnissen fehlt", erklärt der Menschenrechtsbeauftragte von Amnesty International in Brasilien, Maurício Santoro. Sowohl die Militärpolizei in Rio als auch die in Sao Paulo hätten eingeräumt, dass sie Bedarf an Schulungen hätten.

Politische Infiltration

Sicherheitsexperte Antonio Flavio Testa von der Universität Brasilia hält den zunehmenden Vandalismus für politisch beabsichtigt. "Die Polizei in Rio de Janeiro hat schon Krawalle identifiziert, die von politischen Gruppen bezahlt wurden", erklärt er. "Dazu gehörten Gruppen aus dem extrem linken Spektrum, aber auch aus dem Umfeld der Arbeiterpartei PT." Professionelle Randalierer aus dem kriminellen Milieu seien ebenfalls vertreten.

Besonders verärgert zeigte sich Testa über den Ansturm von Aktivisten auf das syrisch-libanesische Krankenhaus in Sao Paulo am Dienstag (13.08.2013). Mitglieder des Volksforums für Gesundheit (Fórum Popular de Saúde) stürmten die Notaufnahme und lieferten sich Gefechte mit Sicherheitskräften und Militärpolizei. Das renommierte Krankenhaus, in dem viele Politiker behandelt werden, gilt als Inbegriff der privaten Gesundheitsversorgung, die im Gegensatz zur öffentlichen funktioniert.

"Die Polizei muss ermitteln, wer die Verantwortlichen für die Infiltration von gewalttätigen Aktivisten sind", fordert Testa. "Wenn sie es nicht tut, offenbart sie, dass dies politisch nicht gewollt ist". Testa sieht die berechtigte Kritik an Brasiliens schlechter öffentlicher Gesundheitsversorgung durch die Krawalle konterkariert. Sie trügen dazu bei, die Forderungen der Demonstranten zu diskreditieren und ein hartes Durchgreifen der Polizei zu rechtfertigen.

Hartes Durchgreifen: Ein Demonstrant wird vor dem Regierungspalast in Rio von der Polizei festgenommenBild: Reuters

Auch die brasilianische Presse berichtete über die politische Instrumentalisierung von Protesten. So gestanden Jugendliche, die bei einer Demonstration in der Stadt Vitoria wegen Beschädigung öffentlichen Eigentums festgenommen wurden, gegenüber der Tageszeitung "Folha de Sao Paulo", dass sie für ihre Teilnahme bezahlt worden wären. In Sao Paulo bezahlte nach Presseberichten die Gewerkschaft UGT (Uniao Geral dos Trabalhadores) Demonstranten für ihre Präsenz, um eine ausreichende Teilnahme an der Kundgebung zu sichern.

Brennende Busse

"Die Massendemos haben eine Schleuse für die aufgestaute Nachfrage nach sozialen und politischen Reformen geöffnet", erklärt Meinungsforscher Valeriano Costa aus Campinas. In Rio richtet sich die Wut in erster Linie gegen willkürliche Polizeigewalt in Armenvierteln. Zu Beginn der Woche zündeten Menschen in Rios Stadtteil Penha drei Busse an, um gegen den Mord eines 17-jährigen Bewohners zu demonstrieren. Das noch unaufgeklärte Verbrechen wird der Polizei angelastet.

Auch in Rios größter Favela "Rocinha" reißen die Proteste nicht ab, seitdem dort vor einem Monat ein Bewohner spurlos verschwand. Der Bauarbeiter Amarildo de Souza war von der Polizei mit einem Drogenhändler verwechselt und irrtümlich festgenommen worden. Seit dem Verhör fehlt jede Spur von ihm.

Mahnwache für den verschwunden Bauarbeiter Amarildo de Souza an der CopacabanaBild: Fernando Frazao/ABr

Wo ist Amarildo?

"Amarildo ist kein Einzelfall", erklärt Maurício Santoro von Amnesty International in Brasilien. "Wenn er vor einem Jahr verschwunden wäre, hätte sich niemand für ihn interessiert", meint er. "Amarildo wäre schlicht als ein weiteres Gewaltopfer in die Statistik eingegangen, wie so viele schwarze, verarmte Brasilianer."

Während in Rio die Ermittlungen im Fall "Amarildo" auf Hochtouren laufen, werden in den sozialen Netzwerken die Vorbereitungen für die geplanten Demonstrationen am 7. September, dem brasilianischen Nationalfeiertag, getroffen. Doch die Teilnahme wird wohl diesmal geringer ausfallen als im Juni. "Auch wenn in den Großstädten 200.000 bis 300.000 Menschen oder sogar eine Million zusammenkommen, wird die politische Schlagkraft nicht die gleiche sein", prognostiziert Experte Antonio Testa.

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