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Tierische Spenderorgane: Gefahr der Abstoßung

Gudrun Heise
11. Januar 2022

In den USA ist es Ärzten gelungen, einem Patienten ein Schweineherz einzusetzen, das genetisch manipuliert ist. Dieser große Erfolg in der Xenotransplantation stellt die Forscher aber weiterhin vor viele Fragen.

USA | Erstmals Schweineherz-Transplantation für einen Menschen
Sensationeller Erfolg: In den USA transplantierte ein Ärzteteam ein Schweineherz für einen MenschenBild: Tom Jemski/University of Maryland School of Medicine/picture alliance

Acht Stunden hatte die Operation am Herzen des 57-jährigen David Bennett gedauert. Ob der Eingriff am Freitag erfolgreich sein würde, wussten weder die Chirurgen noch der Patient. Für ihn aber war es die letzte Möglichkeit, weiterleben zu können.

Die Ärzte des Medical Centers der Universität von Maryland wagten die Operation mit Bennetts Einverständnis. "Ich weiß, es ist ein Schuss ins Blaue, aber es ist meine letzte Wahl", sagte der schwerkranke Patient. Für Bennett hatte es keine Aussicht auf ein menschliches Spenderherz gegeben. 

Das Spenderherz kommt vom Schwein

Bei der Xenotransplantation kommt vor allem das Schwein als Spender infrage, denn physiologisch sind die Organe des Schweins denen des Menschen ähnlich. Die größte Gefahr bei solchen Xenotransplantationen ist jedoch nach wie vor, dass das Tierorgan vom Menschen abgestoßen wird.

Mittlerweile haben Forschende es aber geschafft, einer Lösung dieses Problems näher zu kommen und zu erreichen, dass das menschliche Immunsystem das fremde Organ nicht mehr als Fremdkörper wahrnimmt. 

"Die Überlebenschancen des Empfängers sind schwer einzuschätzen", gibt Uta Dahmen vom Universitätsklinikum Jena zu bedenken. "Es ist bereits beachtlich, dass der Patient die ersten Tage nach dem Eingriff offensichtlich gut überstanden hat. Es bleibt abzuwarten, ob dieser Erfolg von Dauer ist."

Prinzipiell überraschend sei der Erfolg nicht, so die Einschätzung der Wissenschaftlerin. "Überraschend ist zu einem gewissen Grad der Zeitpunkt."

Forscher verändern die Gene

Um eine Abstoßung zu verhindern, verändern Wissenschaftler die Gene des Schweins, von dem das Spenderorgan stammt, um eine sogenannte hyperakute Abstoßung zu verhindern. Sie beruht darauf, dass die Zellen von Schweinen bestimmte Zuckermoleküle auf ihrer Oberfläche tragen, gegen die Menschen natürliche Antikörper besitzen. Diese reagieren nach einer Transplantation mit den Zuckermolekülen und zerstören das transplantierte Organ.

Es muss also eine genetische Veränderung vorgenommen werden und die passiert bereits in der Eizelle. Ein Gen muss entfernt werden, mit der CRISPR/Cas9-Schere ist das mittlerweile relativ unproblematisch. 

Insgesamt haben die Forscher drei Gene ausgeschaltet, die für die Abstoßungsreaktion verantwortlich sind. Ein weiteres Gen wurde inaktiviert, um zu verhindern, dass das Schweineherz übermäßig stark wächst. Aber es wurden nicht nur Gene deaktiviert. Sechs humane Gene haben die Forscher in das Erbgut eingeschleust, um die Immunakzeptanz zu erhöhen.

Ein Zuckermolekül führt auf die richtige Spur

Die Lösung besteht darin, diese Zuckermoleküle zu inaktivieren, die Tiere also genetisch zu modifizieren. Auch wenn die ersten Stunden und Monate für den Patienten gut verlaufen, bleibt die Gefahr einer Abstoßung bestehen. Auch noch Tage oder Monate nach der Operation kann das fremde Organ vom Körper abgelehnt werden, selbst wenn der Eingriff zunächst sehr erfolgreich schien.

Die Xenotransplantation eines Schweineherzens auf einen Menschen ist bislang einzigartig und lässt noch keine Rückschlüsse zu, wie der menschliche Körper langfristig reagiert. Konrad Fischer, Leiter der Sektion Xenotransplantation an der Technischen Hochschule München, ist aber äußerst zuversichtlich: "Grundsätzlich bietet die Xenotransplantation wesentliche Vorteile gegenüber der Mensch-zu-Mensch-Transplantation.

Die Organe von Schweinen und Menschen sind einander recht ähnlichBild: VPMS

Die Tiere können gezielt genetisch verändert werden, um Abstoßungsreaktionen zu verhindern. Auch können immunsuppressiv wirkende Substanzen direkt durch das Transplantat erzeugt werden. Die Haltung der Schweine kann unter standardisierten Bedingungen erfolgen, unter Ausschluss humanpathogener Viren und Bakterien", erläutert Konrad Fischer. Somit könne auf lange Sicht für jeden Patienten das passende Spenderorgan zur Verfügung gestellt werden, so Fischer weiter.  

Erfolgreiche Nierentransplantation

Bereits vor dieser Transplantation eines Herzens gab es ähnliche erfolgreiche Transplantationen von Tierorganen. So hatten Chirurgen in den USA einem Menschen erfolgreich eine Schweineniere eingepflanzt. Die Empfängerin war hirntot, die Operation wurde mit Einwilligung der Familie im Oktober 2021 durchgeführt. Es war ein Experiment, das einem Forscherteam an derNYU Langone Health gelungen war. Ein sehr erfreuliches und wegweisendes Ergebnis dieses Experiments war, dass es zunächst keine akuten Abstoßungsreaktionen gab. Aber auch hier fehlen langfristige Erfahrungen. 

Die Mediziner hatten die Spenderniere nicht komplett in den Körper eingesetzt, sondern lediglich die Blutgefäße der Empfängerin mit dem Spenderorgan verbunden. So konnten sie beobachten, wie sich die transplantierte Schweineniere verhält. Das war ein Schritt, aber eben noch keine komplette Xenotransplantation mit einem lebenden Menschen so wie die Herztransplantation, die jetzt durchgeführt wurde. 

"Bei dem aktuellen Versuch muss das Herz jedoch die vollständige Blutzirkulation im Patienten aufrechterhalten, was wesentlich anspruchsvoller ist", erklärt Fischer.

Die Herztransplantation ist eine Sensation

Die Transplantation eines Schweineherzens zum Menschen ist schon jetzt ein großer Erfolg, denn sie wurde an einem lebenden Menschen durchgeführt und ist ein Indiz dafür, dass Xenotransplantationen durchaus eine gute Lösung für diejenigen sein könnten, die dringend ein Spenderorgan benötigen. 

Insgesamt bewertet Fischer die Operation an Bennett als positiv. "Aus unserer Sicht ist dies ein großartiger Erfolg für die Xenotransplantation und die jahrzehntelangen Bemühungen, Abstoßungsreaktionen zu charakterisieren und diese durch genetische Modifikationen des Schweins zu verhindern. Die Xenotransplantation erreicht nun die klinische Anwendungsphase und kann das Leben zahlreicher Menschen retten", so die Einschätzung des Wissenschaftlers. Für eine abschließende Bewertung sei es allerdings noch zu früh. 

Ob die höchst experimentelle Operation tatsächlich ein langfristiger Erfolg sein wird, muss sich zeigen. Noch wissen weder der Patient noch die Chirurgen, wie lange das Schweineherz in Bennetts Körper schlagen wird.

 

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