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Der Super-GAU für Schweinebauern

Charlotte Voß
14. September 2018

In Belgien sind zwei Fälle der Afrikanischen Schweinepest aufgetreten. Bauern in Deutschland sind alarmiert - eine Ausbreitung könnte gravierende Folgen haben.

Deutschland Schweine im Stall
Bild: picture-alliance/dpa

"Die Vorbereitungen für den Krisenfall laufen." - "Wir nehmen die Lage sehr ernst." - So äußerte sich am Donnerstag Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) zu den in Belgien aufgetretenen Fällen der Afrikanischen Schweinepest (ASP). Nur 60 Kilometer hinter der deutsch-belgischen Grenze wurden zwei infizierte Wildschweine gefunden. So nah ist die Tierseuche Deutschland bisher noch nicht gekommen.

Höchste Alarmstufe also - vor allem bei den Schweinebauern. "Das ist für die betroffenen belgischen Kollegen der Super-GAU", urteilt Wilhelm Hellmanns vom Rheinischen Landwirtschaftsverband gegenüber der DW. Er hat selbst einen Schweinemastbetrieb und war schockiert von der Meldung: "Wir haben uns hier in Sicherheit gewogen."

Verbreitung durch den Menschen

Die Infektion stammt ursprünglich aus Afrika. Eine wirksame Bekämpfung, etwa durch Impfung, gibt es nicht. 

Bisher war die ASP vor allem in Osteuropa ein Problem. Sie tritt seit 2014 in den baltischen Staaten und Polen auf, in weiter östlich liegenden Ländern ist sie schon seit 2007 häufig. Allein in Polen wurden in diesem Jahr 2009 Fälle gemeldet, in Litauen waren es bisher 1251. In Rumänien hat die Krankheit das größte Ausmaß seit dem Zweiten Weltkrieg erreicht. Wie konnte sie von dort nach Belgien gelangen?

Schleswig-Holstein: Übung für den Fall, dass die Schweinepest ausbrichtBild: picture-alliance/dpa/C. Rehder

Für Sandra Blome vom Friedrich-Loeffler-Institut, dem Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit, kommen die Fälle in Belgien nicht gänzlich überraschend. Die Fachtierärztin für Virologie erklärt gegenüber der DW, es habe schon früher sogenannte Satellitenausbrüche gegeben, die sehr wahrscheinlich durch den Menschen verursacht wurden. Denn auch wenn die ASP für Menschen nicht gefährlich ist, tragen sie sie oft unfreiwillig über große Entfernungen weiter - etwa, wenn sie Fleisch- und Wurstwaren aus anderen Ländern über die Grenze bringen.

Das bestätigt auch Wilhelm Hellmanns und appellierte daran, keine Fleischprodukte aus der betroffenen Region nach Deutschland einzuführen. Schon ein weggeschmissenes Wurstbrot kann zur Ansteckungsquelle für Wildschweine werden. Das Landvolk Niedersachsen fordert Verbraucher deswegen dazu auf, an Rastplätzen keine Lebensmittelreste zu hinterlassen, die eventuell mit dem ASP-Virus infiziert sein könnten.

Auch Sandra Blome mahnt zu erhöhter Wachsamkeit - das Risiko einer Ausbreitung nach Deutschland sei hoch. Die Prävention in den Schweine haltenden Betrieben müsste überprüft und gegebenenfalls optimiert werden. Enorm wichtig sei zudem, die Hygieneverordnung strikt einzuhalten. Das betreffe auch Fahrzeuge, Stiefel, Lappen, Messer und Kleidungsstücke sowie alle Gegenstände, die mit Wild in Berührung kommen.

Die meisten Betriebe in Deutschland hielten die Tierhaltungsverordnung ein, um der Seuche vorzubeugen, sagt Landwirt Hellmanns. Aber: "Schützen kann man sich nur bedingt." Denn die Pest treffe zunächst immer die Wildschweine - und die seien nur schwer kontrollierbar.

Hellmanns forderte deswegen eine Erhöhung der Abschussquoten für Wildschweine. Sie würden mittlerweile zwar schon stärker bejagt. Doch die Population müsste noch mehr reduziert werden, denn im vergangenen Jahrzehnt hätte sie sich vervielfacht. Verendet aufgefundene Wildschweine müssen die Jäger den Veterinärbehörden melden. Über eine Website können aber auch alle anderen Bürger die Verantwortlichen benachrichtigen, wenn sie tote Tiere finden.

Gravierende wirtschaftliche Folgen

Für die belgischen Bauern hat die Schweinepest vor allem wirtschaftliche Folgen. "Die Vermarktung des Fleisches wird nun stark auf den belgischen Raum eingeschränkt", sagte Hellmanns - weil etwa Großaufträge aus anderen Ländern wegfallen. Das blühte auch den deutschen Betrieben, sollte ein Fall in ihrer Region auftreten. "Die volkswirtschaftlichen und gesellschaftlichen Auswirkungen eines Ausbruchs der Afrikanischen Schweinepest sind kaum vorstellbar. Bereits das Auftreten im Wildschweinbestand würde bedeuten, dass kein Schweinefleisch mehr in Drittländer, also in Länder außerhalb der EU, exportiert werden kann", warnte der Vizepräsident des Deutschen Bauernverbandes, Werner Schwarz, schon im Januar. 

Bild: picture-alliance/dpa/F. Rumpenhorst

Die direkt im Umfeld des ASP-Fundes liegenden Bauernhöfe trifft es am schlimmsten: Denn wird ein infiziertes Schwein gefunden, wird laut Hellmanns eine sogenannte Standstill-Zone mit einem Radius von 30 Kilometern eingerichtet. In diesem Bereich dürfen keine Schweine bewegt werden. Es darf also auch nicht gejagt werden, um infizierte Tiere nicht zu vertreiben. Für die Bauern aber heißt das vor allem: Sie dürfen auch kein Tier verkaufen - und zwar so lange nicht, bis in der Pufferzone über einen bestimmten Zeitraum keine Infektionen mehr festgestellt werden. Das kann mehrere Monate dauern. 

In Schleswig-Holstein hat man das Szenario eines Ausbruchs im Juni mit einer Tierseuchenübung geprobt, in Niedersachsen Ende August Für das Land wäre die ASP besonders gravierend: Hier werden über acht Millionen Hausschweine gehalten. 

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