Schweizer Boni auch für Deutschland?
4. März 2013Mehr als zwei Drittel der Schweizer stimmten am Sonntag für die "Volksinitiative gegen die Abzockerei". Diese will erreichen, dass künftig die Aktionäre von Unternehmen über die Gehälter an der Spitze entscheiden. Ein "Goldener Handschlag" beim Weggang aus einem Konzern und Begrüßungsmillionen vor dem Beginn eines Arbeitsverhältnisses sollen verboten werden.
Stimmen aus den Regierungsparteien
"Richtungsweisend" nannte der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, Michael Fuchs (CDU), den Beschluss der Schweizer. "Es ist besser, wenn die Aktionäre entscheiden, als wenn sich der Staat einmischt", sagte er der "Berliner Zeitung" (Montagausgabe). Es handele sich um ein marktwirtschaftliches Modell, das man auch im deutschen Aktienrecht verankern könnte.
Der nordrhein-westfälische FDP-Vorsitzende Christian Lindner kritisierte in diesem Zusammenhang die von der Deutschen Bank gezahlten Millionen-Provisionen für Banker. Lindner appellierte an das Verantwortungsgefühl. Man sollte für in Freiheit getroffene Entscheidungen Gründe angeben können, die vor Moral, Vernunft und Gemeinwohl Bestand haben", sagte Lindner dem "Handelsblatt".
FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle hält auch in Deutschland eine rasche Entscheidung für möglich. "Wir können auch in der Koalition noch vor der Bundestagswahl hier Zeichen setzen", sagte Brüderle am Montag vor einer Sitzung der FDP-Spitze in Berlin. Derweil kündigte Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) eine Prüfung der Schweizer Entscheidung an, ob und wie die deutschen Aktionärsrechte verbessert werden könnten: "Das finde ich einen interessanten und guten Ansatz." Brüderle betonte, Anteilseigner sollten in der Hauptversammlung bei der Manager-Bezahlung stärker mitreden können. "Wir waren immer dafür, dass die Eigentumsrechte gestärkt werden. Und die Eigentümer sitzen in der Aktiengesellschaft in der Hauptversammlung und nicht im Aufsichtsrat." In den Kontrollgremien der Konzerne handele bisher eine kleine Gruppe von Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern Gehälter und Boni der Topmanager aus. Das sei eine "Grauzone", kritisierte Brüderle.
Meinungen aus der Opposition
Skepsis gegenüber einer Kontrolle durch Aktionäre kam kam dagegen vom SPD-Vize-Fraktionschef Joachim Poß. Er sagte dem Blatt: "Der Volksentscheid sei ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung, um der Abzockerei im Management auch andernorts zu begegnen." Das Resultat sollte als Ermutigung für die Einführung der europäischen Richtlinie verstanden werden." Zwar könne die Entwicklung in der Schweiz nicht eins zu eins auf Deutschland übertragen werden, so Poß. Aber es gehe um den Grundsatz: "Die Menschen akzeptieren dieses perverse Boni-System nicht nur bei Banken, sondern auch in der Realwirtschaft nicht mehr." Zu Bedenken gibt er, dass viele Aktionäre renditegetrieben seien. "Das sind Investoren, Hedgefonds, deren Geschäftsmodell von den perversen Boni bestimmt wird." Die SPD sei weiter dafür, die Vergütung von Vorständen und die steuerliche Absetzbarkeit von deren Gehältern gesetzlich zu begrenzen.
Der finanzpolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Gerhard Schick, kommentierte in den Zeitungen: "Die schwarz-gelbe Koalition in Berlin sollte dieses Signal ernst nehmen. Wir brauchen auch in Deutschland stärkere Regeln gegen Gehaltsexzesse."
Zustimmung kam ebenfalls von den Linken. Katja Kipping, Linken-Parteichefin, sagte den Zeitungen der WAZ-Gruppe (Montagsausgaben): "Wir brauchen auch in Deutschland eine Diskussion über die Grenzen der Ungleichheit. Dass ein DAX-Vorstand 54-mal so viel verdient wie ein Angestellter, ist sachlich durch nichts als Gier zu begründen", sagte sie.
Zustimmung und Bedenken äußern Wirtschaftsexperten
Michael Hüther vom Institut der deutschen Wirtschaft in Köln sagte hingegen der "Bild"-Zeitung (Montagsausgabe): "Es ist gut, dass über die öffentliche Debatte Druck auf Unternehmen ausgeübt wird, ihre Kultur zu ändern. Aber statt mehr Gesetze brauchen wir mehr Aufsichtsräte und Vorstände, die selbst Verantwortung übernehmen."
Der Direktor des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts, Thomas Straubhaar, warnte in der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Montagsausgabe), staatliche Eingriffe seien grundfalsch: "Aus meiner Sicht müssen sich sowohl der Gesetzgeber wie auch die Öffentlichkeit aus der Lohnfindung in einzelnen privaten Betrieben völlig raushalten."
iw/ml (dpa, epd)