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Tunnelprojekt für den Güterverkehr

Franziska Scheven dpa
29. Januar 2020

Gar nicht einfach, das Tunnelbauen: in Rastatt sind dabei gerade Gleise eingebrochen, mit Riesenproblemen für den Güterverkehr bis in die Alpen. Die Schweizer sind darin Meister: sie planen gerade etwas ganz Großes.

Schweiz Pollegio Südeingang Gotthard Eisenbahntunnel
Bild: picture-alliance/dpa/S. Golay

Bescheiden ist der Schweizer Logistikexperte Peter Sutterlüti nicht gerade. "Wir wollen der Welt zeigen, wie man die Logistik der Zukunft macht", sagt der Chef des ambitionierten Cargo Sous Terrain-Projektes. Die Vision ist verwegen: ab 2045 sollen Millionen Tonnen Güter wie Tiefkühlpizzen, Rasenmäher, Lippenstifte, Baustoffe, Brot oder Käse unterirdisch durch die Schweiz an ihren Bestimmungsort gelangen.

Geplant ist ein 450 Kilometer langes Tunnelsystem, das die Städte innerhalb der Schweiz verbindet. Das Schicke: so ein Netz könne 40 Prozent des Güterverkehrs von der Straße übernehmen, glauben die Macher des Vereins Cargo Sous Terrain. Der französische Name heißt übersetzt etwa: unterirdische Fracht. In etwa 50 Metern Tiefe sollen elektrisch angetriebene Fahrzeuge auf Induktionsschienen laufen. An der Tunneldecke soll eine Seilbahn leichtere Fracht befördern, zum Beispiel Briefe und Pakete. Die geschätzten Kosten: 33 Milliarden Franken (rund 28,8 Milliarden Euro). 

Die Regierung steht dahinter und hat ein Gesetz versprochen, das grünes Licht für den Bau geben würde, sobald die Investitionskosten für die Planung des ersten Teilstücks gesichert sind. Die Finanzierung soll privat erfolgen. Beteiligt am Verein sind neben der Post auch die beiden größten Einzelhandelsketten Migros und Coop sowie Versicherungen, die Ware versichern. Die erste Teilstrecke des Tunnels von Zürich zur "Lagerhalle der Nation" ist in Planung. So heißt das Mittelland zwischen den Alpen und dem Jura-Gebirge, etwa je 60 Kilometer von den Städten Bern, Basel, Zürich und Luzern entfernt. Es ist ein Knotenpunkt für die gesamte Güterverteilung.

Das feste Lager wird flüssig

Die Post, die im Verwaltungsrat von Cargo Sous Terrain sitzt, hat dort, in Härkingen, ihr größtes Paketzentrum. Nebenan in Neuendorf steht das größte Logistikzentrum der Supermarkt-Kette Migros mit mehr als 80 000 Produkten. "Mit dem Cargo Sous Terrain wird das feste Lager, wie wir es kennen, überflüssig, da das ganze System wie ein Lager in Bewegung ist - 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche", sagt Sutterlüti. "Und niemand bekommt etwas davon mit, weil es unterirdisch verläuft."

An dem Problem des wachsenden Lastverkehrs mit seinem Lärm und der Umweltbelastung arbeiten viele. Die Schweden experimentieren in einem Stadtteil von Stockholm damit, Müll durch Rohre ins Unterirdische zu saugen und abzutransportieren. Der Bedarf für Müllwagen fällt weg. Beim Tunnel in Rastatt in Baden-Württemberg sollen die Anwohner vom Lärm entlastet werden. Dort brachen aber beim Tunnelbau die Schienen an der Erdoberfläche ein. Der Verkehr muss seit Wochen umgeleitet werden. Im Oktober soll die Reparatur fertig sein.

Der Anstieg des Güterverkehrs liegt auch am Onlinehandel

In der Schweiz hat der Güterverkehr laut Statistischem Bundesamt zwischen 2000 und 2015 um 19 Prozent zugenommen. Grund ist auch der wachsende Onlinehandel: im vergangenen Jahr wuchs er allein um gut acht Prozent, so das Marktforschungsinstitut GfK. Die Post beförderte sechs Prozent mehr Pakete, 122 Millionen Stück. Beigetragen dürfte auch der deutsche Onlinehändler Zalando, der seit 2011 offensiv in den Schweizer Markt drängt. Zwölf Millionen Pakete waren es im vergangenen Jahr, wie das Beratungsunternehmen Carpathia schreibt. "Durch Cargo Sous Terrain soll zusätzliche Kapazität geschaffen werden, wo die Engpässe auf Straße und Schiene am größten sind", sagt Oliver Flüeler von der Post. Die Waren sollen unterirdisch zum Stadtrand und von dort mit Transportern verteilt werden.

Doch wäre solch ein Projekt nicht aufwendig? Der erste Tunnel von knapp 70 Kilometern Länge würde drei Milliarden Franken kosten und könnte 2030 fertig sein, sagen die Planer. Sie müssen 100 Millionen Franken für die erste Projektphase aufbringen, bevor grünes Licht der Regierung kommt. Mit solchen Zahlen fühlen sich Skeptiker bestätigt. Tunnel gehörten zu den teuersten Infrastrukturbauten, sagt Daniel Müller-Jentsch von der Denkfabrik Avenir-Suisse. "Ein milliardenschwerer hardwarelastiger Lösungsansatz scheint im Zeitalter der Digitalisierung völlig unangemessen", sagt er. Dank neuer Technologien könne die Logistik-Software verbessert werden. Zudem können Elektroautos und bald wohl selbstfahrende Autos den steigenden Warenverkehr umweltfreundlicher bewältigen. Ein komplett neues Tunnelsystem sei daher unnötig.

 

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