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Politik

Schwere Kämpfe in der Region Berg-Karabach

27. September 2020

Seit rund 30 Jahren schwelt zwischen Armenien und Aserbaidschan der Konflikt um die Region Berg-Karabach. Nun kam es wieder zu Kämpfen - den schwersten seit 2016. Beide Seiten verhängen das Kriegsrecht.

Zwei Panzer auf einer Ebene und eine Rauchwolke
Das Bild des armenischen Verteidigungsministeriums soll die Zerstörung aserbaidschanischer Panzer zeigenBild: Armenian Defense Ministry/AP/picture alliance

Wie der DW-Korrespondent aus Eriwan berichtet, haben sich in der armenischen Hauptstadt im Zentrum Menschen versammelt, die bereit sind, an die Front zu gehen.

Der Ministerpräsident Armeniens, Nikol Paschinjan, teilte via Twitter mit, "die armenische Seite" habe zwei aserbaidschanische Militärhubschrauber und drei Drohnen abgeschossen sowie drei Panzer zerstört. Es gibt keine gesicherten Angaben dazu, ob der Abschuss vom armenischen Militär oder den Rebellen in der selbsternannten Republik Berg-Karabach durchgeführt wurde.

Die Aggressionen gingen zunächst von Aserbaidschan aus, heißt es von den Rebellen. Demnach bombardierte die aserbaidschanische Armee die mehrheitlich von Armeniern bewohnte Region am frühen Sonntagmorgen. Dabei seien auch Ziele in Berg-Karabachs Regionalhauptstadt Stepanakert angegriffen worden. "Das hat es seit den 1990er Jahren nicht mehr gegeben", sagt ARD-Journalistin und Kennerin der Region, Silvia Stöber, der Deutschen Welle.

In der armenischen Hauptstadt Eriwan versammeln sich Freiwillige und Armeeangehörige, um in Berg-Karabach eingesetzt zu werdenBild: Melik Baghdasaryan/Tass/dpa/picture alliance

Das aserbaidschanische Verteidigungsministerium wiederum teilte mit, es habe eine "Gegenoffensive gestartet, um Armeniens militärische Aktivitäten zu stoppen und die Sicherheit der Bevölkerung zu gewährleisten". Armenien und Berg-Karabach verhängten das Kriegsrecht.

Tote und Verletzte auf beiden Seiten

In Berg-Karabach wurden nach offiziellen Angaben 16 Soldaten durch Beschuss getötet und mehr als hundert verletzt. Aserbaidschan teilte mit, dass es fünf Tote und Verletzte in den eigenen Reihen gebe. Unter den Opfern sind nach Angaben des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz auch Zivilisten. 

Russland rief derweil zu einer sofortigen Waffenruhe in der Region auf. Frankreich appellierte - wie die EU - an Armenien und Aserbaidschan, sofort zu Verhandlungen zurückzukehren. Unter der Leitung von Frankreich, Russland und den USA bemüht sich die sogenannte Minsker Gruppe der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) seit 1994 um Vermittlung. Sie sind jedoch seit längerem in einer Sackgasse. Die Türkei rief nur Armenien dazu auf, seine "feindliche Haltung" aufzugeben. Ankara ist ein wichtiger Verbündeter Aserbaidschans.

Auch Bundesaußenminister Heiko Maas hat nach dem neuen Aufflammen des Konflikts eine sofortige Einstellung der Kämpfe gefordert. Er sei alarmiert über die erneuten, massiven Auseinandersetzungen zwischen beiden Ländern und Berichte über zivile Opfer auf beiden Seiten. "Ich rufe beide Konfliktparteien dazu auf, sämtliche Kampfhandlungen und insbesondere den Beschuss von Dörfern und Städten umgehend einzustellen", sagte der SPD-Politiker nach Angaben seines Ministeriums in Berlin.

 

Nach Einschätzung von Silvia Stöber unterstützt die Türkei Aserbaidschan mehr als in den vergangenen Jahren. "Das könnte die Führung in Aserbaidschan motivieren, die Situation zu eskalieren." Außerdem gebe es russische Waffenlieferungen an Armenien. "Die Türkei und Russland könnten also weit mehr als in vergangenen Jahren in dem Konflikt mitmischen", sagt die Kennerin der Region.

Konflikt seit Zerfall der Sowjetunion

Die beiden Kaukasus-Staaten Armenien und Aserbaidschan befinden sich seit fast 30 Jahren in einem Konflikt um die Kontrolle über die Region Berg-Karabach. Das mehrheitlich von Armeniern bewohnte Berg-Karabach war zu Sowjetzeiten Aserbaidschan zugeschlagen worden. Pro-armenische Rebellen brachten das Gebiet Anfang der 1990er Jahre unter ihre Kontrolle. Bei den Kämpfen starben rund 30.000 Menschen.

Auch die Stadt Stepanakert - hier eine Aufnahme von 2016 - wurde nach Rebellen-Angaben von Aserbaidschan angegriffenBild: Zuma/imago images

1991 rief Berg-Karabach seine Unabhängigkeit aus, es hat ein eigenständiges politisches System mit Verfassung entwickelt. International wird das Gebiet jedoch bis heute nicht als eigenständiger Staat anerkannt. Die islamisch geprägte Republik Aserbaidschan fordert die Rückgabe der ausschließlich von Karabach-Armeniern bewohnten Region. Das christlich geprägte Armenien kann sich auf Russland als Schutzmacht berufen, die dort Tausende Soldaten und Waffen stationiert hat.

In den vergangenen Wochen war der Konflikt zwischen Armenien und Aserbaidschan erneut aufgeflammt. Beide Seiten warfen sich gegenseitig vor, Dörfer im Grenzgebiet angegriffen zu haben. Im Juli starben mehr als zwölf Militärangehörige bei Eskalationen an der Grenze, auch wenn es dabei nicht um die umstrittene Region ging. Zuletzt hatte es im April 2016 heftige Kämpfe zwischen Armenien und Aserbaidschan um Berg-Karabach gegeben. Dabei starben mehr als hundert Menschen. 2010 war die bislang letzte große Initiative für einen Frieden zwischen Eriwan und Baku gescheitert.

ust/fab (afp, rtr, ap, DW, Twitter)

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