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PolitikSudan

Kämpfe zwischen Armee und Miliz im Sudan

16. April 2023

Die Opferzahlen steigen, UN-Helfer ziehen sich zurück: Neue Gewalt stürzt den Sudan in eine tiefe Krise. Seit gestern bekämpfen sich die reguläre Armee und die paramilitärische Miliz - mit weiter offenem Ausgang.

Hinter mehrgeschossigen Wohnblocks steigt dichter schwarzer Rauch auf
Dichter schwarzer Rauch hängt über der Hauptstadt KhartumBild: AFP

Aus der Hauptstadt Khartum werden anhaltende Kämpfe gemeldet. Zuvor hatte der UN-Sondergesandte für den Sudan, Volker Perthes, von einer dreistündigen Gefechtspause berichtet, auf die sich die beiden rivalisierenden Gruppen geeinigt hätten. Unter anderem wurde laut Berichten rund um den Internationalen Flughafen sowie nahe dem staatlichen Fernsehsender weiter gekämpft. Die Übertragung des Senders wurde aus unbekannter Ursache unterbrochen.

Infolge der schweren Kämpfe stellt das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen einstweilen die Arbeit im Sudan ein. Drei WFP-Mitarbeiter seien getötet und zwei weitere verletzt worden, als sie in der Ortschaft Kabkabiya in Nord-Darfur Hilfsgüter ausgegeben hätten, teilte die Organisation mit. WFP-Exekutivdirektorin Cindy McCain forderte "sofortige Schritte", um die Sicherheit weiterer WFP-Mitarbeiter im Sudan zu gewährleisten.

Schwere Kämpfe schon seit Samstag

Den zweiten Tag schon stehen sich die sudanesische Armee von Machthaber General Abdel Fattah al-Burhan und die Kämpfer seines Vize Mohammed Hamdan Daglo, Anführer der paramilitärischen Rapid Support Forces (RSF), gegenüber. Beide Seiten bekämpfen sich mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln. Videos örtlicher Medien zeigen nächtliche Artilleriegefechte in der Hauptstadt Khartum. Die Armee flog unter anderem Luftangriffe auf die Paramilitärs.

Bei den schweren Kämpfen wurden nach Angaben von Medizinern mindestens 56 Zivilisten getötet. Auch auf Seiten der Armee gebe es "dutzende Tote", erklärte das Zentralkomitee sudanesischer Ärzte am Sonntagmorgen. Etwa 600 weitere Menschen wurden demnach bei den Kämpfen verletzt.

Schon jetzt stehen die Verlierer des Machtkampfs fest: Zivilisten, die sich mit dem Allernötigsten in Sicherheit bringenBild: AFP

Die RSF behaupteten am späten Samstagabend, 90 Prozent der vom Militär kontrollierten Gebiete im Sudan übernommen zu haben, darunter den Präsidentenpalast, den Flughafen und andere wichtige Einrichtungen in Khartum. Auch sei man in die Kommandozentrale der Armee eingedrungen. Die Armee weist dies als Lügen zurück - und zeigt sich unversöhnlich: Einen Dialog oder Verhandlungen mit den RSF werde es nicht geben, die Gruppe müsse sich erst auflösen, heißt es via Facebook.

Gemeinsame Putschisten, nun Feinde

Die RSF waren einst unter dem Diktator Omar Al-Baschir gegründet worden, beteiligten sich jedoch 2019 an dessen Entmachtung. Auch in einem weiteren Militärputsch gegen Übergangs-Ministerpräsident Abdallah Hamdok 2021 standen RSF und Armee noch auf derselben Seite. Im Übergangsprozess hin zu einer zivilen Regierung war jedoch eine Verschmelzung beider Gruppen vereinbart worden. Zuletzt soll sich das Verhältnis zwischen dem derzeitigen Oberbefehlshaber der Armee und Machthaber über den Sudan, General Abdel Fattah al-Burhan, und RSF-Oberbefehlshaber Hamdan Daglo verschlechtert haben.

Ein Bild aus gemeinsamen Tagen: Armeechef Abdel Fattah al-Burhan (Mitte) und RSF-Anführer Mohammed Hamdan Daglo (Zweiter von links) im vergangenen Dezember Bild: AFP via Getty Images

Beide Anführer können sich auch auf ausländische Verbündete verlassen: al-Burhan kooperiert eng mit der Regierung Ägyptens. Laut dem Sudan-Experten Rashid Abdi vom Think Tank Shahan wird RSF-Chef Daglo hingegen von Äthiopien und Eritrea unterstützt. Der Sudan unter al-Burhan sowie Ägypten streiten zur Zeit mit Äthiopien um fairen Zugang zur Lebensader Nil: Flussaufwärts hat Äthiopien einen riesigen Staudamm errichtet, der nun über Jahre gefüllt wird - mit Wasser, das die Landwirte weiter flussabwärts ebenfalls gerne hätten.

Ägypten, Südsudan und die AU wollen vermitteln

Die beiden Nachbarländer Ägypten und Südsudan haben als erste ein offizielles Vermittlungsangebot gemacht. Das teilte das ägyptische Präsidialamt in Kairo mit. In einem Telefonat hätten Ägyptens Präsident Abdel Fattah al-Sisi und sein südsudanesischer Kollege Salva Kiir aufgerufen, die "Stimme der Vernunft und des friedlichen Dialogs" zu wählen. Der christlich geprägte Südsudan hatte sich 2011 nach langen Kämpfen vom muslimischen Norden abgespalten, doch die Kämpfe in der jungen Nation gingen noch jahrelang weiter.

Die Afrikanische Union hat eine sofortige Waffenruhe "ohne Vorbedingungen" gefordert. Der Kommissionsvorsitzende Moussa Faki Mahamat wurde aufgefordert, "unverzüglich in den Sudan zu reisen, um die Parteien zu einer Waffenruhe zu bewegen".

UN-Sicherheitsrat verlangt Ende der Kämpfe

Der UN-Sicherheitsrat hat angesichts der schweren Kämpfe im Sudan alle Konfliktparteien aufgefordert, die Gefechte einzustellen und Gespräche zur Beendigung der Krise aufzunehmen. Außerdem müssten humanitäre Helfer sicheren Zugang bekommen und UN-Mitarbeiter vor Angriffen geschützt werden, erklärte das mächtigste Gremium der Vereinten Nationen am Sonntagmorgen. In der Stellungnahme wurde das Ziel der "Einheit, Souveränität, Unabhängigkeit und territorialen Integrität der Republik Sudan" betont.

Die Eskalation der Gewalt löst weltweit Besorgnis aus. UN-Generalsekretär António Guterres forderte die Konfliktparteien auf, "die Feindseligkeiten unverzüglich einzustellen, die Ruhe wiederherzustellen und einen Dialog zur Lösung der aktuellen Krise einzuleiten". Guterres telefonierte am Samstagabend mit RSF-General Daglo. Auch US-Außenminister Antony Blinken und der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell fordern ein Ende der Gewalt. 

Baerbock: Blutvergießen verhindern

Nach dem Ausbruch der Kämpfe zeigte sich auch Bundesaußenministerin Annalena Baerbock bestürzt über die Lage in dem afrikanischen Land. "Ich bin entsetzt über die vielen Opfer, die die Kämpfe in Sudan bereits gefordert haben", erklärte Baerbock auf Twitter. "Beide Seiten müssen die Kampfhandlungen einstellen und weiteres Blutvergießen verhindern."

Die Ministerin betonte zugleich, dass sie einen Waffenstillstand unterstütze. Die Menschen in Sudan hätten in den letzten Jahren deutlich gemacht, dass sie eine demokratische Zukunft für ihr Land wollten. "Die lässt sich nicht mit Waffengewalt erreichen. Der Übergang zu einer zivilen Regierung bleibt entscheidend für die Zukunft des Landes."

Im Sudan hatten Massenproteste 2019 zum Sturz des jahrzehntelangen Herrschers Omar al-Baschir geführt. Daran waren die reguläre Armee und die RSF gemeinsam beteiligt. Sie einigten sich damals mit Parteien der Zivilgesellschaft auf eine Übergangsregierung. Im Oktober 2021 putschte das Militär unter der Führung von General al-Burhan, der die Macht vollständig übernahm.

rb/ack/kle/fab/ehl/pg (afp, ape, dpa, rtr, twitter)

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