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BND-Affäre

Marcel Fürstenau25. April 2008

Offenbar ist es für Spione verlockend, Journalisten anzuzapfen. Im aktuellen Fall war der BND-Chef angeblich nicht informiert. Erste personelle Konsequenzen deuten sich in der Affäre an.

Der Bundesnachrichtendienst im bayrischen Pullach - AP
In der Kritik: Der Bundesnachrichtendienst im bayrischen PullachBild: AP

Vor allem bei Affären oder Skandalen ist das Parlamentarische Kontrollgremium (PKG) gefragt, das die Geheimdienste kontrolliert. So jetzt im aktuellen Fall der Bespitzelung einer deutschen Journalistin durch den Bundesnachrichtendienst (BND). Am Donnerstag (24.4.) hat sich das Gremium zum zweiten Mal mit dem Fall befasst. Bereits am Mittwoch hatte die am vergangenen Wochenende bekannt gewordene Affäre für dicke Luft in dem geheim tagenden Gremium gesorgt, dem neun Abgeordnete aller fünf Fraktionen angehören.

Verärgert waren die Mitglieder des PKG schon oft, weil sie sich schlecht oder gar nicht informiert fühlten. Diesmal war der Frust so groß, dass sie entgegen den sonstigen Gepflogenheiten gleich zweimal tagten - wie üblich hinter verschlossenen, abhörsicheren Türen im Kellergeschoss eines Bundestagsgebäudes. Den Fragen der wütenden Abgeordneten sämtlicher Fraktionen musste sich, nicht zum ersten Mal, der seit Ende 2005 amtierende BND-Chef Ernst Uhrlau stellen.

"Erhebliche Grundrechtsverletzung"

Unwissend? BND-Präsident Ernst UhrlauBild: picture-alliance/ dpa

Die Antworten scheinen alles andere als befriedigend gewesen zu sein, als es um den Fall der abgehörten "Spiegel"-Korrespondentin Susanne Koelbl ging. In einer Mitteilung des PKG wird dem Geheimdienst eine "erhebliche Grundrechtsverletzung" der Journalistin vorgeworfen, obwohl sie weder der Grund noch das Ziel der Aufklärungsmaßnahme des BND war. Tatsächlich ging es dem Geheimdienst um E-Mails des afghanischen Handels- und Industrieminister Amin Farhang, auf dessen Festplatte die BND-Agenten im Jahr 2006 ein Spionageprogramm installiert hatten. Das Kontroll-Gremium "missbilligt, dass die Leitung des BND weder die Bundesregierung noch das PKG über diesen Vorgang unterrichtet hat." Für das liberale PKG-Mitglied Max Stadler steht deshalb fest: "Die Spitze des Hauses muss dafür sorgen, dass sich der BND an die Grundrechte hält. Wenn der Präsident von fragwürdigen Aktionen gar nichts erfährt, ist das im äußersten Ausmaß besorgniserregend."

Offenbar erste personelle Konsequenzen

Uhrlau soll trotz dieser unmissverständlichen Worte im Amt bleiben. Gleichzeitig deuten sich in der Affäre aber erste personelle Konsequenzen an: Nach Informationen der "Welt" wurden disziplinarische Maßnahmen gegen den Büroleiter Uhrlaus sowie den für die Bespitzelung zuständigen Abteilungsleiter und einen dritten BND-Beamten ergriffen. Die Maßnahmen seien am Donnerstagmittag aus dem Kanzleramt verfügt worden, hieß es.

Wie die "Welt" weiter berichtet, wurde in der PKG-Sitzung am Donnerstag ein weiteres wichtiges Detail bekannt: So war zunächst versichert worden, die E-Mails Koelbls, die durch einen "Trojaner" des BND von der Computerfestplatte Farhangs "abgefischt" wurden, seien unmittelbar nach dem Auftauchen gelöscht worden. In der Sitzung habe sich aber herausgestellt, dass noch Monate später ausgesprochen private E-Mails von Frau Koelbl in einem verschlossenen Umschlag auf dem Schreibtisch einer BND-Juristin aufgefunden worden sein sollen.

Die strukturelle Probleme des BND

Wolfgang Neskovic (Die Linke) hält die aktuelle Bespitzelungs-Affäre weniger für ein personelles als ein strukturelles Problem: "Es geht hier nicht um Herrn Uhrlau, sondern es geht um die Fähigkeit zur Kontrolle der Geheimdienste. Und ein Rücktritt von Herrn Uhrlau ändert daran gar nichts. Wir haben das große Dilemma, dass die Geheimdienste nicht effizient kontrolliert werden."

Will eine Strukturreform: Wolfgang Neskovic (Linkspartei)Bild: picture-alliance/ dpa

Erst vor zwei Wochen hatte die Unions-Fraktion einen Gesetzentwurf präsentiert. Vorgeschlagen wird unter anderem, einen Untersuchungs-Beauftragten zu etablieren geben, der mit den Ermittlungsbefugnissen eines Staatsanwalts ausgestattet sein soll. Er hätte Akteneinsicht oder könnte Amtshilfe bei Gerichten und Behörden beantragen. Er wäre aber keine Anlaufstelle für Beschwerden oder befugt, von sich aus tätig zu werden, betont der CDU-Abgeordnete Norbert Röttgen: "Wir sind dagegen, einen Geheimdienstbeauftragten in Analogie zum Wehr-Beauftragten einzuführen. Er soll ein an Aufträge und Weisungen des Gremiums gebundener Unterstützer der parlamentarischen Kontrolle sein."

Verpuffte Gesetzesinitiativen

Die jüngste Initiative der Union war indes nicht die erste. Bereits vor zwei Jahren hatten die Liberalen einen ähnlichen Entwurf vorgelegt. Damals sträubten sich CDU/CSU und Sozialdemokraten noch gegen eine Novellierung des PKG-Gesetzes. Dass Handlungsbedarf besteht, bezweifelt inzwischen niemand mehr. So hätte die aktuelle Affäre um die "Spiegel"-Korrespondentin schon deshalb nicht passieren dürfen, weil das Bundeskanzleramt vor knapp zwei Jahren per Erlass das Ausspähen von Journalisten untersagt hatte. Ohne Erfolg, wie sich nun herausgestellt hat.

Im konkreten Fall gab es zudem weitere Verstöße gegen geltende Regeln. So moniert das PKG in seiner Mitteilung, dass die von der deutschen Journalistin erfassten E-Mails wegen des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung umgehend hätten gelöscht werden müssen. Zudem wurde die BND-Leitung erst ein Jahr nach dem Vorgang informiert, obwohl sie bereits vor der Maßnahme hätte eingebunden werden müssen

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