1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

"Schwerer Schlag für die Demokratie in Tadschikistan"

21. Juli 2003

– Demokratische Partei gibt überraschend ihre Oppositionshaltung auf

Köln, 21.7.2003, DW-radio / Russisch

Am Samstag (19.7.) hat in Duschanbe der 7. außerordentliche Kongress der Demokratischen Partei Tadschikistans stattgefunden. Daran nahmen etwa 150 Delegierte aus allen Regionen des Landes teil. Als Gäste wohnten dem Kongress auch Vertreter anderer politischer Vereinigungen, diplomatischer Missionen und internationaler Organisationen bei. Es berichtet Nigora Buchari-sade:

Großes Interesse an der Veranstaltung zeigten die Journalisten, denn die Demokratische Partei Tadschikistans war die einzige politische Partei des Landes, die das am 22. Juni abgehaltene Referendum über die Änderung der Verfassung boykottiert und seine Anhänger dazu aufgerufen hatte, sich an der Volksbefragung nicht zu beteiligen. Die Ergebnisse des Referendums, denen zufolge der heutige Präsident des Landes das Recht hat, nach Ablauf seiner jetzigen Amtszeit für zwei weitere Amtszeiten von jeweils sieben Jahren wiedergewählt zu werden, bezeichnete die Führung der Demokratischen Partei als gefälscht. Deswegen war es klar, dass vor dem Hintergrund dieser Ereignisse von den Demokraten erwartet wurde, dass sie weiterhin "aufsehenerregende" Erklärungen abgeben werden. Die Meinung der Mehrheit der Kongressdelegierten war jedoch völlig überraschend. Neben Personal- und Organisationsfragen stand die Debatte über das neue Parteiprogramm als wichtigster Punkt auf der Tagesordnung. Erörtert wurde auch, welche Haltung die Partei in ihrem Verhältnis zur derzeitigen Staatsmacht einnehmen soll.

In seiner Rede nannte der Führer der Demokratischen Partei, Machmadrusi Iskandarow, die wichtigsten Ziele und Aufgaben der Partei für die kommenden Jahre:

Eine der Aufgaben ist die Vorbereitung und Teilnahme an den bevorstehenden Parlaments- und Präsidentschaftswahlen. Ferner soll die organisatorische Tätigkeit der Partei vor Ort verbessert werden und es sollen führende gesellschaftliche Kräfte bei der Arbeit einbezogen werden. Iskandarow kritisierte die Maßnahmen der tadschikischen Regierung zur Armutsbekämpfung, aber auch die sozialen und wirtschaftlichen Reformen. Ihm zufolge wird die Staatsmacht mit den ihr gesetzten Aufgaben nicht fertig, weil eine klare Sozialpolitik fehlt, weil Interessen lokaler Clans durchgesetzt werden und weil Korruption herrscht. Dies habe eine hohe Arbeitslosigkeit, die Abwanderung von Arbeitskräften, die Verschlechterung der Ausbildung und des Gesundheitsschutzes, aber auch zahlreiche andere soziale und wirtschaftliche Probleme zur Folge. Iskandarow erklärte, falls sich die Lage bald nicht ändere, könne es "in Tadschikistan zu einer sozialen und demografischen Katastrophe kommen". Nach Ansicht des Vorsitzenden der Demokratischen Partei muss die Staatsmacht unter anderem auch der Korruption auf allen Ebenen bekämpfen, die längst veralteten Methoden der Staatsverwaltung und der Kaderpolitik ändern, dem Unternehmertum steuerliche und finanzielle Vergünstigungen einräumen und armen Bürgern eine kostenlose medizinische Versorgung garantieren.

Iskandarow sprach auch über das letzte Referendum und bekräftigte, dass die Parteiführung mit der Vorbereitung, dem Verlauf und den Ergebnissen der Volksbefragung nicht einverstanden sei. Die Meinung des Vorsitzenden unterstützte auch der Leiter des Ortsverbandes der Partei in Duschanbe, Asliddin Sochibnasarow, der erklärte, dass das tadschikische Volk nach dem Referendum von neuen Konflikten bedroht werde. Während einer Pause unterstrich er vor Journalisten, es gebe Kräfte, darunter auch im Ausland, die sich an diesem Machtkampf beteiligen wollten, und diese Kräfte könnten versuchen, ihre Ziele mit Waffen durchzusetzen.

Die Führung der Demokratischen Partei zeigte deutlich, dass sie sich zur derzeitigen Staatsmacht in Opposition befindet und mit den Vorgehen der Regierung nicht einverstanden ist. Umso überraschender waren die Ergebnisse der Abstimmung unter den Delegierten des Kongresses in dieser Frage. Mehr als die Hälfte der Delegierten sprach sich dafür aus, dass die künftigen Beziehungen der Partei zur Staatsmacht den Grundsätzen der Zusammenarbeit und Partnerschaft entsprechen sollen. Der Vorschlag der Führung, die Demokratische Partei zur Oppositionspartei zu erklären, wurde von den Vertretern aus den Regionen nicht unterstützt. Auf diese Weise löste sich die Frage von selbst, ob Iskandarow vom Posten des Generaldirektors des staatlichen Unternehmens Tadschikgas zurücktreten soll. Der Vorsitzende der Partei hatte jüngst in einem Interview für die Deutsche Welle erklärt, dass er bereit sei, sein Regierungsamt niederzulegen, wenn die Delegierten die Position der Parteiführung unterstützen.

Einige Parteimitglieder sagten vor Journalisten zu den Ergebnissen des Kongresses, dass sich die Delegierten bei der Abstimmung nach regionalen Kriterien geteilt hätten. Das Mitglied der Demokratischen Partei, Chodschimuchammad Umarow, sagte, ein Teil der Parteimitglieder lasse sich immer noch von eigenen persönlichen Interessen leiten.

Der unabhängige Experte und Politologe Sulton Chamadow sagte der Deutschen Welle, die Konflikte innerhalb der Demokratischen Partei zeigten, dass zwischen der Parteiführung und den gewöhnlichen Mitgliedern keine Verständigung herrsche und vor Ort schwach gearbeitet werde. Ihm zufolge haben die Ergebnisse des Kongresses auch gezeigt, dass die Parteiführung in ihren aufsehenerregenden Erklärungen die Meinungen regionaler Parteivertreter nicht berücksichtigte. Diese Gegensätze könnten anhalten, wenn keine aktive Zusammenarbeit der Führung mit den Parteiverbänden vor Ort aufgebaut werde. Ferner, so Sulton Chamadow, fehle es den Parteien des Landes an politischer Ethik. Alle Erklärungen und jedes Vorgehen von Vertretern der einen oder andern politischen Kraft müsse abgestimmt, logisch und konsequent sein.

Die Ergebnisse des Kongresses der Demokratischen Partei werden auch von Vertretern der tadschikischen Opposition im Exil kritisiert. Dazu der Herausgeber der in Moskau erscheinenden Zeitung "Taschrogy Rus", Dododschon Atowullojew:

"Das, was auf dem Kongress der Demokratischen Partei Tadschikistans geschah, war für mich vollkommen unerwartet. Vor dem Referendum war die Demokratische Partei der Situation gewachsen und nahm eine prinzipielle Haltung ein, indem sie zum Boykott des Referendums aufrief. Der Parteivorsitzende Iskandarow erklärte nach dem Referendum, die Vorbereitung der Volksbefragung sei undemokratisch gewesen und ein bedeutender Teil der Bevölkerung habe gar nicht abgestimmt. Diese Erklärung wurden von der tadschikischen Öffentlichkeit stark unterstützt. Jetzt hat diese Partei die Opposition verlassen und somit für das Vorgehen der Regierung Rachmonow die Verantwortung mitübernommen. Auf diese Weise haben sie sich auch zu solchen erklärt, die am Vorgehen und an den Verbrechen, die heute von der tadschikischen Staatsmacht verübt werden, beteiligt sind. Der Beschluss des Kongresses stellt einen schweren Schlag für die Demokratie in Tadschikistan und das Ansehen der Demokratischen Partei Tadschikistans dar. (MO)