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Bewährungsprobe

Gero Schließ, Washington1. Mai 2014

Angela Merkels USA-Besuch ist in Wahrheit ein Krisentreffen: Das Drama um die Ukraine steht im Mittelpunkt. Aber auch die NSA-Affäre und das Freihandelsabkommen fordern die Verbündeten heraus.

Merkel, Obama AP Photo/Ivan Sekretarev,
Bild: picture-alliance/AP Photo

Es gab schon angenehmere USA-Reisen für die Bundeskanzlerin: Die Rede vor dem Kongress oder ihre Auszeichnung mit der "Medal of Freedom", das war gestern. Diesmal ist es ein Besuch bei einem fremd gewordenen Freund, inmitten von Krisen. Nach der NSA-Affäre ist es jetzt die Ukraine-Krise, die beiden Ländern viel abverlangt: Für Nile Gardiner von der Heritage Foundation drohen die deutsch-amerikanischen Beziehungen erneut Schaden zu nehmen: "Es gibt eine große Kluft zwischen Berlin und Washington, wie mit Russland umzugehen ist."

Der Europaexperte des konservativen Washingtoner Thinktanks redet im Gespräch mit der Deutschen Welle Klartext: Deutschland und einige europäische Länder hätten "gegenüber Russland eine Politik des Appeasement verfolgt. Vor allem wegen der wirtschaftlichen Abhängigkeit bei der Energieversorgung."

Die neue Chefin des German Marshall Funds, Karen Donfried, widerspricht energisch: "Ich glaube, dass die deutsch-amerikanische Koordination bis jetzt sehr gut gewesen ist. Die Europäer haben wichtige Energie- und Handelsbeziehungen mit Russland. Trotzdem wollen sie auch Druck auf Russland ausüben."

Gemeinsame Haltung beeindruckt Putin

Donfried, die bis vor wenigen Wochen Präsident Barack Obamas Europaberaterin war, ist sich sicher: "Ich glaube, es ist auch für Putin sehr bedeutsam, dass er diese Solidarität sieht."

Karen DonfriedBild: German Marshall Fund, Washington

Die Ukraine-Krise steht ganz oben auf Angela Merkels Besuch-Agenda. Die Kanzlerin wird hier in Washington nicht nur völlig unterschiedlichen Einschätzungen und Erwartungen an Europa, Deutschland und sie persönlich begegnen, sondern auch einem Präsidenten, der unter innenpolitischem Druck steht, gegenüber Russland eine härtere Gangart einzuschlagen. Das dürfte auch die Kanzlerin zu spüren bekommen.

"Dieses Treffen kommt wirklich zur richtigen Zeit und ist sehr wichtig", ist Heather Conley vom Washingtoner Center for Strategic and International Studies (CSIS) überzeugt. Die beiden Staatsleute treffen sich zu einer Zeit, "in der die Russland-Politik des Westens zu einem dramatischen Ende gekommen ist. Eine neue Politik muss entwickelt werden. Deutschlands Rolle dabei ist unglaublich entscheidend für den Erfolg", so die Deutschlandexpertin des Thinktanks.

Unzufriedenheit über europäische Verbündete

Jüngste Medienberichte kolportieren allerdings Unzufriedenheit im engeren Zirkel um den Präsidenten. Laut Washington Post von Dienstag (29.04.2014) zeigten sich Beamte der Obama-Regierung enttäuscht, dass sie mit Rücksicht auf "unwillige" europäische Verbündete mit der Verkündung neuer Sanktionen eine Woche warten mussten. Sich mit den 28 Mitgliedsstaaten der Europäischen Union zu koordinieren, sei das beste "Rezept zur Untätigkeit", zitierte auch die New York Times Mitarbeiter des Präsidenten, die ungenannt bleiben wollten

Damit ist auch Bundeskanzlerin Merkel gemeint, der in den Augen der Amerikaner als wichtigste amerikanische Verbündete in Europa eine Führungsrolle bei der Abstimmung einer gemeinsamen Position gegenüber Russland zukommt.

"Präsident Obama wird unter zunehmenden Druck kommen, seine Position zu verschärfen", sagt Gardiner voraus. "Ich denke, die USA werden die Sanktionen erkennbar verstärken. Die Deutschen werden zögern, das mitzumachen. Ich glaube, die Ukraine hat das Potenzial, Deutschland und die USA weiter auseinander zu treiben."

Enge Zusammenarbeit mit Deutschland

Karen Donfried vom German Marshall Fund argumentiert genau anders herum: "Ich würde das deutsch-amerikanische Verhältnis ganz anders sehen. Ich glaube, dass es sehr stark ist, es war auch über das letzte Jahr stark." Die NSA-Affäre sei sicherlich ein schwieriges Kapitel, gesteht sie zu. Aber: "Bei der Ukraine-Krise und anderen Themen wie Iran und Syrien sieht man, wie eng wir zusammen arbeiten."

Während Obama beim Thema Russland unter innenpolitischem Druck steht, widerfährt das gleiche Schicksal Bundeskanzlerin Merkel bei der NSA-Affäre. Nile Gardiner von der Heritage Foundation rechnet allerdings nicht damit, dass Obama der Kanzlerin hier ein politisches Geschenk macht, mit dem sie zu Hause ihr Gesicht wahren kann.

Die NSA-Affäre hat für die USA keine PrioritätBild: Imago

Kein Entgegenkommen bei NSA

Anders als in Deutschland sei die NSA-Affäre kein prioritäres Thema in den USA: "Ich sehe nicht, dass die US-Regierung irgendein Entgegenkommen zeigt oder diversen Forderungen der politischen Parteien in Deutschland entspricht", so Gardiner. Auch Karen Donfried rechnet nicht mit Beschlüssen, schon gar nicht mit dem von deutscher Seite propagierten "No-Spy Abkommen". Um den Vertrauensverlust zu reparieren, brauche es mehr Zeit und vor allem einen intensiven Dialog.

Heather Conley vom CSIS wünscht sich, "die Obama-Regierung würde sich stärker proaktiv engagieren und deutsche und europäische Sorgen aufnehmen." Für diese Woche erwartet sie von Obamas Sicherheitsteam Vorschläge für den Schutz der Privatssphäre. Allerdings würden sie nur amerikanische Bürger betreffen.

Das dritte herausragende Thema des Merkel-Besuchs ist das Langzeit-Projekt des gemeinsamen Transatlantischen Marktes (TTIP). Die Bundeskanzlerin wird dazu vor der US-Chamber of Commerce eine Rede halten, was nach Medienberichten im Umfeld des Präsidenten für Verstimmung gesorgt haben soll, da die Chamber eine mächtige, konservative Wirtschaftslobby- und innenpolitischer Gegenspieler ist.

"Ich denke, sie [Merkel, Anm. d. Red.] wird ein starkes Plädoyer für TTIP halten", sagt Nile Gardiner. Denn nicht nur in Deutschland haben sich die skeptischen Stimmen gegenüber einem engeren wirtschaftlichen Zusammenrücken gemehrt, sondern auch in den USA. "Es gibt viele skeptische Leute in Washington. Ich denke, sie wird versuchen, nicht nur die amerikanische Business Community, sondern auch Mitglieder des US-Kongresses zu überzeugen."

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