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Politik

Schwierige Klagen im Fall MH17

Mikhail Bushuev mo
12. April 2019

Die Angehörigen der MH17-Opfer wollen, dass die Schuldigen der Flugzeugtragödie bestraft werden. Dabei setzen sie nicht allein auf die internationalen Untersuchungen, die in den Niederlanden laufen.

Flug MH17
Bild: picture-alliance/AP Photo/P. Dejong

Anfang April haben die Angehörigen von MH17-Opfern insgesamt drei Klagen eingereicht. Zwei von ihnen liegen dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg vor. Eine weitere Klage haben die Angehörigen des US-Bürgers und MH17-Opfers Quinn Lucas Schansman beim US-Bundesgericht in New York eingereicht. Sie werfen den russischen Banken Sberbank und VTB sowie den US-Finanzfirmen Western Union und MoneyGram vor, Geldüberweisungen an die prorussischen Separatisten der selbsternannten "Volksrepublik Donezk" im Osten der Ukraine ausgeführt zu haben.

Von dort war am 17. Juli 2014 mit einer Flugabwehrrakete vom Typ "Buk" die Boeing 777 der Malaysia Airlines mit der Flugnummer MH17 abgeschossen worden. Davon ist das internationale Ermittlerteam unter Führung der Niederlande überzeugt. Die Maschine war auf dem Weg von Amsterdam nach Kuala Lumpur. An Bord waren 298 Menschen, darunter 196 Niederländer. Bei dem Abschuss kamen alle Insassen ums Leben.

Erschwerende Umstände

Das Verfahren in New York dürfte sich jedoch schwierig gestalten, weil zwei der angeklagten Banken in Russland ansässig sind. "Der amerikanische Supreme Court hat die extraterritoriale Reichweite des US-Rechts in mehreren Grundsatzentscheidungen stark eingeschränkt", erklärte Matthias Lehmann vom Institut für Internationales Privatrecht und Rechtsvergleichung der Universität Bonn auf Anfrage der DW. Extraterritoriale Reichweite habe allerdings der Antiterrorism Act aus dem Jahr 1992, auf den sich die Angehörigen des Opfers berufen. Er könnte jedoch nur dann zur Anwendung kommen, wenn der Abschuss des Flugzeugs als Terrorismus eingestuft würde. Un genau das hält Lehmann für zweifelhaft.

Letztlich, sagt der Jurist, müsste das US-Gericht seine Zuständigkeit über die russische Sberbank feststellen. "Voraussetzung wäre, dass die Bank Tätigkeiten in den USA entfaltet oder zumindest das amerikanische Finanzsystem für die fraglichen Finanzierungen der Separatisten genutzt hat", betont Lehmann. Dafür hätte zum Beispiel eine Dollar-Überweisung über das amerikanische Finanzsystem genügt. "Ob dies der Fall war, muss das Gericht klären", so Lehmann.

Antonios Tzanakopoulos von der Juristischen Fakultät der Universität Oxford hält es für "relativ unwahrscheinlich", dass die Kläger vor einem US-Gericht Erfolg haben werden. Ihm zufolge wird es schwierig sein, eine Verbindung zwischen der abgeschossenen Boeing und Geldtransfers über die Sberbank oder Western Union zu belegen. "Das Gericht wird den Nachweis verlangen, dass es einen ursächlichen Zusammenhang zwischen der Dienstleistung einer Bank und einer konkreten Straftat gibt", so Tzanakopoulos.

Ein Präzedenzfall für Straßburg?

Besser sind wohl die Erfolgsaussichten der 380 Angehörigen, die Russland vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte mit zwei Sammelklagen zur Rechenschaft ziehen wollen. Die Kläger aus Deutschland, Australien, den Niederlanden, den USA und anderen Ländern werfen Russland vor, das Recht der Opfer auf Leben verletzt und nicht genug für die Aufklärung des Verbrechens getan zu haben. Moskau, das eine Beteiligung an der Tragödie bestreitet, bestätigte den Eingang der Klageschrift und will noch vor dem Herbst Stellung nehmen.

Kirill Korotejew, Leiter der internationalen Menschenrechtsorganisation "Agora", fragt sich, wie der Straßburger Gerichtshof überhaupt zu einer Entscheidung gelangen soll. Schließlich befänden sich die Hauptbeweise, darunter das "Buk"-Raketensystem, in Russland, und es sehe nicht aus, als werde es dort Ermittlungen zu dem Fall geben. Korotejew meint, vor dem Gerichtshof habe es noch keinen Fall gegeben, in dem die Richter über die Verletzung der Menschenrechtskonvention durch einen Staat ohne Beweise aus dem betreffenden Land entscheiden mussten.

Angehörige gedenken der MH17-Opfer im niederländischen VijfhuizenBild: Reuters/R. de Waal

Antonios Tzanakopoulos ist dagegen sicher, dass der Gerichtshof über entsprechende Erfahrungen verfügt. Alles hänge von den Beweisen der Kläger ab. Er erinnert daran, dass die Richter Großbritannien wegen des Vorgehens seiner Truppen im Irak zur Verantwortung gezogen haben. "Und die Türkei wurde wegen ihres Vorgehens in Zypern zur Verantwortung gezogen", so Tzanakopoulos. Seiner Ansicht nach müssten die Kläger vor allem beweisen, dass der Osten der Ukraine zum Zeitpunkt des Abschusses von Russland kontrolliert wurde.

Auch Frank Meyer vom Rechtswissenschaftlichen Institut der Universität Zürich ist nicht der Auffassung, dass die MH17-Klage in Straßburg ein Präzedenzfall ist. "In der jüngeren Vergangenheit hat es eine Reihe von Verfahren gegeben, in denen es der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte mit kooperationsunwilligen Beschwerdegegnern zu tun hatte", erklärte er auf Anfrage der DW. Allerdings sei abzuwarten, ob die Richter diesem Muster auch im Fall MH17 folgen und externe Untersuchungsberichte zur Sachverhaltsermittlung heranziehen sowie Russland seine Kooperationsverweigerung als Indiz für dessen Schuld auslegt.

Außerdem, führt Meyer aus, gebe es eine neue Linie in der Rechtsprechung, wonach alle Vertragsstaaten der Menschenrechtskonvention kollektiv für den Schutz der Menschenrechte verantwortlich seien. Daraus ergebe sich unabhängig vom Ort der Verletzung oder einer Beteiligung daran eine Verpflichtung für alle Konventionsstaaten, einander Rechtshilfe bei Ermittlungen zu leisten, betont Meyer: "Zumindest diese prozessuale Pflicht ist eindeutig eklatant verletzt worden."

Mahnmal für MH17-Opfer eingeweiht

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