Hängepartie in Prag
27. Oktober 2013Die Regierungsbildung nach der Parlamentswahl in Tschechien gestaltet sich äußerst schwierig. Die Sozialdemokraten (CSSD) unter Führung des früheren Finanzministers Bohuslav Sobotka wurden zwar stärkste Kraft, blieben mit 20,45 Prozent der Stimmen aber deutlich hinter den Erwartungen zurück. Auf den zweiten Platz kam nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis die "Aktion unzufriedener Bürger" (ANO) des Milliardärs und Medienmagnaten Andrej Babis mit 18,65 Prozent der Stimmen. Im Ringen um die Regierungsbildung könnte sie zum Königsmacher werden. "Wir wollen nicht in die Regierung", hatte der 59-jährige Babis zunächst erklärt. Später am Wahlabend schwächte er diese Aussage aber ab: "Der Präsident muss sagen, wie er sich das vorstellt."
Der Sozialdemokrat Sobotka sprach von einem "bitteren Sieg". Er wolle versuchen, eine Minderheitsregierung zu bilden. Dazu kündigte er schnelle Gespräche mit allen Parteien und dem linksgerichteten Präsidenten Milos Zeman an.
Minderheitsregierung ohne Mehrheit
Auf dem dritten Platz landete die kommunistische Partei KSCM mit 14,9 Prozent. Die von Sobotka anvisierte Minderheitsregierung unter Tolerierung der Kommunisten würde insgesamt nur über 83 der 200 Parlamentssitze verfügen.
Denkzettel für Necas
Die konservative ODS des früheren Ministerpräsidenten Petr Necas wurde abgestraft, sie erhielt nur noch 7,7 Prozent der Stimmen. Necas war im Sommer über eine Bespitzelungs- und Korruptionsaffäre gestürzt. Die konservative TOP09 des ehemaligen Außenministers Karel Schwarzenberg erzielte zwölf Prozent der Stimmen. Mit 6,9 beziehungsweise 6,8 Prozent gelang auch der populistischen Partei Usvit und der christdemokratischen KDU-CSL der Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde. Die Wahlbeteiligung lag bei rund 59,5 Prozent und war damit noch niedriger als im Jahr 2010. Damals hatten rund 63 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme abgegeben.
Als mögliche Regierung gilt nun eine Koalition von CSSD und KDU-CSL, die von der ANO toleriert wird. Die künftige Regierung ersetzt ein von Staatspräsident Milos Zeman eingesetztes Expertengremium unter Leitung des Ökonomen Jiri Rusnok, das die Regierungsgeschäfte vorübergehend übernommen hatte. Rusnok könnte noch bis Ende des Jahres im Amt bleiben, um dem neuen Parlament ausreichend Zeit für die schwierige Suche nach einer Regierungsmehrheit zu gewähren. Präsident Zeman gilt nach der Wahl als geschwächter Vermittler. Seine linke Partei SPOZ scheiterten an der Fünf-Prozent-Hürde.
uh/wl (dpa,afp,rtr)