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Schwieriges Exil: Russisch-orthodoxe Geistliche in Europa

Alexej Woloschinow
5. Februar 2025

Russisch-orthodoxe Geistliche, die sich öffentlich gegen Russlands Krieg in der Ukraine gewendet haben, suchen Zuflucht in Europa. Doch sie haben es schwer, Fuß zu fassen.

Zwei russisch-orthodoxe Priester bei einem Gottesdienst in Tilburg, Niederlande
Russisch-orthodoxe Priester, die aus Russland geflohen sind, haben nur wenige Möglichkeiten, in Europa zu arbeitenBild: privat

Nach dem Einmarsch Russlands in die Ukraine im Februar 2022 gerieten hunderte russisch-orthodoxer Priester in Schwierigkeiten, weil sie sich gegen die Haltung der russischen Behörden und die anderer Kirchenvertreter stellten, berichten Menschenrechtsaktivisten.

Einige von ihnen flohen aus Angst vor Verfolgung aus dem Land oder wurden durch die von Moskau kontrollierte Russisch-Orthodoxe Kirche von der Ausübung ihres Priesteramts ausgeschlossen. Andere wurden wegen ihrer Äußerungen gegen Russlands Krieg in der Ukraine verhaftet und eingesperrt.

Die Priester, die in andere Länder flohen, müssen jetzt nicht nur die üblichen Herausforderungen einer solchen Flucht bewältigen. Neben der Beantragung von Visa und der Suche nach einer Arbeit stehen sie vor dem Problem, dass sie häufig nicht über andere, auf dem Arbeitsmarkt nachgefragte Fähigkeiten verfügen.

Die DW sprach mit mehreren russischen Priestern, die in Deutschland im Exil leben, um zu erfahren, wie sie sich an das Leben in ihrem neuen Zuhause gewöhnen.

Geschirr spülen und Deutsch lernen

Pater Jakov, der hier aus Sicherheitsgründen nicht mit seinem richtigen Namen genannt wird, übte sein Amt seit den späten 2010er Jahren an einer orthodoxen Kirche im Westen Russlands aus. Als Russland in die Ukraine einmarschierte, engagierte er sich in Initiativen gegen den Krieg.

Dank dieses Engagements erteilte ihm ein osteuropäisches Land aus humanitären Gründen ein Visum, kurz bevor Russland im September 2022 die Teilmobilmachung von Reservisten ankündigte.

"Obwohl ich weder von weltlichen noch kirchlichen Behörden direkt verfolgt wurde, wurde mir klar, dass es für mich keine Möglichkeit mehr gab, unter dem aktuellen politischen Regime und der Situation in der Russisch-Orthodoxen Kirche im Land zu bleiben", erzählt er der DW.

Russland im Krieg – Kirchen unter Druck

05:14

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Jakov hatte bereits geplant, das Land zu verlassen, doch nach Bekanntgabe der Mobilmachung blieben ihm nur wenige Tage, seine Taschen zu packen und zu fliehen.

Zwar haben Geistliche die Möglichkeit, sich vom Wehrdienst befreien lassen, doch er hatte Angst, dass sich das "schon morgen" ändern könnte, wie er berichtet.

In seiner neuen Heimat fiel es Jakov schwer, Fuß zu fassen. Mehrere Monate arbeitete er illegal als Küchenhilfe und verdiente dafür nur 3,50 Euro die Stunde. Schließlich bekam er ein Angebot, mit einem Stipendium in Deutschland Deutsch zu studieren. Seit September 2023 lebt er nun in Deutschland.

Noch immer macht er sich Sorgen um die Zukunft. Er möchte weiter in Deutschland studieren, als russisch-orthodoxer Priester werde es ihm jedoch schwer fallen, in Westeuropa eine Anstellung zu finden, befürchtet er.

"Es ist möglich, wenn man einen vernünftigen weltlichen Job hat, zum Beispiel wenn du auf IT spezialisiert bist oder einen wissenschaftlichen Hintergrund hast. Dann ist es nicht so ein großes Problem", sagt Jakov.

IT-Spezialist und Menschenrechtsaktivist

Wie dutzende anderer geistlicher Kriegsgegner aus Russland auch erhält Jakov Unterstützung von der gemeinnützigen Organisation Peace Unto All, die unter anderem von Walerian Dunin-Barkowskyj gegründet wurde.

2024 unterstützte die Organisation laut Dunin-Barkowskyj 45 Geistliche und ihre Familien mit finanziellen Hilfen in Höhe von 120.000 Euro.

"Die Finanzierung ist für uns das Entscheidende. Die Betroffenen benötigen vor allen Dingen Zeit. Einige müssen einen neuen Beruf erlernen, nachdem sie nicht mehr das Priesteramt ausüben dürfen. Einige müssen in einem anderen Land leben und ein Visum beantragen. Einige müssen auf die Entscheidung warten, ob sie in einem anderen Land als Priester arbeiten dürfen", erläutert Dunin-Barkowskyj der DW.

Walerian Dunin-Barkowskyj ist Priester in einer orthodoxen Gemeinde in Düsseldorf Bild: privat

Dunin-Barkowskyj, der jetzt in Deutschland lebt, begann sich in der Kirche zu engagieren, als er noch in Russland lebte. 2018 wurde sein Sohn strafrechtlich verfolgt, weil er an Demonstrationen teilgenommen hatte, die der 2024 in Haft verstorbene Oppositionsführer Alexej Nawalny organisierte. "Uns wurde klar, dass wir das Land verlassen mussten", erinnert sich Dunin-Barkovsky. "Ich erhielt ein Angebot und verließ meine gut bezahlte Stelle in Moskau für einen Job in Deutschland. Seitdem sind wir hier."

Dunin-Barkowskyj arbeitet mittlerweile im IT-Bereich und ist Priester in der orthodoxen Gemeinde des Heiligen Nikolaus in Düsseldorf im Westen Deutschlands. In seiner deutschen Gemeinde, erzählt er, habe sich die Zahl der Gemeindemitglieder seit dem russischen Einmarsch in der Ukraine mindestens verdoppelt.

Von Spanien nach Deutschland

Andrej Kordotschkin zählt ebenfalls zu den Mitgründern von Peace Unto All. Mehr als 20 Jahre lang war er als russisch-orthodoxer Geistlicher tätig, unter anderem in einer Gemeinde in Spaniens Hauptstadt Madrid.

Als Russland in die Ukraine einmarschierte, fand sich Kordotschkin ungewollt im Zentrum der Aufmerksamkeit. "Die spanischen Medien brauchten einen russischen Ansprechpartner und da sich die russische Botschaft zu dem Zeitpunkt bereits in eine Verteidigungsposition zurückgezogen hatte, richtete sich das Scheinwerferlicht auf uns und unsere Kirche mit ihrer goldenen Kuppel", berichtet er der DW.

Ukrainische Orthodoxe sind gespalten

02:58

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Obwohl er Teil der Russisch-Orthodoxen Kirche war, war es ihm wichtig, nicht "die sozio-politische Agenda zu teilen, die in Moskau zum Mainstream wurde", wie er betont.

Wegen seiner kritischen Äußerungen über den Krieg suspendierte ihn die Russisch-Orthodoxe Kirche für drei Monate vom Dienst. Damals wurde ihm klar, dass sein "Exodus aus Madrid unvermeidlich" war. Als ihm die Evangelische Kirche in Deutschland ein kleines Stipendium anbot, zog Kordotschkin nach Deutschland, wo er heute an seiner Habilitationsschrift zu den kirchlichen und theologischen Aspekten des Kriegs Russlands gegen die Ukraine arbeitet.

Schlechte Aussichten für russische Geistliche

Kordotschkin ist außerdem Rektor einer orthodoxen Gemeinde in Tilburg im Süden der Niederlande. Diese Gemeinde fällt nicht unter die Verwaltung der Russisch-Orthodoxen Kirche, sondern des Ökumenischen Patriarchats von Konstantinopel. 2018 hatte Russland die Verbindungen zum Patriarchat von Konstantinopel gekappt, als dieses der Ukrainisch-Orthodoxen Kirche, die zuvor Russland unterstand, die Eigenständigkeit oder Autokephalie gewährte.

Das bedeute jedoch nicht, dass es russisch-orthodoxen Priestern leicht fiele, innerhalb des Patriarchats von Konstantinopel Arbeit zu finden, betont Kordotschkin. Es sei außerordentlich schwer, von einem Patriarchat in ein anderes zu wechseln, selbst für Geistliche, die zuvor von der Russisch-Orthodoxen Kirche von der Ausübung ihres Priesteramts ausgeschlossen wurden, macht Kordotschkin deutlich. Er kenne nicht einen Fall einer dem Patriarchat von Konstantinopel angehörigen deutschen Diözese, die einen russischen oder ukrainischen Geistlichen akzeptiert habe.

Priester, die von Russland in ein europäisches Land umsiedeln, haben seiner Überzeugung nach nur zwei Optionen: eine Einkommensquelle zu finden, mit der sie sich und ihre Familie ernähren können, oder Asyl zu beantragen und damit "alle Härten des Lebens als Flüchtling zu teilen".

Sowohl Walerian Dunin-Barkowskyj als auch Andrej Kordotschkin sind überzeugt, dass viele orthodoxe Gemeindemitglieder gerne einer Gemeinde angehören würden, die nicht der Kontrolle Russlands untersteht.

"Es hängt heutzutage viel von Menschen ab, die glauben und Jesus und dem Evangelium treu bleiben wollen", meint Dunin-Barkowskyj. Menschen, die verstünden, dass ebenso wenig wie der russische Präsident Wladimir Putin mit seinen Unterstützern Russland den Russen nehmen könne, die Russisch-Orthodoxe Kirche den Gläubigen ihren orthodoxen Glauben nehmen könne.

Adaptiert aus dem Englischen von Phoenix Hanzo.

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