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Schwindel - wenn die ganze Welt sich dreht

Gudrun Heise
9. Mai 2022

Schwindel ist keinesfalls ein seltenes Phänomen und betrifft auch nicht nur ältere Menschen. Sogar Kinder können Schwindelattacken bekommen. Die gehen oft zwar schnell vorbei, Angst machen sie trotzdem.

Schwindel
Bei Schwindelattacken dreht sich alles wie auf einem KarussellBild: Imago Images

Alles um einen herum dreht sich wie auf einem Karussell. Der Boden schwankt und man verliert die räumliche Orientierung. Wenn unser Gleichgewicht gestört ist, fühlen wir uns unsicher im Raum, irgendwie wackelig auf den Beinen, stützen uns vielleicht an einer Wand ab, weil wir das Gefühl haben, im nächsten Moment umzufallen.

In schlimmen Fällen können Betroffene weder gehen noch stehen. Dabei ist Schwindel nicht immer nur eine Sache von wenigen Sekunden oder Minuten. In einigen Fällen kann er Stunden oder sogar Tage und noch länger anhalten. Auch wenn Mediziner davon ausgehen, dass Schwindel meist einen gutartigen Verlauf nimmt, ist für diejenigen, die eine solche Attacke erfahren, ein solches Erlebnis vor allem eines: beängstigend.

Schwindel ist keine Frage des Alters

Das Risiko, im Laufe seines Lebens Schwindel zu erfahren, liegt nach Schätzungen der Deutschen Hirnstiftung in Berlin bei dreißig bis vierzig Prozent der Bevölkerung. Zunächst denken wir bei Schwindel wohl an ältere Menschen, die vielleicht ein bisschen tatterig sind, nicht mehr so stabil auf den Beinen und denen halt manchmal schwindelig wird.

"Es ist ein sehr häufiges Symptom", sagt Doreen Huppert vom Deutschen Schwindel- und Gleichgewichtszentrum der LMU München. Und es sind bei weitem nicht nur Ältere, die Schwindel entwickeln können. "Wir haben hier sogar eine Kinder- Schwindelambulanz. Schwindel kann in jedem Alter auftreten, kommt mit zunehmendem Alter allerdings häufiger vor. Es gibt Schwindelformen, die durchaus auch junge Menschen und Menschen mittleren Alters betreffen", so Huppert.

Schwindelanfälle bei Kindern sind eher selten. Die meisten haben keine Probleme mit der Balance.Bild: Stefan Schütz/Robyin Page/imago-images

Es gibt unterschiedliche Auslöser

Schwindel bei kleineren Kindern ist in vielen Fällen der sogenannte "rezidivierende Schwindel des Kindesalters", eine Form von Schwindel, die in Abständen immer wiederkehrt. "Dabei kommt es zu meist kurzen Schwindelattacken", erklärt Huppert. "Die Kinder können dann oft nicht richtig stehen und müssen sich hinsetzen oder hinlegen. Nach einer kurzen Zeit ist es vorbei, und sie sind wieder ganz munter." Diese Art des Schwindels gehört zum großen Kreis der Migräne-artigen Erkrankungen und ist bei kleineren Kindern die häufigste Ursache für Schwindelattacken.

Bei Erwachsenen gibt es viele weitere Ursachen wie unterschiedliche Erkrankungen des sogenannten Labyrinths im Ohr, das für den Gleichgewichtssinn zuständig ist, des Gleichgewichtsnervs oder der Gleichgewichtsstrukturen im Gehirn. Eine andere Ursache kann schwankender oder niedriger Blutdruck sein. Möglicherweise kommt es dann zu einer vorübergehenden Minderversorgung des Labyrinths, die Folge sind Schwindelgefühle. Ungesunde Ernährung kann ebenso ein Grund für Schwindelattacken sein sowie ein niedriger Blutzuckerspiegel, Bewegungsmangel oder im schlimmsten Fall Durchblutungsstörungen im Gehirn wie bei einem Schlaganfall können ebenfalls Schwindel auslösen.

Wenn alles aus dem Gleichgewicht gerät

Um unser Gleichgewicht zu erlangen und zu halten, arbeiten verschiedene unserer Sinnesorgane und Sinneswahrnehmungen zusammen. Eines davon ist das Gleichgewichtsorgan in unserem Innenohr, aber auch unser peripheres und zentrales Nervensystem und unser Herz-Kreislaufsystem sorgen dafür, dass wir uns im Gleichgewicht befinden. Darüber hinaus können auch unsere seelische Verfassung, Stress, Ängste oder psychische Belastungen Einfluss darauf haben, ob uns schwindelig wird und wie eine solche Attacke verläuft.

Die Gleichgewichtsorgane melden unserem Zentralnervensystem, wie die Lage unseres Körpers ist, ob dessen Position stimmt, wie sich das Gleichgewicht ändert, wenn wir etwa laufen, rennen, stehenbleiben. Unser Körper muss also ständig auf jede noch so kleine Veränderung reagieren und diese korrigieren, so dass alles wieder im Lot ist und wir das Gleichgewicht halten.

Einige Bewegungen können Schwindelattacken provozierenBild: Imago Images

Alles dreht sich

Den sogenannten "gutartigen Lagerungsschwindel" haben etwa dreißig Prozent aller über 70-Jährigen mindestens einmal erlebt. Typisch dafür sind kurze Drehschwindelattacken, die meist innerhalb von 60 Sekunden auch schon wieder vorüber sind. Dieser Schwindel geht auf die Gleichgewichtsorgane zurück, die hinter dem Ohr liegen und kann beispielsweise durch das Drehen des Körpers oder des Kopfes ausgelöst werden.

"Der Grund für den gutartigen Lagerungsschwindel sind Ohrsteinchen, die in die Bogengängen des Innenohrs gelangen und die Funktion des Gleichgewichtsorgans irritieren. Manchmal lösen sich diese kleinen Kristalle von den sogenannten Otholithenorganen innerhalb des Gleichgewichtsorgans ab und rutschen sozusagen an eine falsche Stelle", erklärt Huppert.

Gerade beim Lagerschwindel können der Arzt oder die Ärztin relativ einfach feststellen, woher genau die Beschwerden kommen, und man kann diese Art von Schwindel gut behandeln: "Man wirft den Patienten um etwa 190 Grad in einer bestimmten Weise auf die Seite. Dadurch geht das Kristall aus dem Bogengang heraus und lagert sich wieder dort ab, wo es herkommt und wo es hingehört", erklärt Huppert. 

Lagerschwindel ist gut behandelbar. Bewährt haben sich unter anderen Entspannungstechniken, autogenes Training, Ergotherapie und regelmäßiger Sport. "Werden diese Maßnahmen konsequent durchgeführt, führt das bei vielen schon zu kompletter Beschwerdefreiheit", weiß Huppert.

Eine der vielen Studien, die derzeit am Deutschen Gleichgewichts- und Schwindelzentrum in München laufen, deuten darauf hin, dass Vitamin-D-Mangel das Ablösen der Kristalle im Innenohr beeinflusst und beschleunigt.

Wann wird Schwindel gefährlich?

Mediziner gehen davon aus, dass Schwindel meist eine gutartige Ursache hat. Aber es gibt Ausnahmen. Dann können immer wiederkehrende Schwindelattacken oder auch länger anhaltender Schwindel durchaus Hinweise auf eine ernste Erkrankung sein.

Blutgerinnsel im Gehirn können Schwindel auslösenBild: BSIP/picture alliance

"Dazu gehören schlimme Ursachen wie ein Hirntumor bei Kindern. Das ist allerdings recht selten", sagt Huppert. "Wenn in den zentralen Strukturen eine Schädigung auftritt, zum Beispiel durch eine Durchblutungsstörung, dann kann Schwindel auch schon mal zu einem Notfall werden. Bei vier Prozent aller Patienten, die sich bei uns in der Nothilfe vorstellen, ist dies so. Im Falle einer Durchblutungsstörung, also einem Schlaganfall, muss rasche Diagnostik erfolgen und rasche Therapie." 

Schwindelattacken aufgrund einer Schwindelmigräne können oft schon durch Verhaltensänderungen beeinflusst werden, etwa indem man Faktoren, die Schwindel provozieren können, möglichst vermeidet. "Dazu gehören Schlafmangel oder dass die Person zu wenig Flüssigkeit zu sich nimmt. Wichtig sind auch regelmäßige Mahlzeiten, Bewegung und sportliche Betätigung", rät Huppert, und das gelte für Kinder genauso wie für Erwachsene.