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Politik

Schwules Elternpaar flieht aus Russland

Dmitry Vachedin mo
12. August 2019

Andrej und Jewgenij sind verheiratet. Das schwule Ehepaar hat zwei Adoptivkinder. Aus Angst, dass die russischen Behörden ihnen die Kinder wegnehmen, haben sie Moskau verlassen, erzählen sie exklusiv im DW-Interview.

EINSCHRÄNKUNG | Russland Gay-Pärchen aus Moskau & adoptierte Kinder
Da waren sie noch glücklich: Andrej Waganow und Jewgenij JerofejewBild: Privat

Bis vor einigen Wochen hatten Andrej Waganow und Jewgenij Jerofejew mit den Behörden in Russland kein Problem. Das Paar hatte in Dänemark geheiratet und lebte mit seinen zwei Adoptivsöhnen in Moskau. Die Probleme begannen, als russische Ermittler ein Verfahren gegen Vertreter der staatlichen Stelle einleiteten, die Andrej Waganow die Adoption der beiden Jungen ermöglicht hatte. Die Folge: Die Familie musste Russland verlassen. Der Fall fand in den russischen Medien große Beachtung.

Deutsche Welle: Wie verlief die Adoption Ihres Sohnes Denis?

Andrej: In Russland gibt es nicht viele Gründe, aus denen eine Adoption abgelehnt werden kann. Aus gesundheitlichen Gründen wie HIV-, Krebs- und psychischen Erkrankungen kann sie abgelehnt werden, oder aber wegen Straffälligkeit. Man muss ein Einkommen, das mindestens dem Existenzminimum entspricht, nachweisen und ausreichend Wohnraum haben. Das ist alles. Das einzige Problem war, eine sogenannte Eignungsbestätigung zu bekommen. Dazu wurde eine ganze Kommission - bestehend aus zehn Frauen - einberufen. Sie haben mich gefragt, warum ich ein Kind adoptieren wolle und warum ich nicht verheiratet sei. Mir war klar, worauf das hinauslaufen sollte. Daher habe ich die Vorsitzende der Kommission direkt gefragt, ob sie denken würde, dass ich mit meinem eigenen Sohn Sex haben wolle. Daraufhin sagte sie zu mir, dass sie so etwas nicht gesagt habe. Nach zehn Tagen hatte ich aber dann die Eignungsbestätigung. Bis heute herrscht in Russland die Meinung, ein einzelner Mann sei für Adoptionen ungeeignet.

Jewgenij und Andrej mit ihren beiden Adoptivsöhnen Bild: Privat

Verlief das bei der zweiten Adoption genauso?

Andrej: Ich bin wieder zur Adoptionsstelle gegangen und habe das formelle Verfahren durchlaufen. Man sagte mir damals, es gebe kein Kind, das ich adoptieren könne. Aber ein paar Stunden später bekam ich einen Anruf, man habe einen Jungen gefunden. Das war Jurij.

Sie haben dann als Familie in Moskau gelebt. Ab wann änderte sich Ihr Leben?

Andrej: Die gesamte Situation im Land hat sich verschlechtert. Erst kam 2012 das Dima-Jakowlew-Gesetz, das Verbot der Adoption russischer Kinder durch US-Bürger (Das Gesetz wurde nach dem verstorbenen zweijährigen russischen Jungen benannt, den sein amerikanischer Adoptivvater in praller Sonne im Auto gelassen hatte. Das Gesetz war Russlands Antwort auf Einreisebeschränkungen für Russen in die USA, die an Menschenrechtsverletzungen beteiligt waren - Anm d. Red.). Und dann kam das Gesetz über homosexuelle Propaganda hinzu, das uns aufgrund unserer sexuellen Orientierung sofort zu Gesetzesbrechern gemacht hat. Unsere Kinder haben uns dann erzählt, sie seien gehänselt worden, und andere hätten uns als Päderasten bezeichnet.

Haben Sie Ihre Kinder gebeten, zu verheimlichen, dass sie zwei Väter haben?

Andrej: Niemals. Ich habe auch nie gesagt, dass wir eine außergewöhnliche Familie sind. Ich habe nur gesagt, dass es verschiedene Familien gibt.

Welcher Vorwurf wird den Behörden in Ihrem Fall gemacht?

Andrej: Im Zusammenhang mit der "Propaganda nicht traditioneller Werte" wird den zuständigen Behörden vorgeworfen, ihre Aufsichtspflicht vernachlässigt zu haben. Das bedeutet, dass jedem lesbischen Paar sogar deren leibliche Kinder entzogen werden können, weil sie mit ihrem Lebenswandel "entsprechende Werte" propagieren.

Kann man sagen, dass die russische Regierung plant, die Gesetzeslücke zu schließen, um die Adoption durch gleichgeschlechtliche Paare zu verhindern?

Schwules Ehepaar flieht aus Russland

02:43

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Andrej: Es gibt jetzt schon keine Grauzone. Die Gesetzgebung ist eindeutig. Für schwule Paare besteht keine Möglichkeit zur Adoption. Diese Möglichkeit gibt es nur für Einzelpersonen. Jewgenij ist rechtlich gesehen für die Kinder ein Außenstehender. Es gibt tatsächlich viele alleinstehende heterosexuelle Frauen, die Kinder adoptieren.

Jewgenij: Schwule Paare, die Kinder großziehen, sind in Russland eine Seltenheit. Es gibt viel mehr lesbische Paare, die das tun. Und lesbische Paare haben meist auch leibliche Kinder.

Wann sind die Behörden auf Sie aufmerksam geworden?

Andrej: Jurij ist wegen Ordnungswidrigkeiten bei der Polizei registriert. Wir haben ihn spät adoptiert. Als er erstmals in die Hände der Polizei geriet, sagte er auf der Wache, dass er mit zwei Vätern zusammenlebe. Einige Monate später kam Jurij mit Verdacht auf Blinddarmentzündung ins Krankenhaus. Jurij hat uns erzählt, der Arzt habe ihn gefragt, wann seine Mutter kommen würde, woraufhin Jurij ihm sagte, dass er zwei Väter habe. Ich habe daraufhin einen Anruf von der Bezirksbehörde bekommen. Der Ermittler sagte, er wolle mit mir und dem Kind sprechen. Er schickte uns zu einer gerichtsmedizinischen Untersuchung. Für ein Kind ist das sehr unangenehm und schockierend. Er wurde auf Sexualstraftaten untersucht.

Was war das Ergebnis?

Andrej: Uns wurde damals gesagt, das Ergebnis werde in einem Monat vorliegen. Dann hat ein Vertreter der Adoptionsstelle angerufen und uns gebeten, die Kinder freiwillig in ein Reha-Zentrum zu geben, bis die Untersuchungsergebnisse da seien. Mein Anwalt sagte mir: "Jetzt musst Du das Land verlassen." Innerhalb von weniger als zwei Stunden haben Jurij und ich die Sachen gepackt und Russland verlassen. Kurz darauf haben wir auch Denis außer Landes gebracht. Zu diesem Zeitpunkt liefen auch schon die strafrechtlichen Ermittlungen. Mir wurde mit einem Verfahren wegen Mordes gedroht.

Jewgenij: Ich war zu dem Zeitpunkt allein in Moskau. Eine Woche nachdem Andrej und die Kinder außer Landes waren, hat es an meiner Tür geklopft, aber niemand hat "Polizei, aufmachen", gerufen. Nach einer halben Stunde hat das heftige Klopfen aufgehört. Es folgte eine Hausdurchsuchung bei meinen Eltern. Sie haben nach den Kindern und nach unserer dänischen Heiratsurkunde gesucht. Danach haben mich meine Freunde außer Landes gebracht.

Andrej, an wem sollen Sie denn einen Mord begangen haben?

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Andrej: An meinen Kindern. Die Beamten haben gesagt: "Bring sie zu uns und beweise, dass sie am Leben sind:" Ich habe das abgelehnt. Mehrere Anwälte haben mir bestätigt, dass man mir die Kinder wegnehmen könnte. Psychologen würden sich dann mit ihnen beschäftigen. Und auf der Grundlage der Gespräche mit den Kindern könnten sie dann zum Beispiel ein Verfahren wegen Gewaltanwendung einleiteten.

Ich habe aus zwei Gründen das Land verlassen: Erstens wegen der Vorstellung, meine Kinder könnten in ein Heim kommen. Zweitens wurde mir direkt gesagt, man werde mich sonst wegen Verführung Minderjähriger festnehmen.

Aus Sicherheitsgründen wollen Andrej und Jewgenij in Absprache mit ihren Anwälten ihren derzeitigen Aufenthaltsort nicht bekanntgeben.

Das Gespräch führte Dmitry Vachedin

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