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Señor Revolución

Michael Castritius/Anne Herrberg7. Januar 2009

Mit organisatorischem Talent aber auch eine Menge Glück wurde er vom einsamen Kämpfer in der Sierra Maestra zum berühmtesten "Comandante" der Welt. Fidel Castro - ein Leben für die Revolution

Fidel Castro bei seiner Amtseinführung am 16.2.1959 in Havanna. Mit 32 Jahren war er damals der jüngste Staatschef in der Geschichte des Landes.Bild: Picture-Alliance /dpa
Castro am 50. Jahrestag des Angriffs auf die Moncada.Bild: AP

„Die Geschichte wird mich freisprechen", das sagt Fidel Castro 1953, als er sich als junger Jurist wegen des Angriffs auf die Moncada-Kaserne in Santiago de Cuba verteidigt. Dieser kühne Satz macht ihn in ganz Kuba zum Symbol des Kampfes gegen die Diktatur Batistas. Zwar gehört der Inselstaat damals zu einem der am weitesten entwickleten Ländern Lateinamerikas. Die sozialen Unterscheide und die - wirtschaftlich wie politisch - enorme Abhängigkeit von den USA sorgen jedoch für Unzufriedenheit in der Bevölkerung. Castros Versuch, als 25-Jähriger eine konventionelle politische Laufbahn als Abgeorneter der Orthodoxen-Partei anzutreten, wird verhindert: drei Monate vor den regulären Wahlen putscht sich Fulgencio Batista an die Macht. Castro organisierte Widerstand.

Selbstmöderisches Unterfangen

Mit gerade mal etwas mehr als hundert, dazuhin einfach bewaffneten, Rebellen greift Castro am 26. Juli 1953 die zweitgrößte Armee-Kaserne der Batista-Diktatur an. Militärisch gesehen, ein Fiasko und dazuhin völlig selbstmörderisches Unterfangen. Innerhalb von nur zwei Stunden schlägt die überlegene Armee die Rebellen zurück, nimmt mehr als 60 von ihnen gefangen, foltert sie und bringt sie anschließend um. Fidel Castro und sein Bruder Raúl haben Glück - sie werden erst später festgenommen und bekommen zudem einen regulären Prozess.

"Eine Revolution ist kein Rosenbett"

Ernesto "Che" Guevara (m.) hier mit Fidels Brudser Raúl (l.)Bild: AP

"Vaterland oder Tod, wir werden siegen!" - noch so ein markanter Satz von Fidel. Und in der Tat siegt jahrzehntelang das Vaterland. Auch bei seinem zweiten Sturzversuch gegen Batista 1956: Nach ihrer Begnadigung 1955 gehen die Brüder Castro nach Mexiko ins Exil, wo sie den Argentinier Ernesto "Che" Guevara kennenlernen. Gemeinsam bauten sie die Rebellengruppe "Bewegung 26.Juli" auf. Ein Jahr später kehren die Revolutionäre nach Kuba zurück, um Batista zu stürzen. Auch dies endete im Fiasko - auch diesmal überlebt Fidel. Gemeinsam mit der kleinen Gruppe der übriggeliebenen Rebellen, Raúl und dem "Che" zieht sich Castro in die Berge der Sierra Maestra zurück. Nach mehreren harten Monaten gelingt ihm dort, im Mai 1958, mit nur 300 Rebellen ein Schlag gegen Batistas Armee. Eine Niederlage, die den Anfang vom Ende der Batista-Diktatur besiegelt. Kurz vor Sylvester kommt es zur entscheidenen Schlacht - Batista flieht ins Exil, Castro wird zum umjubelten "Comandante".

Humorvoller Charmeur

Castro 1961 am Playa Giron in der Schweinebucht.Bild: AP

Zwar werden durch die Jahre dutzende Attentate gegen ihn verübt: vergiftete Zigarrren, Rauschgifte, Schüsse, Bomben von der CIA, von Exil-Kubanern, wie im April 1961 mit der berüchtigetn Invasion in der Schweinebucht, oder von der Mafia. Doch Fidel Castro überlebt sie alle: "Da sie kein Erfolg hatten, erklären sie mich jetzt alle Nase lang für schwer krank oder für tot," scherzt er noch in hohem Alter. Problematisch werde es, wenn er wirklich stürbe, "denn dann glaubt es mir keiner mehr". Auch das ist Fidel Castro - ein humorvoller Charmeur. Bei den Frauen soll er immer gut angekommen sein, der Bärtige mit dem Geruch nach Freiheit und Abenteur. Derjenige, der in 12-stündigen TV-Ansprachen das ganze Land an seine Lippen fesseln konnte.

Des Volkes Freund

Bart, Zigarre, Abenteurblick - Castro als sinnlicher Revolutionär

Und einer, der Sinn für das Soziale hatte, seinem Volk Gesundheitsvorsorge, Grundnahrungsmittel und Alfabetisierung brachte. Castro selbst kam aus der Familie eines Großgrundbesitzers. Doch des Vaters "Tausende Hektar Land" ließ Castro beim Sieg der Revolution jedoch den Arbeitern und Bauern übertragen: "Ich besitze keinen einzigen Dollar. Mein ganzes Vermögen, Señor Bush, passt in ihre Hemdtasche"

Der beste Feind

Castros liebster Feind waren und sind die USA. Denn schließlich liefern sie ihm auch seit Jahren die Rechtfertigung für seine immer strenger werdende Regierung und die Ausrede für Kubas immer größer werdenden Probleme. Der Bedrohung aus dem Norden und dem jahrzehntelangen US-Embargo gibt er die Schuld für Mangelwirtschaft, Stromausfälle, zerfallende Städte und Armut. Wer das wagte anzuzweifeln, musste mit massiven Gefängnisstrafen rechnen. Andersdenkenden gewährt "el comandante" keine Freiheit. Auch dieser Mann ist Fidel Castro: einer, der seinem Volk Unterdrückung, Willkür und Bevormundung brachte.

Der alte Mann und die Macht

Ein Leben für die Revolution.Bild: AP

Willenstark, aber auch dickköpfig, ein Rebell mit Idealen, für die er auch oft gegen die Wand lief - das sei Fidel schon als Kind gewesen, sagt seine Schwester Juanita. Seit 40 Jahren lebt sie im Exil in Florida und ist zu einer der schärfsten Kritikerinnen ihres Bruders geworden. "Die Macht hat ihn verändert," sagt sie. Diese Macht, die Fidel um jeden Preis wollte, bringe ihn letztlich um.

Die Revolution - für Fidel ist das weniger sein Lebenswerk, als sein Leben. Dafür hat er gekämpft, mit allen Mitteln. Und er träumt davon, dass dieser Kampf auch ohne ihn weitergehen möge, im Falle, dass er doch sterben sollte. Und ihm das dann auch jemand glaubt.