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Seattle 40 Jahre nach dem Tod vom "Sohn" Jimi Hendrix

18. September 2010

40 Jahre nach dem Tod von Jimi Hendrix am 18. September 1970 weiß man in seiner Heimatstadt Seattle noch immer nicht, wie mit dem musikalischen Erbe umzugehen ist.

Bild: picture-alliance/dpa/dpaweb

Seattle gilt als eine der beliebtesten Urlaubsstädte der USA. Doch kaum jemand weiß, dass Jimi Hendrix hier am 27. November 1942 in einer Hinterhofbaracke geboren wurde. Als Jugendlicher schlief er mit einer kaputten Gitarre im Bett und war von Elvis fasziniert. Von Seattle aus ging er nach New York und trat von dort seinen Siegeszug um die ganze Welt an.

Hendrix Memorial

Anlaufstelle für seine Fans: das Grab von Jimi HendrixBild: Michael Marek

Auf dem Greenwood Cemetery steht das Hendrix Memorial. "Lange Zeit lag Jimi in einem bescheidenen Grab, bis sich seine Familie für eine angemessenere Ruhestätte entschied." Carla DeSantis ist um die Fünfzig und zählt nicht mehr zur Hendrix-Erlebnisgeneration. Aber sie ist gelernte Fremdenführerin in Sachen Rockgeschichte und kennt die Musikszene Seattles wie ihre Westentasche. Greenwood Cemetery sei zu einer Pilgerstätte geworden, sagt Carla und lächelt dabei.

Für die Rockfans aus aller Welt ist das Grab geheiligter Boden. Die letzte Ruhestätte entpuppt sich aber als plumpes Monstrum aus Granit, das die Hendrix-Fangemeinde in Aufruhr versetzt. "Viel zu wuchtig", kommentiert Carla scharf, "irgendwie eine Nummer zu groß." Vierzig Jahre nach seinem Tod zerfleischen sich die Erben noch immer bei der Aufteilung seines Vermögens.

Keine Liebe auf den ersten Blick

Zur Not auch mit der Zunge und den Zähnen: der vielleicht beste Rockgitarrist der WeltBild: picture alliance/dpa

Jimi Hendrix und Seattle – das war keine Liebe auf den ersten Blick. Als Anfang der 1980er Jahre in Seattle ein Denkmal zu Ehren von Hendrix errichtet werden sollte, schlugen die Wellen hoch. Es war die Zeit der "Just say no"–Antidrogen-Kampagne. Einem schwarzen, drogensüchtigen Rockstar öffentlich zu ehren, einen, der die USA liebte, aber die Regierung und den Vietnam-Krieg vehement ablehnte, das hatte damals keine Chance auf Erfolg.

So einigten sich Fans und die besorgten Stadtvertreter auf einen bizarren Kompromiss: Im Woodland Park Zoo von Seattle wurde eine kleine Gedenktafel angebracht. Im Löwengehege prangt an einem für die kälteempfindlichen Großwildkatzen künstlich beheizten Felsen ein goldener Metallstern zu Ehren von Jimi Hendrix. Dieser beheizte Stein des Anstoßes wird 1983 eingeweiht und bleibt bis 2002 die einzige offizielle Gedenkstätte.

Städtische Musikförderung

Jimi Hendrix starb im Alter von nur 27 Jahren in LondonBild: picture-alliance/ dpa

"Seattle tut sich schwer mit der Tatsache, dass Jimi Hendrix an einer Überdosis starb. Drogen und das ganze kriminelle Umfeld gehören irgendwie zum Rock´n Roll. Das lief nicht immer glücklich ab", sagt James Keblas. Der dynamische Endzwangziger ist zuständig für Musik- und Filmförderung. Denn mittlerweile hat Seattle die Bedeutung des Rock’n Roll und vor allem von Jimi Hendrix als wichtigen Wirtschaftszweig erkannt. Sogar eine eigene Behörde wurde dafür gegründet: Das Seattle Film and Music Office.

Keblas ist ihr Direktor. Trotz der Wirtschaftskrise, die auch Seattle, Boeing und Amazon erreicht hat, präsentiert der Direktor stolz seine Zahlen in der Art eines Wirtschaftsprüfers: Musik gehöre zum 13. größten Industriezweig. 1,2 Milliarden Dollar würde man jährlich mit Musik umsetzen. 9.000 Arbeitsplätze wären durch die Musikindustrie geschaffen worden.

Hendrix-Andenken-Industrie

Keine Straße, aber immerhin eine Bronzestatue erinnert in Seattle an HendrixBild: picture-alliance/Lonely Planet

40 Jahre nach dem Tod von Jimi Hendrix am 18. September 1970 versteht die Stadt Kapital aus ihrem großen Sohn zu schlagen. Musikindustrie, Politik und Tourismus gehen Hand in Hand. Es gibt die üblichen Jimi-Hendrix-Andenken: Kaffeetassen mit seinem Konterfei, T-Shirts mit seinem Namenszug und Stadtrundfahrten zu seinen Wirkungsstätten.

Keblas kritisiert, dass Seattle noch immer keine Straße nach seinem großen Sohn benannt hat. Lediglich eine kleine Bronzestatue 1606 Broadway, Ecke East Pine Street Downtown gibt es, natürlich mit Hendrix in wilder Rock’n Roll-Pose: auf einem Granitstein kniend, mit der Gitarre in der Rechten Hand, Afrolook und Stirnband, das Hemd über die Brust geöffnet, ekstatisch singend, ein zu metallgewordenes Klischee.

Rassentrennung in den Clubs

In den Music Clubs Downtown hatte Hendrix seine ersten Konzerte. Zum Beispiel im „Black Elks Club“, erzählt Stadtführerin Lucy Wilma von der Subseattle Tour, die Touristen die Musikmetropole Seattle zeigt: "Damals herrschte in der Musikergewerkschaft Rassentrennung. Was dazu führte, dass die Schwarzen nur in Ihren Clubs spielten. Dass sich die Musikergewerkschaften nach Rassen trennten ist ungeheuerlich, förderte aber auch ein enorm kreatives Potential." Heute hängt hier in der South Jackson Street nicht einmal eine Plakette, die an den Club und Jimi Hendrix erinnert.

Futuristisches Musikmuseum

Das T-Shirt, das Jimi Hendrix 1969 in Woodstock trug: eines der Fundstücke im MuseumBild: AP

Die Subseattle Tour geht weiter. Wir rauschen an dem ehemaligen Musikgeschäft vorbei, in dem Jimi Hendrix Ende der sechziger Jahre seine erste E-Gitarre kaufte. Schließlich hält der Bus vor einem futuristisch kolossalen Gebäude: das Experience Music Project, entworfen von Stararchitekt Frank O. Gehry. Microsoft-Milliardär Paul Allen hatte im Jahr 2000 das 280 Millionen Dollar teure Gebäude zu Ehren von Jimi Hendrix bauen lassen.

"Wir sind überhaupt kein traditionelles Museum", erklärt Jacob McMurray, "man geht hier nicht rein, um Texte zu lesen oder sich Exponate anzuschauen, die an den Wänden hängen. Wir bieten interaktives Material!" Der 37-Jährige mit Hipster-Hut und Hornbrille arbeitet als Museumskurator. Alles ist in dem Gebäude ist multimedial. Aus allen Ecken flackern Videoclips, tönen Geräusche und Musik. Es gibt eine Menge Kuriositäten und Sammlerstücke zu bestaunen. Hier findet man die alten Plattencover von Hendrix und sogar einige seiner Gitarren. 8.000 Jimi Hendrix – Devotionalien gibt es zu bestaunen. Zum Beispiel den Originalflyer von seinem letzten Konzert auf der Insel Fehmarn.

Letztes Konzert auf Fehmarn

Teil einer Fender Stratocaster, gespielt, zertrümmert und verbrannt von Jimi HendrixBild: empsfm.org

Das von der Erotik-Versand-Unternehmerin Beate Uhse gesponserte Fehmarn-Konzert am 6. September 1970 war sein letztes öffentliches Konzert. Es versank in Schlamm und Chaos. Jimi Hendrix wurde mit dem Hubschrauber aus Puttgarden eingeflogen, eine geradezu überirdische Erscheinung, von allen Elementen in Szene gesetzt: Die schwarze Wolkendecke riss auf, der Regen hielt inne und die Sonne brach strahlend durch. Der Gott trug Pink und Patchwork, spielte seine Lieder und überschwemmte die Zuhörer mit Love und Peace. Fehmarn fühlte sich für einen Moment an wie der Nabel einer ganz neuen Welt, bevor Hendrix 12 Tage danach am 18. September 1970 unter bis heute ungeklärten Umständen starb.

"Jimi Hendrix war kein Gott", resümiert McMurray, "keine mythisch überhöhte Figur. Hendrix hatte enorm viel Talent und ähnliche Träume, Hoffnungen und Sehnsüchte wie wir alle. Wenn ich das den Besuchern hier vermitteln kann, habe ich einen guten Job gemacht."

Autoren: Sven Ahnert und Michael Marek
Redaktion: Oliver Pieper