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Politik

Ein schwieriges Vermächtnis

Tania Krämer Jerusalem
5. Juni 2017

Vor 50 Jahren begann der Sechstage-Krieg: Israel griff gleich drei arabische Nachbarländer an, die gedroht hatten, den jüdischen Staat zu vernichten. Israels Sieg prägt die Region bis heute. Von Tania Krämer, Jerusalem.

Sechstagekrieg - israelische Panzer in den Golanhöhen - Syrien
Israelische Panzer auf den Golanhöhen am 05. Juni 1967Bild: Imago/Keystone

"Es fühlte sich an wie eine existenzielle Bedrohung für Israel", erinnert sich Moshe Milo an die Zeit kurz vor Ausbruch des Kriegs. Milo war damals 23 Jahre alt, und Funker in einer israelischen Fallschirmjägereinheit. In den Wochen zuvor hatte in Ägypten der damalige Staatschef Gamal Abdel Nasser gedroht, Israel von der Landkarte auszuradieren. Ähnliches war aus Syrien zu hören. Zwei Kriege bereits hatten die beiden arabischen Staaten 1948 und 1956 mit Israel geführt. Dann stationierte der ägyptische Präsident seine Truppen im Sinai und sperrte die Straße von Tiran für den israelischen Schiffsverkehr.

Am Morgen des 5. Juni 1967 attackierte Israels Luftwaffe in einem Überraschungsangriff die Truppen im Sinai. Als der Krieg ausbrach, war Soldat Milo bereits abmarschbereit, um an der südlichen Front gegen die Ägypter zu kämpfen: "Aber plötzlich wurde unsere Mission geändert und wir waren auf dem Weg nach Jerusalem."

Eroberung der Klagemauer

50 Jahre später gehen Moshe Milo und Yoram Zamosch mit schnellem Schritt durch die Al-Wad-Straße im muslimischen Viertel der Jerusalemer Altstadt. 1967 war Yoram Zamosch junger Kommandant der Einheit. Gemeinsam stürmten sie das Löwentor und gelangten so in die seit 1948 von Jordanien kontrollierte Altstadt. Der Sechstage-Krieg hat die Kameraden von damals bis heute tief geprägt. "Bis zu dem Krieg galten wir als verfolgtes, als schwaches Volk. Der Holocaust lag gerade einmal 25 Jahre zurück", sagt Yoram Zamosch heute. "Und dann haben wir es geschafft, die Klagemauer zurückzuerobern. Wir standen wieder auf eigenen Füßen."

Israelische Veteranen Milo (r.) und Zamosch (l.): "Wir standen wieder auf eigenen Füßen"Bild: DW/T.Krämer

Nur wenige Meter entfernt davon, verfolgte die damals 17-jährige Palästinenserin Haifa al Khalidi den Einmarsch der Israelis. Vom Dach ihres Elternhauses blickt sie auch heute direkt auf die Klagemauer, den Felsendom und die Al-Aksa-Moschee. "Wir hatten uns im Haus verschanzt, keiner traute sich, auch nur aus dem Fenster zu schauen. Da hörten wir jemand von unten in der Straße rufen - die irakischen Soldaten sind da", erinnert sich al Khalidi. "Aber meine Mutter hat sehr schnell an den Stimmen erkannt, dass es israelische Soldaten waren. Es war ein Schock, dass die Israelis so schnell in der Altstadt waren."

Am 7. Juni 1967 eroberten die israelischen Truppen das Gebiet. "Wir sahen unsere Kommandanten weinen vor Freude, dass sie die Klagemauer berühren konnten", erinnert sich Zamosch. Er hisste dort eine israelische Flagge. "Da waren wir wieder. Die israelische Fahne wehte über Klagemauer", beschreibt Zamosch den Moment, der ihm auch heute noch nahegeht.

Befreiung und Besatzung

Die Eroberung der Altstadt wird bis heute in Israel als "Befreiung und Wiedervereinigung Jerusalems" gefeiert. Kürzlich veröffentlichte Transkripte von Regierungssitzungen vom Juni 1967, die das israelische Staatsarchiv zum 50. Jahrestag veröffentlicht hat, zeigen, wie nach anfänglicher Skepsis mit jedem Kriegstag die Euphorie wuchs. Wenn es sein müsse, könne man auch in "wenigen Stunden in Beirut sein", wird darin Verteidigungsminister Moshe Dayan zitiert.

Heute freier Blick vom Dach von Haifa al Khalidis Elternhaus auf die Klagemauer: "Dann kamen die Bulldozer"Bild: DW/T.Krämer

Israel hatte sein Territorium in nur wenigen Tagen verdreifacht und Gebiete besetzt - kontrollierte nun aber auch ein anderes Volk: die Palästinenser. Kurz nach Kriegsende wurde über den Umgang mit den besetzten Gebieten diskutiert. "Wir sitzen hier mit zwei Völkern, einem mit allen Grundrechten, dem anderen, dem alle Rechte verweigert sind", wird der damalige Außenminister Abba Eban zitiert. Das werde vor dem Hintergrund jüdischer Vergangenheit und im internationalen Kontext kaum zu verteidigen sein.

In der Jerusalemer Altstadt beobachtete Palästinenserin Haifa al Khalidi die Folgen des Krieges: So wurde gleich das benachbarte Mughrabi-Viertel abgerissen, um den Zugang zur Klagemauer zu erleichtern. "Sie gaben den Leuten zwei Stunden, um ihre Häuser zu räumen, dann kamen auch schon die Bulldozer", erinnert sich al Khalidi. Nur wenige Tage später lag das Viertel in Trümmern. Später entstand daraus ein freier Platz vor der Klagemauer. "Ich weiß nicht, wo die Leute von dort alle hin sind. Aber die, die geflohen sind, konnten nicht mehr nach Jerusalem zurück." Tausende flüchteten im Krieg Richtung Osten, viele leben bis heute mit einem Flüchtlingsstatus in Jordanien.

Palästinenserin al Khalidi: "Es war ein Schock"Bild: DW/T.Krämer

Für die Palästinenser, die geblieben waren, begann nach 1967 ein Leben unter israelischer Militärbesatzung. Israel annektierte den arabischen Ostteil der Stadt und erklärte Jerusalem später zu seiner "ungeteilten und ewigen" Hauptstadt. Dies wurde aber nie von der internationalen Gemeinschaft anerkannt. Die meisten palästinensischen Einwohner Ostjerusalems bekamen einen speziellen Residenzstatus - ohne volle Bürgerrechte. Palästinenser, die im Westjordanland oder im Gazastreifen registriert sind, benötigen bis heute eine Genehmigung der israelischen Militärverwaltung, um Jerusalem zu besuchen.

Israel eroberte 1967 auch den Sinai und den Gazastreifen, die zuvor von Ägypten kontrolliert wurden, sowie die syrischen Golanhöhen. Der erfolgreiche Blitzkrieg hinterließ den Mythos eines unbesiegbaren Israels - doch er beendete nicht die Konflikte mit den arabischen Nachbarn. Weitere Kriege folgten. Erst später schloss Israel mit Jordanien und Ägypten Frieden. Der Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern ist bis heute nicht gelöst. "Keiner hat sich damals vorstellen können, dass Israel so lange in Ostjerusalem und im Westjordanland sein werden", sagt Haifa al Khalidi. "Vielleicht erlebe ich es nicht mehr, aber man kann nur hoffen, dass sich diese Situation irgendwann ändern wird."

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