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Politik

Seehofer: "Habecks Vorschlag ist unredlich"

23. Dezember 2019

Weil man keinen nationalen Alleingang will, holt Berlin Kinder aus den griechischen Lagern nicht nach Deutschland. Doch Politiker von Grünen, SPD und vor allem die Kirchen stimmen der Initiative von Robert Habeck zu.

Griechenland Flüchtlingscamp Idomeni | Kinder & Polizisten
Griechische Polizisten bewachen zwei FlüchtlingskinderBild: Imago Images/C. Mang

Die Lage der Flüchtlinge auf den griechischen Inseln sei zwar "prekär" und "nicht tragbar", aber eine Initiative zur Aufnahme Minderjähriger von dort werde dennoch abgelehnt, heißt es von Seiten der Bundesregierung. Die stellvertretende Regierungssprecherin Ulrike Demmer betonte vielmehr, dass man nach einer europäischen Lösung suche.

Zuvor hatten bereits Vertreter des Bundesinnenministeriums einen nationalen Alleingang abgelehnt. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) nannte die Forderung von Grünen-Chef Robert Habeck nach einer Aufnahme sogar "unredliche Politik". Ein Alleingang Deutschlands könne zu einem "Sogeffekt" führen.

Attackiert Robert Habecks Pläne: Bundesinnenminister Horst SeehoferBild: picture-alliance/AA/A. Hosbas

Habeck hatte am Wochenende den Ruf seiner Partei nach einer humanitären Geste wiederholt. Nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR leben in Lagern auf den Inseln Lesbos, Samos und Kos mehr als 4.400 unbegleitete Kinder, "von denen nur jedes vierte altersgerecht untergebracht ist".

Seehofer sagte in der Online-Ausgabe der "Süddeutschen Zeitung", er warne seit Monaten vor einer neuen "Flüchtlingswelle", sei aber von vielen nicht ernst genommen worden. Habeck komme "zu diesem durchschaubaren Zeitpunkt mit diesem nicht hilfreichen Vorschlag", sagte Seehofer.

Unterstützung erhält Seehofer aus der Union. Den Kindern "kann und muss am wirksamsten vor Ort geholfen werden", sagte Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) der "Passauer Neuen Presse". CDU-Vizechef Thomas Strobl sagte den Funke-Zeitungen: "Das ist eine europäische Herausforderung." Ein "deutscher Sonderweg" sei keine Lösung. CDU-Außenpolitiker Ruprecht Polenz steht mit seiner Ansicht bei der Union ziemlich allein. Auf Twitter setzte er sich für eine Unterstützung der Kinder ein. 

SPD und Linke signalisieren Bereitschaft

Anders sieht man Habecks Vorschlag in Reihen der SPD. "Zeigen wir endlich mehr Humanität und Solidarität, nicht nur zur Weihnachtszeit", sagte Außen-Staatsminister Michael Roth (SPD) dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Dabei könne es auch ein Vorangehen durch aufnahmewillige Gemeinden geben, wenn die EU nicht zu einer gemeinsamen Linie finde. Für eine begrenzte Aufnahme von Flüchtlingskindern hatte zuvor auch Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) geworben. 

Außen-Staatsminister Michael Roth will eine praktikable LösungBild: Reuters/O. Oral

In Berlin, Baden-Württemberg und Thüringen hat man sich bereiterklärt, Minderjährige aufzunehmen. Wenn Kinder in Not sind, dürfe man nicht wegsehen, erklärte Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke).

 Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) sagte der "Stuttgarter Zeitung" und den "Stuttgarter Nachrichten", auch sein Land wäre dazu bereit. Es sei allerdings Angelegenheit der Bundesregierung, ein Sonderkontingent der Länder zu bestimmen.

Konsens bei den Kirchen

Vertreter der evangelischen Kirche schlossen sich der Forderung der Grünen an. Es sei "Zeit, humanitäre Zeichen zu setzen", sagte der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, im Bayerischen Rundfunk. Die unbegleiteten Kinder brauchten jetzt Hilfe, erklärte Diakonie-Präsident Ulrich Lilie: "Gerade an Weihnachten wäre dies ein Zeichen der Hoffnung und ein Ausdruck elementarer europäischer und christlicher Werte."

Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Thomas Sternberg, sagte der "Passauer Neuen Presse", die Situation sei nicht nur in den Lagern Griechenlands katastrophal. Die "europäische Gleichgültigkeit in der Flüchtlingsfrage" könne insgesamt nicht so bleiben.

Kritisiert die europäische Gleichgültigkeit: Thomas Sternberg, Präsident des Zentralkomitees deutscher KatholikenBild: DW

Der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick hat zu Weihnachten an das Schicksal von Flüchtlings- und Kriegskindern erinnert. Das Fest sei ein Protest gegen jede Vernachlässigung von Kindern, sagte Schick laut Mitteilung vom Montag. Er nannte explizit die etwa 4.000 Flüchtlingskinder, die unter schlimmsten Bedingungen in Griechenland lebten, sowie jene Kinder in Syrien und im Irak, die seit ihrer Geburt nichts anderes als Krieg erlebt hätten und viele Tage und Nächte in Angst vor Bomben in Kellern verbringen müssten. "Nur zu sagen, weil andere nichts tun, tun wir auch nichts, ist nicht bethlehemkonform."

cgn/ml (dpa, epd)

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