Die Regierungskrise zeigt: Die Bayern sind ein eigenes Völkchen. Aber sind sie das wirklich? DW-Redakteur Conny Paul - geboren in Niederbayern - meint, dass es "den Bayern" gar nicht gibt. Trotz der vielen Klischees.
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10 Dinge, die Bayern vom Rest Deutschlands unterscheiden
Von der Weißwurst bis zum Dirndl, von BMW bis zum FC Bayern München - unsere Bildergalerie zeigt: Bayern, das ist eine außergewöhnliche Mischung aus Tradition und Innovation.
Bild: picture-alliance/Chromorange/R. Peters
Zum Träumen: die Märchenschlösser
Viele Menschen auf der Welt denken, Deutschland sehe überall so aus wie auf diesem Bild. Kein Wunder: Schloss Neuschwanstein ist eines der meistfotografierten Motive Deutschlands. Die romantischen Schlösser von Bayernkönig Ludwig II. ziehen jedes Jahr Massen von Touristen aus aller Welt an - und sollen auch Walt Disney inspiriert haben.
Bild: picture-alliance/dpa/C. Wallberg
Riesen-Wies'n: das Oktoberfest
Seit 1810 feiern die Münchner ihr Oktoberfest. Paradoxerweise findet der Hauptteil des Festes schon lange im September statt. Der Grund: das berüchtigte Münchner "Sauwetter". Mit rund 6 Millionen Besuchern jährlich gilt es als das größte Volksfest der Welt - und findet rund um den Globus Nachahmer. Das größte Oktoberfest-Imitat gibt's in China: Nach Quingdao pilgern etwa drei Millionen Besucher.
Bild: picture alliance / Matthias Balk/dpa
Bayerischer Chic: die Trachten
Die "feschen" (hübschen) Dirndl hängen mittlerweile auch bei vielen Nicht-Bayern im Schrank - dem Oktoberfest sei Dank. Keine andere deutsche Tracht hat es überregional - nein, weltweit! - zu einem solchen Erfolg gebracht wie Dirndl und Lederhosen. Verkaufsschlager sind dabei häufig die günstigen Massenanfertigungen - echte Trachten dagegen kosten ein kleines Vermögen und werden vererbt.
Bild: picture-alliance/dpa/F. Hörhager
Drei Streifen und eine Raubkatze: die Wiege des Sneaker-Booms
Und noch mehr Mode kommt aus Bayern: Zwei Schuhmacher aus Herzogenaurach gründen 1924 die "Gebrüder Dassler Schuhfabrik". 1936 überzeugen sie den US-Athleten Jesse Owens, ihre Laufschuhe bei den Olympischen Spielen in Berlin zu tragen. Ein voller Erfolg. Später trennen sich die Brüder im Streit: Der eine gründet Adidas, der andere Puma. Sie sind die ersten global players der Sneakerbranche.
Bild: 43einhalb
Weiß-blau auf dem Kühler: BMW
Ein weiterer Weltkonzern trägt den Freistaat sogar in seinem Namen: BMW steht für Bayerische Motoren Werke. Diese haben in München ihren Hauptsitz; verkauft werden die Autos auf der ganzen Welt. Das Weiß-Blau der Bayernflagge prägt das Logo, das auf jeder Motorhaube prangt - gleich über der charakteristischen BMW-Niere am Kühlergrill.
Bild: BMW AG
Teil der Weltspitze: Der FC Bayern München
Weiß-blau steht auch im Zentrum eines weiteren weltbekannten Logos: dem des deutschen Rekordmeisters FC Bayern München. "Mia san mia" - wir sind wir - sagen die Bayern und meinen damit: Wir sind die Besten. Im Fußball (hier: Robert Lewandowski) scheint das derzeit auch zu stimmen - zumindest national. Der letzte Champions-League-Titel ist allerdings schon fünf Jahre her.
Bild: Getty Images/O. Hardt
"Zuzeln" oder schneiden: die Weißwurst
Böse (preußische) Zungen behaupten, die Bayern würden mit Vorliebe Fleischabfälle zu traditionellen Gerichten verarbeiten, aber das gilt eindeutig nicht für die Weißwurst. Diese Brühwurst wird nach strengen Vorgaben hergestellt. Kenner "zuzeln" (saugen) sie aus dem Darm, andere schneiden sie der Länge nach auf. Dann genießen sie ihr zweites Frühstück mit süßem Senf, Brezen und Weißbier.
Bild: Imago/Weißfuß
Gesellig: der Biergarten
Im 19. Jahrhundert trank man in München vor allem untergäriges Bier, das kühl hergestellt und gelagert werden musste. Das ging am besten im Keller. Das Bier durfte von dort nur im Sommer direkt ausgeschenkt werden; man stellte dazu ein paar Bänke unter die Bäume - willkommen im Biergarten. Aus dieser Zeit stammt auch die noch immer verbreitete Regel, dass Gäste ihr Essen selbst mitbringen dürfen.
Bild: picture-alliance/dpa/M. Balk
Radikal natürlich: Nationalpark Bayerischer Wald
Sieht gewöhnungsbedürftig aus, ist aber genau so gewollt: Im Nationalpark Bayerischer Wald darf die Natur so sein, wie sie eben ist. Wild und ungeschönt. Sturmschäden oder Schädlingsbefall werden nicht von Menschenhand reguliert. Das Resultat: ein echter Urwald. Der Nationalpark Bayerischer Wald wurde 1970 als erster Nationalpark Deutschlands gegründet. Er umfasst heute ca. 24.000 Hektar Land.
Bild: picture-alliance/chromorange/A. Hofer
Regionalpartei mit nationalem Gewicht: die CSU
"Bayern ist die CSU, und die CSU ist Bayern." Das sieht aktuellen Umfragen zufolge zwar nur noch eine Minderheit der bayerischen Wähler so, dennoch: Die CSU stellt seit 1957 ununterbrochen den Ministerpräsidenten des Freistaats (hier Markus Söder mit Vorgänger Horst Seehofer). Bei Bundestagswahlen tritt sie in Bayern als "Schwesterpartei" der CDU an. CDU/CSU bilden im Bundestag eine Fraktion.
Bild: picture-alliance/dpa/S. Hoppe
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Die Landschaften Bayerns sind so vielfältig und gegensätzlich wir die Menschen, die in Bayern leben. Wenn jemand einem Münchner Ureinwohner beispielsweise erklärt, er sei ebenfalls Münchner und lebe in Schwabing, dann könnte es sein, dass er gefragt wird, in der wievielten Generation er denn schon in München lebe. Drei Generationen einer Familie sollten schon wenigstens dort zu Hause sein. Sonst rümpft der Ur-Münchner die Nase und schüttelt den Kopf. Eine kleine gefällige Dialekteinfärbung macht noch keinen echten Bayern aus.
Jodler und Biertrinker
Als der Autor dieser Zeilen 1967 von seiner Geburtsstadt Landshut - immerhin die Hauptstadt Niederbayerns - an den Chiemsee im oberbayerischen Alpenvorland gezogen war und in den Schulferien seine alten Freunde besuchte, fragten diese ihn, ob er nach einem halben Jahr als Oberbayer denn auch schon jodeln und platteln könnte. Er konnte auch verneinen, dass er jetzt mit Bier aufgezogen werde. Diese Fragen wurden ernsthaft gestellt. Die oberbayerische TV-Sendung "Komödienstadl" und das Münchner Oktoberfest - München liegt ebenfalls in Oberbayern - hatten sicherlich zu diesem Irrglauben beigetragen. Zugleich kannten auch die neuen oberbayerischen Mitschüler die nur 90 Kilometer entfernte Stadt Landshut in Niederbayern gar nicht.
Sprachen und Dialekte
In Bayern gibt es viele Dialekte. In jedem oberbayerischen Tal wird etwas anders gesprochen. Auch das Niederbayerische unterscheidet sich von Gegend zu Gegend, von Dorf zu Dorf. Wenn der Chiemgauer zum Skifahren ins Allgäu fahren würde, was ihm in der Regel ohnehin schon viel zu weit weg ist, hätte er sicherlich das eine oder andere kleine Verständigungsproblem. Die Allgäuer sprechen eine ganz andere Sprache.
Noch deutlicher werden die sprachlichen Unterschiede, wenn ein Chiemgauer nach Franken fährt. Ein oberbayerischer Seufzer lautet: "Wir müssen Gott für alles danken, auch für Ober-, Mittel- und Unterfranken." Besucht der Oberbayer beispielsweise seine Freunde im mittelfränkischen Weißenburg, kann es sein, dass er in der ersten halben Stunde fast nichts von dem versteht, was seine Freunde ihm gerade im Schnellsprechtempo erzählen.
Das soll aber keine Begründung für das Kommunikationsproblem von Horst Seehofer und Markus Söder sein. Beide sprechen doch ein überraschend gutes Hochdeutsch. Seehofer ist im oberbayerischen Ingolstadt geboren, und der bayerische Ministerpräsident stammt aus dem mittelfränkischen Nürnberg.