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Politik

Seehofers Schatten in Berlin

4. Dezember 2017

Als Ministerpräsident Bayerns ist er ein Auslaufmodell, aber CSU-Chef will er bleiben. Vielleicht zieht es Horst Seehofer in die deutsche Hauptstadt. Dass sich Angela Merkel darüber freuen würde, darf bezweifelt werden.

Deutschland Koalitionsspitzen vertagen Suche nach Präsidentenkandidaten erneut
Bild: icture alliance/dpa/P. Zinken

Das Duell um das wichtigste politische Amt im Freistaat Bayern hat Horst Seehofer verloren: Er wird seinen Posten als Regierungschef im ersten Quartal 2018 an seinen Finanzminister Markus Söder abgeben. Damit verpasst er auch das zehnjährige Dienstjubiläum, das er im Oktober hätte feiern können. So lange konnte und wollte sein parteiinterner Widersacher nicht warten. Der wird nun bei der im Herbst nächsten Jahres geplanten Landtagswahl als Seehofer-Nachfolger antreten. Sein Ziel: die Alleinherrschaft der Christlich-Sozialen Union zu verteidigen.

Mit Seehofer an der Spitze hat die CSU zuletzt massiv an Zustimmung verloren. Bei der Bundestagswahl stimmten nur noch knapp 39 Prozent der Bayern für die erfolgsverwöhnte Schwester-Partei der CDU. Gemeinsam erreichten die Unionsparteien lediglich 33 Prozent. Das entspricht in der Selbstwahrnehmung gefühlt ungefähr den 20 Prozent, mit denen sich die Sozialdemokraten bundesweit begnügen mussten. Und trotz der herben Verluste bahnt sich nach den gescheiterten Sondierungsgesprächen zwischen Union, Freien Demokraten und Grünen ("Jamaika") eine Fortsetzung der schwarz-roten Koalition an.

Sollte sich Seehofer tatsächlich ein Hintertürchen in Berlin offenhalten, kann die nur ins Kabinett führen. Dann säße er mit seiner Widersacherin Angela Merkel am gemeinsamen Regierungstisch. Und für einen wie ihn käme dann nur ein besonders wichtiger Ministerposten infrage. Denkbar wäre das Wirtschafts- oder Finanzministerium. An beiden könnte aber auch die SPD Interesse haben. Allein diese - rein theoretischen - Überlegungen illustrieren, dass die Personalie Seehofer weit mehr als eine CSU-interne Angelegenheit ist.

Freunde fürs Leben werden Horst Seehofer und Angela Merkel wohl nicht mehrBild: picture alliance/dpa/M. Kappeler

Die Flüchtlingskrise veränderte alles

In der gerade zu Ende gegangenen Legislaturperiode reichte der lange Arm des 68-Jährigen spätestens mit Beginn der Flüchtlingskrise im Sommer 2015 bis tief ins Berliner Regierungsviertel hinein. Seehofers Schatten tauchte überall auf: in der CSU-Landesgruppe der Unionsfraktion im Bundestag, in der Länderkammer (Bundesrat) und in der Bundesregierung. Auf allen Ebenen hatte die CSU ein Wörtchen mitzureden - und zu entscheiden. Seehofers Wort war dabei aufgrund seiner Doppelfunktion als CSU-Chef und bayrischer Ministerpräsident von größtem Einfluss.

Die Dauerfehde mit Angela Merkel bekam beiden nicht gut - persönlich wie politisch. Das schlechte Ergebnis bei der Bundestagswahl war dafür die allseits sichtbare Quittung. Vor diesem Hintergrund wäre es von einer besonderen Ironie, sollten sich die beiden im Herbst ihrer Karrieren in einer Neuauflage der ungeliebten Großen Koalition mit der SPD wiederfinden. Ohne Seehofer dagegen dürfte die CSU in Berlin schon deshalb an Einfluss verlieren, weil ein anderes Schwergewicht nun doch in Bayern bleiben will: Joachim Herrmann.

Die Zeiten von CSU-Kanzlerkandidaten sind passé

Den Innenminister des Freistaats hatte die Schwesterpartei der CDU im Wahlkampf unverhohlen als potenziellen Nachfolger von Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) in Stellung gebracht. Ohne Herrmann und Seehofer wäre künftig wohl der ehemalige Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt das bekannteste CSU-Gesicht im Berliner Regierungsviertel. Kurz nach der Bundestagswahl im September wurde er zum Chef der CSU-Landesgruppe im Bundestag gewählt.

Landesgruppenchef Alexander Dobrindt: Derzeit das Gesicht der CSU in BerlinBild: picture-alliance/dpa/S. Stein

Die Zeiten, in denen die Bayern sogar Kanzlerkandidaten ins Rennen schicken konnten, sind vorbei. Zuletzt scheiterte Edmund Stoiber 2002 bei dem Versuch, das höchste deutsche Regierungsamt zu erobern. Erfolglos war 1980 auch Franz-Josef Strauß. Ob die CSU auf Bundesebene jemals wieder so viel Einfluss haben wird wie zu Zeiten ihrer unterlegenen Kanzlerkandidaten, ist fraglich. Für Unruhe sorgen kann die Partei allerdings immer noch. Nicht nur Angela Merkel hätte sich wohl heimlich darüber gefreut, wenn Seehofer einen Wechsel in die Bundespolitik grundsätzlich ausgeschlossen hätte. So lange er sich diese Option offen hält, so lange liegt sein Schatten über dem Berliner Regierungsviertel.

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