1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Seelsorge im Netz

28. August 2002

Immer mehr Kirchengemeinden in Deutschland bieten Seelsorge per Internet an. Theologen stehen Hilfe Suchenden per Mausklick und Tastatur bei. Der Service kommt gut an.

Die Kirchen entdecken die Seelsorge im InternetBild: BilderBox

Der Hilferuf kam per E-Mail aus den USA. Sie werde von ihren Gasteltern wie eine Gefangene gehalten, schrieb ein deutsches Au-pair-Mädchen an die Internetseelsorgerin Ursula Burkert ins nordbadische Tauberbischofsheim. Den ganzen Tag, während die Eltern arbeiteten, sei sie mit dem Baby der Familie eingeschlossen. Aber nach Hause könne sie nicht mehr zurück, so die Schreiberin.

Drei bis vier solcher Nachrichten von Verzweifelten landen täglich auf dem PC von Burkert. Seit fünf Jahren bietet die evangelische Theologin zusammen mit dem Mannheimer Pastoralpsychologen Dieter K. Sprengel Seelsorgedienste bei der badischen evangelischen Landeskirche und dem so genannten "Kummernetz" eines ökumenischen Vereins über das Internet an.

Kontakte über den halben Erball hinweg

Sie seien keine Therapeuten, stellt Burkert allerdings klar. Wer eine regelmäßige, intensive Begleitung brauche, werde an entsprechende Beratungsstellen verwiesen. "Wir wollen die Schreiber nicht mit Ratschlägen löchern." Vielmehr sollen sie in die Lage versetzt werden, neue Aspekte in ihren Problemen zu erkennen.

Wie im Falle der verzweifelten Au-pair. "Sie schämte sich, hatte kein Selbstwertgefühl mehr", sagt Burkert. Schließlich war die junge Frau gegen den Willen ihrer Eltern in die USA gegangen. In den folgenden Kontakten über den halben Erdball hinweg machte die Seelsorgerin der weit Entfernten online immer wieder Mut. Mit Erfolg. Wenig später kam eine Dankesnachricht aus Leipzig. Die Frau hatte aus ihrem Au-pair-Käfig wieder nach Hause gefunden.

Rasche Anteilnahme ist garantiert

"Bei der Mehrzahl der Anliegen handelt es sich jedoch um Eheprobleme", grenzt Burkert die Seelsorgeklientel im Internet ein. Diese möchte vor allem ihre Anonymität gewahrt wissen. Zwischen Rat Suchendem und Seelsorger komme es weniger darauf an, dass "die Chemie stimmt" als bei einem persönlichen Gespräch.

Zudem können Rat Suchende einer raschen Anteilnahme für ihre Anliegen gewiss sein. Burkert und Sprengel rufen zwei bis drei Mal am Tag ihre Mails ab. Bei den Gemeinden treffen eilige Fragesteller hingegen oft zunächst auf das Antwortband der Telefonanlage. "Oder der überlastete Pfarrer hat erst Tage später einen Termin frei", sagt Burkert.

Funktion einer Auffangschale

Neben der badischen sind sich immer mehr Kirchen in Deutschland solcher Vorteile bewusst. Die Homepage der Evangelischen Kirche in Deutschland weist Links zur Online-Seelsorge der bayerischen, hessen-nassauischen, nordelbischen und kurhessischen Kirche auf. Auf katholischer Seite stehen nach Angaben der Bischofskonferenz ein Dutzend Theologen per Mausklick und Tastatur den Hilfe Suchenden bei.

Ihre Tätigkeit vergleicht Burkert mit der Funktion einer Auffangschale. Nur einmal habe sie bislang einen bedrängten Menschen nicht mehr auffangen können. Eine 21-Jährige hatte einen Abschiedsbrief gemailt. "Ich vermute, sie lebt nicht mehr", sagt Seelsorgerin Burkert. "Das arbeitet noch immer in mir." epd/(pg)

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen